Heimkehr einer Geschichte
01.12.2022 Frick, OeschgenAm kommenden Samstag liest Christine Rinderknecht im Fricker Kornhauskeller aus ihrem Buch «Sieben Jahre mit dem Japaner». Es ist nicht nur ein Eintauchen in eine spezielle Lebensgeschichte, sondern zugleich eine Begegnung mit jenem Ort, an welchem die Hauptfigur Wilhelm Kuprecht einen Teil seiner Jugend verbrachte. Kuprecht ist der verstorbene Grossonkel der Autorin.
Susanne Hörth
«Frick hatte im Leben meines Grossonkels eine besondere Bedeutung, Er hat in Frick die Bezirksschule besucht, wo ein Lehrer auf sein zeichnerisches Talent aufmerksam wurde, und ihm riet, Kupferstecher zu werden. Eine wichtige Weichenstellung in seinem Leben», erklärt Christine Rinderknecht gegenüber der NFZ. Die Schriftstellerin liest am kommenden Samstag im Kornhauskeller aus «Sieben Jahre mit dem Japaner». In dessen Mittelpunkt steht der in Oeschgen aufgewachsene Wilhelm Kuprecht. «Dass ich nun in Frick aus meinem Buch lesen und die aussergewöhnliche Geschichte meines Grossonkels vorstellen darf, freut mich natürlich. Es ist eine Art Heimkehr einer Geschichte, die so bisher noch gar nicht bekannt war», so die Autorin. «Für mich als halbe Fricktalerin ist es auch eine Rückkehr in eine Gegend, die ich hauptsächlich aus meiner Kindheit kenne.»
Die Lesung in Frick hat die Schriftstellerin inspiriert, sich nach den jahrelangen Recherchen für ihr Buch aktuell nochmals mit dem regionalen Aspekt zu befassen. «Ich habe im Archiv der NFZ nachgeforscht, ob es noch mehr Artikel über Wilhelm gibt, als jene, die ich schon habe. Eines der Fundstücke beginnt mit: ‹Oeschgen. Ein achtzigjähriger Japan-Aargauer…› Das zeigt, dass er in der Region doch eine bekannte Persönlichkeit war, auch wenn man nicht viel von ihm wusste.»
Mehr als nur eine Familiengeschichte
«Sieben Jahre mit dem Japaner» ist ein Roman, gleichzeitig auch eine wahre Geschichte. Eine, die sich um ein verstorbenes Familienmitglied dreht. Wie intensiv und aufwühlend die aufwendige Recherche war, verdeutlicht die in Zürich wohnhafte Schriftstellerin mit: «Als ich mit der Arbeit an diesem Buch begann, ahnte ich zwar, dass es sehr herausfordernd wird. Ich konnte jedoch nicht abschätzen, wie sehr mein Leben sich dadurch verändern würde.»
Wilhelm Kuprechts Geschichte sei nicht einfach Familiengeschichte, sondern auch Weltgeschichte, Geschichte der Industrialisierung, Geschichte des Kupferstichs, Textildrucks, zwei Weltkriege, japanische Kunst und ebenso Reisen zu einer Zeit, als das Reisen noch nicht so einfach war wie heute. Wochenlange Seereisen, Reisen mit der Eisenbahn. «Das alles an einer Figur festzumachen, die zu der eigenen Familie gehörte, war natürlich ein Irrsinn mit hohem Potential zum Scheitern. Aus diesem Grund habe ich in meinem Roman die Ich-Erzählerin eingeführt, die wie eine Detektivin ihre Figur verfolgt, nach Spuren sucht, findet, verliert, erfindet, auch Fragen stellt, Fragen nicht beantwortet. So ist diese Geschichte einerseits wahr und auch erfunden.»
Dass dieses Spurensuchen für Staunen bis hin zu Unverständnis in ihrem Umfeld sorgte, erklärt sie unter anderem mit: «Für einige in der weitverzweigten Familie war meine Besessenheit, mit der ich die Geschichte verfolgte, befremdlich. Warum ausgerechnet ich diese Mission auf mich nahm…» Sie hält inne, um dann anzufügen: «Wenn ich diese Frage schlüssig beantworten könnte, hätte ich das Buch nicht geschrieben.» Christine Rinderknecht wird im Fricker Kornhauskeller ihr Publikum mit auf diese Spurensuche nehmen. Sie erzählt davon, liest Texte über ihren Grossonkel und zeigt zudem Ausschnitte aus ihren Video-Recherchen.
Der Kupferstecher
Wilhelm Kuprecht wurde am 25. Juli 1868 in Oeschgen geboren und ist am 30. Januar 1955 in Langnau gestorben. Der Bauernsohn fiel durch sein grosses Zeichentalent aus. Nach der Lehre als Kupferstecher für Stoffmuster in Bad Säckingen verliess er Ende so um 1889 die Schweiz. Christine Rinderknecht hat die vielen Stationen, an welchen er lebte, arbeitete und künstlerisch tätig war, zusammengetragen. So weilte ihr Grossonkel etwa in Frankreich und in Russland, von wo aus er sich an einer Weltausstellung in Paris beteiligte. Er wurde mit der Bronzemedaille ausgezeichnet. Nach einer Ausweisung aus Russland flüchtete er nach Amerika, reiste umher und kam schliesslich 1902 nach Japan. Dort baute er eine Schule für Kupferstecherinnen und Kupferstecher auf. Im Zuge ihrer akribischen Recherchen fand Christine Rinderknecht heraus, dass nach dem Konkurs seiner Firma in Japan ihr Grossonkel die Sammlung seiner Kupferstecherarbeiten auf dem Dachboden seines Bruders in Oeschgen eingelagert hatte. All diese Momentaufnahmen und vieles mehr hat Christine Rinderknecht in ihrem Roman zu einer spannenden Geschichte über das Leben eines sehr umtriebigen Mannes zusammengefasst.
Sie selbst sagt dazu: «Es ist eine komplexe und verrückte Geschichte»
Lesung «Sieben Jahre mit dem Japaner» mit Autorin Christine Rinder am 3. Dezember, um 20.15 Uhr, im Kornhauskeller in Frick.