Christ, Familienmensch und Vereinsmensch
10.12.2022 MöhlinSilvio Iotti aus Möhlin trägt das Schweizer und das italienische Herz in sich
Ihm wurde schon früh bewusst, wie wichtig das soziale Leben ist. Seit vielen Jahren engagiert sich Silvio Iotti für die Fasnacht, im Veloclub und als Präsident der christkatholischen Kirchenpflege.
Janine Tschopp
Es ist früher Montagmorgen. Silvio Iotti kommt in den Velokleidern zum Gespräch mit der NFZ. Er fahre jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit nach Kaiseraugst. Und schon sind wir mitten im Gespräch. Das Radfahren ist eines von mehreren wichtigen Hobbys für den Möhliner. In seinem Rucksack hat er einen Brief, den er zusammen mit einer Anstecknadel vom Verband «Swiss Cycling» für 40 Jahre Mitgliedschaft erhalten hat.
Zum Velofahren ist er durch seinen Schulfreund Viktor Kunz gekommen. Damals noch in der Bezirksschule fragte er ihn, ob er ihn mit dem Velo nach Biel begleiten würde. Die Krämpfe, die Silvio Iotti zwischen Grenchen und dem Zielort erlitt, hinderten ihn nicht daran, sich auf weitere sportliche Abenteuer einzulassen.
Iotti/Kunz/Scharf/Bischofberger hiess das Quartett, das sich fürs Mannschaftsfahren in Beckenried anmeldete. Für das Rennen brauchten sie eine Verbandslizenz, die sie durch den Beitritt in einen Verein erlangen konnten. So traten damals alle dem VMC Zeiningen bei und sind dem Radsport heute noch treu.
Das Vereinsleben schon früh kennengelernt
Silvio Iotti war noch klein, als er seinen Vater durch einen Unfall verlor. Durch diesen schweren Schicksalsschlag war er als Bub eher kränklich. «Meine Mutter suchte nach Möglichkeiten, mich abzulenken», erzählt er. So ging er schon früh in die Pfadi und trommelte bei den Ryburgern. «1978 war ich erstmals am Möhliner Fasnachtsumzug dabei. Seither habe ich keinen Umzug ausgelassen.» Er überlegt: «Doch. Einmal, da hatte ich am Fasnachtsdienstag Fieber.»
Irgendwann kam der Wechsel von den Ryburgern zu den Galgevögel, wo Silvio Iotti seit vielen Jahren die Pauke spielt. Dann erzählt er von seiner ersten Begegnung mit der Fasnacht. «Ich durfte auf einer Raviolibüchse trommelnd am Morgestreich mitmachen. Am frühen Fasnachtssonntagmorgen sind wir losgezogen. Die Route ging vom Schiff bis zum Schwarb.» Der eingefleischte Fasnächtler erinnert sich auch gerne an die Zeit, als er als Bub bei den «Schaufelacker-Rueche» mitmachte.
Das Vereinsleben hat den 55-Jährigen bis heute nicht losgelassen. Er ist immer noch Mitglied bei den «Meler Galgevögel» und wirkt dort als Beisitzer im Vorstand mit. Beim VCM Zeiningen, wo er sich während 17 Jahren im Vorstand engagierte, ist er mittlerweile Ehrenmitglied. Seine Treue zieht sich auch bei seinem Arbeitgeber Roche durch, wo er seit 26 Jahren in der Informatik als Netzwerkingenieur tätig ist.
Ebenfalls seit 26 Jahren ist der Familienmensch mit seiner Frau Claudia verheiratet. «Meine Frau und ich sind gleich alt und beide in Möhlin aufgewachsen. Näher kennengelernt haben wir uns erst mit zwanzig an der Jungbürger-Feier.» Silvio und Claudia haben drei Töchter, Chiara (23), Morena (21) und Gioia (18).
Italienische und Schweizer Wurzeln
Silvio Iotti sind die Werte, welche in der Schweiz gelebt werden, sehr wichtig. Ein weiteres Land, das ihn seit seiner Geburt prägt, ist Italien. Sein verstorbener Vater war Italiener. Auch Seppi, er war später der Partner seiner Mutter, ist Italiener und für Silvio Iotti seit seiner Kindheit eine wichtige Bezugsperson. «In den Ferien reisten wir immer nach Süditalien, in Seppis Heimat. Auch dort fühle ich mich zu Hause und pflege viele Freundschaften. Die italienische Kultur wurde mir schon früh mitgegeben.» So trägt der Möhliner zwei Herzen in sich, das Schweizer und das italienische Herz. «Wenn mich früher jemand fragte, woher ich komme, sagte ich, ich sei Europäer», schmunzelt er.
So wie sich Silvio Iotti schon früh mit zwei Ländern verbunden fühlte, ging es ihm auch mit den Konfessionen. Er kam schon als Bub sowohl mit dem römisch-katholischen als auch mit dem christkatholischen Glauben in Berührung. Den christkatholischen Einfluss hatte er durch seine Mutter, den römisch-katholischen durch seinen Vater und durch Seppi. Seine Eltern heirateten damals christkatholisch und so wurde er auch getauft. «Ich durfte beides erleben. Von den Werten her liegen beide Kirchen nahe beieinander», findet Silvio Iotti. Er spricht christliche Werte wie Nächstenliebe, Familie, Füreinander-Dasein an. «Sagen wir’s so: Die Menschen sind mir nicht egal», fasst er zusammen.
Präsident der christkatholischen Kirchenpflege Möhlin
Mittlerweile engagiert sich Silvio Iotti als Präsident der christkatholischen Kirchenpflege bereits in der fünften Amtsperiode. In Möhlin hat die christkatholische Kirche derzeit rund 800 Mitglieder. «Im Laufe meiner Amtszeit sind es immer weniger geworden. Die Leute sterben weg», erklärt Silvio Iotti. Es gebe nur wenige Übertritte aus anderen Religionen. Auch sei die Hemmschwelle, aus der Kirche auszutreten, heute viel tiefer im Vergleich zu früher. Nachwuchsprobleme gebe es momentan nicht nur bei den Mitgliedern, sondern auch zum Beispiel bei der theologischen Fakultät an der Universität in Bern. «Vielleicht geht es den Menschen heute zu gut», mutmasst er auf die Frage nach dem Grund für die schwindenden Mitgliederzahlen in der Kirche und ergänzt: «Obwohl es auch schön ist, in der Kirche aktiv zu sein, wenn es einem gut geht. Die Freude und das Leben sind auch wichtige christliche Werte.»
Glaubt Silvio Iotti als Christ an ein Leben nach dem Tod? «Ich habe die Hoffnung, dass es das gibt. Als Wissenschaftler bin ich halt der Typ, der gerne alles versteht und erklärt hat. Deshalb kann ich nicht ganz sicher sein, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Aber die Hoffnung habe ich auf jeden Fall. Und ich würde mich sehr freuen, meinen Vater, den ich als Bub oft auf dem Friedhof besucht habe, wiederzusehen.»
Nach rund zwei Stunden neigt sich das Gespräch mit einem sehr tiefgründigen Menschen dem Ende zu, und Silvio Iotti nimmt die zweite Etappe seines Arbeitswegs unter die Räder.