Besondere Atmosphäre, redselige Menschen
21.12.2022 Persönlich, Zeihen, WirtschaftEinen Weihnachtsbaum zu kaufen, ist ein Ereignis. Die Menschen lassen sich Zeit, wählen sorgfältig aus und erzählen viel von sich. Die Begegnungen mit der Kundschaft sind für Pius Meier jeweils eine schöne Einstimmung in die Weihnachtszeit.
Karin Pfister
«Die Menschen suchen Bäume, die zu ihnen passen», sagt Pius Meier. Perfektionisten suchen sich einen perfekten Baum; Freigeister wählen bewusst, einen Baum mit schrägen Ästen. «Ich staune immer wieder, wer was möchte. Ich hatte auch schon einen Baum, der so klein und krumm war, dass ich sicher war, dafür keinen Käufer zu finden. Und dann kam jemand, der genau so einen Baum wollte.»
Seit über 30 Jahren lebt Pius Meier zwischen mehreren tausend Weihnachtsbäumen, nun wurden es jedes Jahr etwas weniger, da er vor sechs Jahren beschlossen hat, keine jungen Bäume mehr anzupflanzen. Der 62-Jährige arbeitet zu 100 Prozent im Logistikbereich in Wallbach; die Bäume sind ein Hobby. Ein zeitintensives Hobby, wie er sagt. Pro Jahr investiere er rund 600 Stunden Arbeit in seine Weihnachtsbaumplantage; das sind etwa zehn Stunden pro Woche. «Ich werde nicht jünger», meint er. Der Hauptgrund sei aber die Familie. Vier Enkelkinder haben er und seine Frau Ursula, die in Sulz als Lehrerin arbeitet. Der älteste ist vier Jahre alt, das jüngste kam vor wenigen Wochen zur Welt. Regelmässig sind die Enkelkinder in Oberzeihen zu Gast. «Im Sommer kam ich jeweils von der Arbeit nach Hause. Die Kinder sassen im Sandkasten und ich hätte mich am liebsten dazu gesetzt, musste aber zuerst noch zu den Bäumen. Da habe ich beschlossen, dass nun der richtige Moment zum Aufhören ist.»
Nun hängt ein Plakat vor seinem Haus. «Eine Ära geht zu Ende», steht darauf.
Pius Meier ist zusammen mit fünf Geschwistern im Eichwald aufgewachsen; sein Vater bauerte im Nebenerwerb. Er hat Landwirt gelernt und war danach lange als Vertreter im Aussendienst für Firmen im Landwirtschaftssektor tätig. Seit 22 Jahren arbeitet er in der Industrie. 1988 kauften er und seine Frau Ursula das freistehende Einfamilienhaus zwischen Zeihen und Oberzeihen.
Zuerst Getreide, dann Bäume
Zuerst habe er die 60 Aren rund ums Gebäude genutzt, um Weizen, Mais und Gerste anzupflanzen. Die körperliche Arbeit draussen an der frischen Luft sei für ihn ein guter Ausgleich zum normalen Arbeitsalltag gewesen. Nach dem Weizen und dem Mais sei er auf die Idee mit den Weihnachtsbäumen gekommen; zu Spitzenzeiten sind rund 4000 Bäume – vor allem Rottannen, Blautannen und serbische Fichten rund ums Haus gestanden. Für Nordmannstannen sei der Boden in Oberzeihen zu kalkhaltig. Weihnachtsbäume mögen keinen Spätfrost und keine Hitzesommer.
«Was ich im Frühling 2003 angepf lanzt hatte, ist nicht gewachsen. Ich musste im Herbst 2003 nochmals alles neu pflanzen», erinnert er sich an das schwierigste Jahr. Eine Wohlfühloase sei die Plantage während der Coronazeit für ihn gewesen. «Ich habe es genossen, ohne Maske draussen bei meinen Bäumen zu sein, ohne auf Abstandsregeln achten zu müssen.»
Spannende Begegnungen
Die Kundinnen und Kunden kommen hauptsächlich aus dem Fricktal und dem Aaretal. «Die Begegnungen mit der Kundschaft sind für mich eine Einstimmung in die Weihnachtszeit.» Während des Verkaufs herrsche eine besondere Atmosphäre mit spannenden Begegnungen. Er hat viel Stammkundschaft. Pius Meier: «Es ist jeweils schön zu sehen, wie sich die Leben weiterentwickeln. Zuerst ist es ein junges Paar, das einen Baum kauft und ein Jahr später ist schon ein Baby dabei.» Die Menschen seien redselig und würden auch gerne viel von sich erzählen. «Manchmal erfahre ich so von Schicksalsschlägen, bei denen ich leer schlucken muss.» Da seien jeweils auch Themen dabei, die ihn abends noch beschäftigten. Für den Weihnachtsbaumverkauf hat Pius Meier wie jedes Jahr zwei Wochen Ferien eingegeben. Die Plantage ist vom 15. bis zum 24. Dezember jeweils ab 9 Uhr geöffnet. Interessierte können ihren Baum reservieren. Vor dem Haus hängen rote Bändel, auf die man seinen Namen schreiben und am gewünschten Baum platzieren kann. Zwei seiner Bäume spendet er jeweils. Einer steht schon seit Anfang Dezember in der EichchrüüzKapelle, der andere kommt in die Kapelle in Oberzeihen. «Es freut mich immer sehr, zu sehen, mit wieviel Herzblut die jeweiligen Kapellenwächterinnen die Bäume schmücken.»
Pius Meier hofft, dass er am letzten Weihnachtsbaumverkauf so viele Bäume wie möglich verkaufen kann, allerdings ganz alle solle nicht weg. «Sonst habe ich dann im nächsten Jahr keinen mehr für mich und muss einen kaufen.»