Das Jubiläumsjahr endet in der Schwesterstadt
15.12.2022 RheinfeldenBadisch-Rheinfelder auf nächtlicher Stadtführung im Schweizer Rheinfelden
Den Abschluss ihrer Vortragsreihe zum 100-Jahr-Jubiläum widmeten Stadtführerinnen und Volkshochschule (VHS) der badischen Stadt der Beziehung zwischen beiden Rheinfelden. Der Schweizer Kollege Robi Conrad übernahm die Stadtführung.
Boris Burkhardt
«Es ist schwierig, Schweizern von anderswo zu erklären, dass hier 1000 Jahre lang keine Grenze war», sagt Robi Conrad zu Beginn der Stadtführung. Mit 30 interessierten Rheinfeldern, die meisten aus dem Badischen, einige aus der Schweiz, steht er am Montagabend in eisiger Nacht am Schweizer Zollhäuschen mit Blick auf die Rheinbrücke. Die 14. und letzte Veranstaltung der Volkshochschul-Reihe zum Stadtjubiläum Badisch-Rheinfeldens, die von den badischen Stadtführerinnen Manuela Eder und Ulrike Maunz organisiert wird, behandelt die Beziehungen zur Schwesterstadt – der Schweizer Stadtführer Robi Conrad wird sie auf seiner Rheinseite auf humorige und trotz der Kälte äusserst kurzweilige Art vorstellen.
Schon allein die Brücke, die beide Städte verbindet, hat ihren Platz in den Geschichtsbüchern: Sie ist die zwölfte in einer Reihe von Brücken, die bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückreicht. Die erste Holzbrücke von der Burg Stein auf dem Inseli zum rechten Rheinufer war seit dem Verfall der römischen Brücken die erste zwischen Konstanz und Strassburg – 50 bis 100 Jahre vor der Mittleren Brücke in Basel.
Robi Conrad, gebürtiger Basler und Wahl-Rheinfelder, bemerkt genüsslich, dass die Rheinfelder Brücke in den Basler Geschichtsbüchern mit keinem Wort erwähnt wird. Noch 1802, nachdem Napoleon den Rhein tatsächlich zur Grenze gemacht hatte und das rechte Rheinufer badisch geworden war, hätten die Basler nichts von Rheinfelden wissen wollen: «Sie wollten nicht noch mehr Katholiken.» Die Schweizer Stadt kam zunächst zum Kanton Fricktal und ein Jahr später zum neu entstandenen Kanton Aargau.
Enge Bande geflochten
Die religiösen Beziehungen zwischen den bis dato beiden habsburgischen Rheinufern blieben über die Jahrhunderte eng: Die badischen Altkatholiken gingen in die Schweizer Martinskirche, die römisch-katholischen Schweizer später in die badische Josefskirche, wie Ulrike Maunz berichtet. Auch sonst war die Grenze über ein Jahrhundert nicht spürbar: Wirtschaft, Familie, Freundschaften und Sprache flochten weiterhin enge Bande. 1844 wurde die Sole im Muschelkalk auf beiden Rheinufern entdeckt: Dem rechten Rheinfelden brachte das später den industriellen Aufstieg, dem linken Rheinfelden sehr schnell den Aufstieg als Kurstadt.
Bezeichnend, dass der erste Bahnhof der Stadt 1856 auf badischer Seite lag und «Bei Rheinfelden» benannt wurde. Dass die Architektur des badischen Bahnhofs noch heute zur Schweizer Stadt ausgerichtet ist, wie Robi Conrad erzählt, ist den geschichtsinteressierten badischen Rheinfeldern aber natürlich nichts Neues mehr. Zuvor unbekannt hingegen mag den meisten gewesen sein, dass die Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg schon derart abgekühlt waren, dass die Tatsache, dass sich die neu entstehende Stadt am rechten Rheinufer ebenfalls Rheinfelden nannte, wie Manuela Eder recherchiert hatte, in der Schweiz keine Zeitungsmeldung wert gewesen sei. Auf Jahrzehnte zerstört hätten die Rheinfelder-Rheinfelder Beziehungen dann die Nazis und der Zweite Weltkrieg, sagt Ulrike Maunz.
Geld für Kunsteisbahn
Im historischen Rathaussaal werden die verfrorenen Stadtrundgänger mit einem kleinen Apéro vom Tourismus Rheinfelden bewirtet. Alt-Oberbürgermeister Eberhard Niethammer, ein treuer Begleiter der VHS-Reihe und selbst Referent, protestiert bescheiden, als Ulrike Maunz berichtet, dass die Wiederaufnahme der Beziehungen ihm und Stadtammann Hansruedi Schnyder zu verdanken sei. Dennoch erzählt er bereitwillig, wie sie in den Achtzigern ihren Durchbruch erreicht hätten mit dem Bau der Kunsteisbahn: «Dass Badisch-Rheinfelden bereit war, hierfür Geld zu geben, hat den Schweizer Rheinfeldern imponiert.» Eberhard zeigt sich froh, dass die guten Beziehungen unter seinem und Schnyders Amtsnachfolgern fortgesetzt würden. Und Robi Conrad merkt an, dass das Schweizer Rheinfelden den Wakkerpreis 2016 auch erhalten habe wegen seiner über eine EU-Grenze hinweg beispiellosen Zusammenarbeit.