Kein Kerzenspektakel mehr
05.02.2023 RheinfeldenEnde des jahrzehntealten Brauchs der «selbstentzündenden» Christbaumkerzen
Erstmals fand diese Weihnachten in der Rheinfelder Stadtkirche der Brauch, bei dem die Wachskerzen am Christbaum über zusammengeknüpfte Zündschnüre entzündet werden, nicht mehr statt. Das Bedauern von Seiten ...
Ende des jahrzehntealten Brauchs der «selbstentzündenden» Christbaumkerzen
Erstmals fand diese Weihnachten in der Rheinfelder Stadtkirche der Brauch, bei dem die Wachskerzen am Christbaum über zusammengeknüpfte Zündschnüre entzündet werden, nicht mehr statt. Das Bedauern von Seiten der Besucher war gross. Conrad Corrigan, Präsident der Kirchenpflege, erklärt die Gründe.
Boris Burkhardt
Rheinfelden ist um einen schönen Brauch ärmer: Ohne vorgängige Information der Gemeinde wurden an diesen Weihnachten in der Stadtkirche St. Martin zur Christnachtfeier um Mitternacht erstmals keine Wachskerzen mehr am Christbaum angezündet. Als weit und breit einzigartiges Spektakel waren die Kerzen seit Jahrzehnten so mit zusammengeknoteten Zündschnüren von je zehn Metern Länge verbunden, dass im Idealfall zum Beginn des Gottesdiensts in der abgedunkelten Kirche mittels des von Hand entzündeten Luntenendes in Sekundenschnelle alle Kerzen «von selbst» angingen. Entgegen ersten Gerüchten fiel dieser Brauch aber nicht einem Verbot der Behörden oder der Versicherung zum Opfer, sondern war eine eigene Entscheidung der Kirchenpflege.
Pfarrer Peter Feenstra, der im vergangenen April neben seiner Pfarrei Magden-Olsberg auch die Pfarrei Rheinfelden-Kaiseraugst übernahm und somit seine ersten Weihnachten in St. Martin feierte, entschuldigte sich zu Beginn der Messe für die fehlenden Wachskerzen, die durch LED-Kerzen ersetzt waren, ging aber nicht auf die Gründe ein. «Es gab kein Verbot», stellt Kirchenpflegepräsident Conrad Corrigan auf Nachfrage der NFZ fest. Rund 20 Jahre habe sich Feenstras Vorgänger Peter Grüter massgeblich um die Herstellung und Anbringung der Lunten gekümmert: «Als Pfarrer Grüter im Frühjahr ging, machten wir uns über die Zündschnüre kundig und stellten fest, dass die Sache nicht so einfach war», erklärt Corrigan.
Der Brauch mit den «selbstentzündenden» Kerzen sei auch ihm am Herzen gelegen, versichert Corrigan: «Es war wirklich wunderschön.» Aber nach Gesprächen mit der Feuerwehr und der Versicherung sei die Kirchenpflege zum Entschluss gekommen, den Brauch nicht fortzusetzen. Als Hauptgrund gibt Corrigan an, dass die Kirche erst vor einem Jahr für rund eine Million Franken saniert worden sei: Sollte der Tannenbaum durch ein Unglück Feuer fangen, könnten der Russ und das Löschwasser grossen Schaden anrichten. Corrigan gibt zu bedenken, dass die Schäden dann zu Lasten der Kirchgemeinde oder sogar von haftbaren Einzelpersonen gingen.
Solange die Kerzen brennten, hätten zudem die Brandmelder ausgeschaltet werden müssen, sodass immer eine speziell ausgebildete Brandwache mit einem Feuerlöscher bereitgestanden sei. Ausserdem habe die Kirchenpflege erst im Rahmen der Diskussion erfahren, dass das ältere Sigristenpaar, das sich um die Kirche kümmert, jedes Jahr noch zwei, drei Stunden nach dem Gottesdienst, der gegen 1.30 Uhr endet, vor Ort gewartet habe, bis die letzte Kerze ausgegangen sei: «Der Baum ist bis zu acht Meter hoch: Dort oben konnte man die Kerzen nicht vorzeitig löschen.»
Es gibt regelmässig Besucher von ausserhalb der Gemeinde, die die stimmungsvolle Christnachtfeier bei den Christkatholiken erleben wollen, der zudem das traditionelle Singen der Sebastianibruderschaft vorausgeht, die am Gottesdienst teilnimmt. Dass die eigene Kirchgemeinde von den Änderungen nicht informiert wurde, begründet Corrigan damit, dass der Entscheid zu kurzfristig vor Weihnachten gefällt worden sei. Er habe insgesamt aber wenig Rückmeldungen erhalten: «Zwei fanden es schade. Ein paar merkten aber auch die Vorteile der LED-Kerzen an.» So sei der Baum bisher nach dem Zündschnur-Spektakel unbeleuchtet geblieben, etwa während des Silvesterkonzerts.
Pfarrer Grüter hatte sich den Brauch besonders zu eigen gemacht, auch wenn dieser weit älter als seine 20jährige Amtszeit in Rheinfelden war, wie Grüter in einer Reportage der NFZ zu Weihnachten 2020 berichtet hatte. Der Pfarrer hatte die Zündschnüre selbst hergestellt und immer wieder neue Methoden ausprobiert, um zu erreichen, dass die Lunten möglichst ohne Unterbrechung alle Kerzen anzündeten. Corrigan versichert aber, dass die Beendigung des Brauchs keine Konsequenz von Grüters Weggang sei: «Der Pfarrerwechsel war Anlass, diesen Brauch zu diskutieren; aber er wäre auch Thema geworden, wenn Pfarrer Grüter noch in Rheinfelden im Amt wäre.»
Entscheidend mitgeholfen beim Aufbau des Baums hat jedes Jahr die Chlausengilde. Das tat sie auch dieses Weihnachten und wird es weiterhin tun, wie ihr Leiter Alex Bringolf bestätigt. Auch wenn Corrigan selbst Mitglied der Chlausengilde ist, war diese laut Bringolf nicht am Entscheid der Kirchenpflege beteiligt. Unter den Mitgliedern sei das Ende des Brauchs mit Bedauern aufgenommen worden, aber auch mit Verständnis für die Begründung. Ein weiteres Mitglied, bei dem die NFZ anfragte, enthielt sich hingegen vielsagend eines Kommentars.