«Sie schliefen aus Angst im Auto»
17.02.2023 MöhlinZahlreiche Menschen im Fricktal haben Familie und Freunde in den Erdbebengebieten der Türkei und in Syrien. Betroffen sind auch viele Spieler und Funktionäre beim FC Möhlin.
Ronny Wittenwiler
Zuerst war’s eine Idee im Kleinen. Jetzt zieht ein ganzer Verein mit: Mit einem ...
Zahlreiche Menschen im Fricktal haben Familie und Freunde in den Erdbebengebieten der Türkei und in Syrien. Betroffen sind auch viele Spieler und Funktionäre beim FC Möhlin.
Ronny Wittenwiler
Zuerst war’s eine Idee im Kleinen. Jetzt zieht ein ganzer Verein mit: Mit einem Kuchenverkauf sammelt der FC Möhlin-Riburg/Acli morgen Samstag Geld für die Opfer der Erdbebenkatastrophe. Die Idee kam von Bülent Bülbül, Leiter Kinderfussball im Verein. Auch seine Verwandten in der Türkei hätten das Beben gespürt; doch weit genug weg von den Epizentren, blieben sie grösstenteils verschont. Dann schiebt der in Möhlin wohnende Mann nach: «Wir wollen aber jetzt denen helfen, die es viel schlimmer getroffen hat.»
Das geplante Engagement hat sich mittlerweile auf den Gesamtverein ausgeweitet. Bülbül sagt: «Viele beim FC Möhlin haben Familie und Bekannte in den stark betroffenen Erdbebengebieten der Türkei und in Syrien.» Einer von ihnen sei zum Beispiel der Sportchef, Niyazi Aydin. Die NFZ trifft ihn am Mittwochabend im Clubhaus. Die dramatischen Ereignisse in den Stunden und Tagen nach der Katastrophe habe er über einen Familien-Chat verfolgt, erzählt dieser.
Überleben angesichts der Tragödie
Niyazi Aydin wuchs in Gaziantep auf, sechstgrösste Stadt der Türkei, nahe der syrischen Grenze, wo das Beben unweit des Epizentrums (Kahramanmaras) grossen Schaden anrichtete. «Aus Angst vor Nachbeben schliefen meine Tanten die ersten zwei Nächte im Auto.» Zu gross war die Gefahr, in die Häuser zurückzukehren. Später fanden sie Unterschlupf in einer Turnhalle. «Es geht ihnen gut», sagt Aydin, und das heisst mit anderen Worten: Sie haben überlebt, und das ist angesichts der Tragödie und den immer weiter steigenden Zahlen der Todesopfer keine Selbstverständlichkeit mehr.
Seit dem Beben stehen Aydin und seine Eltern (alle wohnhaft in Rheinfelden) in stetem Kontakt mit den Verwandten aus dem Katastrophengebiet. «Viele im Ort können oder wollen aber nicht in ihren Häusern bleiben, weil sie mit Nachbeben rechnen.» Und dann erzählt Aydin auch das: «Ein Spieler unserer zweiten Mannschaft ist am zweiten Tag nach der Katastrophe in die Türkei geflogen und hat sich dort einer Hilfstruppe angeschlossen.» Der Mann, von dem Aydin spricht, heisst Sinan Cetinkaya, ebenfalls wohnhaft in Rheinfelden. «Zusammenhalt, Hoffnung, Mitgefühl», schreibt dieser auf den sozialen Medien und teilt einen Beitrag über den Einsatz in Gaziantep. Darin heisst es: «Vor Ort waren wir nicht nur Zeuge von Leid, Verletzten und Todesopfern, sondern auch Zeuge von Bergungen, Leben, Hoffnung und einer guten Organisation und Hilfestellung für die Bevölkerung.»
Den Zusammenhalt leben
Längst zieht ein ganzer Verein mit, wenn sich beim FC Möhlin morgen Samstag nicht nur die Kleinsten, sondern auch die Grossen für Spenden stark machen. «Wir haben dieses Engagement im Gesamtvorstand diskutiert», sagt Niyazi Aydin. Klar hätten viele beim FC Möhlin einen Bezug zu den Menschen in der Türkei und Syrien. «Das allein spielt aber eigentlich gar keine Rolle. Wir möchten zeigen, dass ein Vereinsleben viel mehr bedeutet als bloss Fussball: Man organisiert sich, man steht zusammen, man hilft einander. Das möchten wir auch unseren Juniorinnen und Junioren mit auf den Weg geben.»
Bülent Bülbül, der Leiter Kinderfussball beim FC Möhlin, der zusammen mit seiner spanischen Frau den Stein ins Rollen gebracht hat, freut sich: «Viele Eltern werden für ihre Fussballjunioren Kuchen backen. Auch erhielten wir sofort das Einverständnis von den Grossverteilern im Dorf, dass wir auf dem Vorplatz bei ihnen den Verkauf durchführen dürfen.»
Der FC Möhlin-Riburg/Acli sammelt morgen Samstag, 9 bis 18 Uhr, mit einem Kuchenverkauf vor Möhlins Grossverteilern Spenden für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien.