Vom Schreiner bis zur Schneiderin
12.02.2023 FrickIm Fricker Kornhaus gingen einst Handwerker zur Schule
An Fricker Schulen werden heute rund 1000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, das ist bekannt. Etwas weniger bekannt ist, dass Frick bis Ende der 1950er-Jahre eine Handwerker- und Gewerbeschule hatte. Ein Blick ...
Im Fricker Kornhaus gingen einst Handwerker zur Schule
An Fricker Schulen werden heute rund 1000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet, das ist bekannt. Etwas weniger bekannt ist, dass Frick bis Ende der 1950er-Jahre eine Handwerker- und Gewerbeschule hatte. Ein Blick zurück.
Simone Rufli
Mit der Gründung des Schweizerischen Gewerbevereins 1879 nahm die Bedeutung bestehender lokaler Gewerbevereine zu. Diese, so ist im neusten Band der Fricker Dorfchronik «Frick – Gestern und Heute» (Nr. 14/2022) in einem Beitrag von Werner Fasolin zu lesen, gründeten Handwerkerschulen und setzten sich für einheitliche Lehrlingsausbildung mit Abschlussprüfungen ein. In Frick dürfte die Gründung des Handwerkervereins Frick und Umgebung in den 1890er-Jahren erfolgt sein. Noch im gleichen Jahrzehnt wurde in Frick eine Handwerker- und Gewerbeschule gegründet, die den Unterricht im Schuljahr 1897/98 aufnahm und bis 1959, während rund 60 Jahren, Lehrlinge und ab Mai 1924 auch Lehrtöchter von Frick und Umgebung ausbildete.
Ein Mangel an Fleiss und Ausdauer
Die Schule hatte ganz offensichtlich mit diversen Startschwierigkeiten zu kämpfen. So stellte Schulleiter Bernhard Frei aus der Gipf am Ende des ersten Schuljahres fest, dass die gesteckten Ziele in allen Fächern nicht erreicht wurden. «Bei manchen Schülern fehlt es noch am richtigen Verständnis für das, was ihnen die Schule bieten soll und will. Bei einigen mangelt der notwendige Fleiss und die ernste Ausdauer. Sie nehmen die Sache allzu leicht und unfertige, unexakte Arbeiten sind Zeugen ihrer Oberflächlichkeit und ihres Unfleisses.»
Ungenügend war die Situation zu Beginn auch im finanziellen Bereich. Um das nötige Geld für den Start zusammenzubekommen, hatte der Vorstand der Handwerkerschule die Gemeinde um finanzielle Unterstützung gebeten, woraufhin die Gemeindeversammlung den Betrag von 50 Franken bewilligte. Die erste Jahresrechnung schloss trotzdem mit einem Defizit von 260 Franken, was die Lehrer Frei und Keller veranlasste, vorläufig auf die Bezahlung ihrer Gehälter zu verzichten. Baumeister Suter schliesslich übernahm das Defizit bis zum Eintreffen des Kantonsbeitrags in Höhe von 350 Franken.
Die ersten Schulzimmer der Handwerkerschule befanden sich im Kornhaus, in welchem rund 30 Jahre zuvor, am 8. August 1866, die Bezirksschule Frick eröffnet worden war. Auch die Bezirksschule war damals auf Geld von der Gemeinde angewiesen. Zum Vergleich: Ende 1865 hatten die Fricker einen jährlichen Beitrag an die Auslagen der Bezirksschule in der Höhe von 600 Franken gesprochen.
Ab 1924 auch Lehrtöchter
Die Bezirksschule blieb im Kornhaus bis zum Umzug in den Neubau auf dem Areal der heutigen Schule Dorf im Jahr 1924. Die Handwerkerschule dagegen zügelte gleich mehrmals. Zuerst 1914 vom Kornhaus ins alte Schulhaus auf dem Rampart und Ende 1917 ins fünf Jahre zuvor erbaute Gemeindeschulhaus 1912. Mit Einführung des kantonalen Gesetzes über das Lehrlingswesen im Januar 1921 erhöhte sich die Zahl der Absolventen von 27 auf 38. Mit der Zulassung von Lehrtöchtern anno 1924 stieg die Anzahl Schülerinnen und Schüler auf 57. Im Jahr 1926 ging die Handwerkerschule per Gesetz aus der Obhut des Handwerkervereins und der Gemeinnützigen Gesellschaft des Bezirks Laufenburg in den Besitz der Einwohnergemeinde Frick über. In der Dorfchronik listet Werner Fasolin die Berufe auf, die 1930 gemeinsam den Unterricht in der Handwerkerschule in Frick besuchten: 9 Schreiner, 7 Schmiede und Schlosser, 2 Mechaniker, 1 Spengler, 2 Automechaniker, 1 Elektriker, 1 Uhrmacher, 1 Maler, 1 Buchbinder, 1 Schriftsetzer, 1 Schneider, 6 Maurer, 3 Sattler, 2 Gärtner, 8 Damenschneiderinnen und 1 Weissnäherin. Eine Mischung, die den langjährigen Rektor, Dr. Ivo Höchle, zur Bemerkung veranlasste: «Das war ein recht buntes Bild; dabei musste aber ein erspriesslicher Unterricht selbst für einen Hexenmeister zum Kunststück werden.»
Kleinere Schulen in Not
1933 trat ein neues Bundesgesetz zur Berufsbildung in Kraft, das den Unterricht in Klassen nach Berufsgruppen verlangte. Um das Aus für kleinere Schulen wie Frick zu verhindern, liess die Erziehungsdirektion die Bildung von Schulkreisen zu.
Im Fricktal wurden aus den drei Schulen in Laufenburg, Rheinfelden und Frick ein Handwerkerschulverband gebildet. Frick konnte Kurse für Mechaniker, Lehrlinge des Baugewerbes und Schreiner im Dorf behalten. 1934 erhielt Frick gar eine eigene Schreinerfachklasse zugesprochen, die bald 94 Schülerinnen und Schüler zählte.
Weil in den Kriegsjahren viele Lehrlinge im Landdienst eingesetzt wurden, sanken die Schülerzahlen an allen Schulen. Die Handwerkerschule in Frick blieb mit der Ausbildung von Schreinerlehrlingen und Schneiderinnen aber noch jahrelang erfolgreich. Bis Erziehungsdirektor Ernst Schwarz im März 1959 dem Gemeinderat schlechte Nachrichten überbrachte. Rheinfelden habe für den Umbau des Gewerbeschulhauses bedeutende Aufwendungen gemacht und der Aargauische Schreinermeisterverband setze sich für den Ausbildungs-Standort Baden ein. Die Zentralisierung war nicht mehr aufzuhalten. Die Fricker Schule schloss per Ende Schuljahr 1958/59 ihre Türen.