ZUM GEDENKEN

  21.10.2022 Kaiseraugst

Zum Abschied von Armin Lüscher (1936-2022)

Bäcker und Fotograf in Kaiseraugst

Im Jahr 1952 kam Armin Lüscher mit dem Zug aus Laufenburg in Kaiseraugst an, um hier seine Lehre bei der Bäckerei Nussbaumer anzutreten. Am Bahnhof wurde er von der Tochter des künftigen Lehrmeisters abgeholt, Sylvia Nussbaumer, die damals gerade mal zwölf Jahre alt war. Dass dies die erste Begegnung mit seiner zukünftigen Frau war, ahnte Armin Lüscher noch nicht.

Die Lehre war streng, am Samstag nach der Arbeit kehrte Armin jeweils mit einem Fünfliber und einem Zopf als Lohn nach Laufenburg zurück. Doch es gefiel ihm in der Bäckerei, er blieb über die Lehre hinaus. 1961, elf Jahre nach der Ankunft am Bahnhof, heirateten er und Sylvia. Es war ein Montag, weil am Samstag das Geschäft offen zu sein hatte. Im Jahr darauf kam Andrea zur Welt, vier Jahre später Cornelia.

Armin Lüscher hatte eine grosse Leidenschaft, die er ein paar Jahre lang, von 1968 bis 1974, ausleben konnte: die Fotografie. Vier Jahrzehnte später, im April 2015, organisierte Armin Lüschers Tochter Andrea Hermes eine Ausstellung im lokalen Alterszentrum Rinau Park mit Bildern ihres Vaters. Im Begleittext dazu heisst es: «Er fotografierte – und damals tat das noch nicht jeder wie heute mit dem Handy – Augenblicke, die ihn faszinierten. Bald sprach sich das herum; es kamen Aufträge, unter anderem immer wieder von der Fricktaler Zeitung. Er fotografierte an Hochzeiten, Sportanlässen, kulturellen Veranstaltungen usw. Aber auch der Alltag im Dorf wurde immer wieder fotografisch festgehalten. Abends wurden daheim im abgedunkelten Zimmerchen der Film entwickelt und die Abzüge gemacht. Dann noch schnell zum Kunden und am Morgen um drei Uhr wieder ab in die Backstube.»

Dem Fotografieren wurde ein abruptes Ende gesetzt: Vater Nussbaumer starb früh; im Jahr 1974 übernahmen Armin und Sylvia Lüscher das Geschäft. Es kamen strenge Zeiten auf sie zu, «man musste funktionieren», sagten die beiden im Rückblick.

Armin Lüscher war ein fleissiger und begabter Bäcker. Im Dorf erinnert man sich heute noch an seine Hochzeitstorten, wie kreativ, wunderbar und mit ganz ruhiger Hand dekoriert die gewesen seien. Armin, heisst es, war ein Genie. Er war auch ein begeisterter Lehrlingsausbildner.

Andi Probst, der letzte seiner insgesamt acht Stifte, postete nach Armin Lüschers Tod die folgenden Worte: «Im Himmel gibts jetzt feines Brot. Danke, Chef, Du hast mich geprägt!»

Dass die Bäckerei Lüscher, wie alle anderen Geschäfte im Dorf, vom Lädelisterben getroffen wurde, war für Armin und Sylvia Lüscher ein schwerer Schlag, von dem sie sich zeitlebens nicht mehr erholten. Vor sieben Jahren, am 3. September 2015, starb Sylvia Lüscher in ihrem 75. Lebensjahr. Nach Monaten tiefer Trauer fing sich Armin Lüscher noch einmal. Er hatte eine Bucket List von Träumen, zu der u.a. gehörte, noch einmal aus einem Sportflieger heraus Luftaufnahmen zu machen, wie einst für die NFZ. Tatsächlich ermöglichten ihm seine Töchter noch einen Heli-Rundflug übers Fricktal. Das war kurz vor dem Lockdown.

Den 86. Geburtstag am 17. Juli dieses Jahres feierte man im Dock 11 in Rheinfelden, in der Beiz des früheren Lehrlings Andi Probst. Am 28. September ist Armin Lüscher gestorben. Der Himmel freut sich auf feines Brot. Bei der Abschiedsfeier aber weinte er, ebenso wie viele der Anwesenden. Es regnete in Strömen am 14. Oktober, als am Grab noch einmal sein und Sylvia Lüschers liebstes Lied, «Am Himmel staht es Sternli z’Nacht», gesungen wurde.

ANDREAS FISCHER, REFORMIERTER PFARRER IN KAISERAUGST

 


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