Ein blinder Passagier schafft es nach Rheinfelden
11.10.2022 RheinfeldenWilli Bürgi und seine Begegnung mit einem Skorpion
Willi Bürgi traut seinen Augen nicht, als er an seinem Arbeitsplatz einen quicklebendigen Skorpion entdeckt. Unerschrocken fängt er das Tier ein.
Ronny Wittenwiler
Es ist Montag, ein Tag wie jeder andere, als Willi Bürgi aus Rheinfelden seiner Arbeit in der Saline Riburg nachgeht. Er öffnet eine Tür, geht raus, schliesst die Tür hinter sich wieder zu. Als er zurückkehrt, öffnet er die Türe erneut, da erspäht er es plötzlich: ein Blatt unter dem Türrahmen? Da lag vorher doch kein Laub, denkt er sich, traut seinen Augen kaum, denn das Laub bewegt sich, ohne einen Windstoss allerdings. Als er sich nach vorn beugt, erkennt er, dass das Blatt kein Blatt ist, sondern ein quicklebendiger Skorpion. Das glaub ich jetzt einfach nicht, geht ihm durch den Kopf, rund fünf Zentimeter lang ist das Tierchen, gestreckt etwa sieben Zentimeter, und bevor es sich ganz aus dem Staub macht, fängt es Bürgi unerschrocken ein, mithilfe eines Blatt Papiers und einem Glas; ein echter Skorpion im Fricktal: na dann Prost!
Ein europäischer Skorpion
Bürgi erzählt diese verrückte Geschichte der NFZ, und er weiss noch mehr zu berichten. Denn nach seinem Fang macht er sich schlau, und auch das von ihm informierte Veterinäramt bestätigt ihm später seine Vermutung: Bürgi machte eine Begegnung mit einem europäischen Skorpion, offenbar mit dem grössten seiner Art. Siebzehn verschiedene soll es geben, Wikipedia hält es so fest: «Euscorpius ist die einzige weitgehend auf Europa beschränkte Gattung der Skorpione mit im Jahr 2010 insgesamt 17 anerkannten Arten.»
Er habe gewusst, dass es Skorpione in der Schweiz gibt, sagt Bürgi. Je nach Zuordnung soll es zwischen 1750 und 2500 Arten weltweit geben, so die einschlägige Literatur, auf der Webseite «nachhaltigleben. ch» steht: «Etwa 1500 unterschiedliche Skorpione gibt es weltweit. Drei davon finden sich auch in der Schweiz.»
Spätestens hier trennt sich die Spreu vom Weizen, oder der Experte vom Laien. Es soll hierzulande den Euscorpius italicus geben, den Euscorpius alpha (erst später als eigene Art klassifiziert) und den Euscorpius germanus – individuell verteilt sind diese drei Skorpion-Arten im Tessin, in Regionen des südlichen Graubündens, zudem soll es eine regional beschränkte Population im Wallis geben. Aber im Fricktal? Mitnichten. Bis Willi Bürgi an einem ganz normalen Montag seiner Arbeit nachgeht und da unter einem Türrahmen eines kleinen Lagerraums ein Blatt entdeckt, das plötzlich davonläuft. Das Veterinäramt teilt die Vermutung von Willi Bürgi, dass der Skorpion wohl als blinder Passagier mit der Logistik ins Fricktal kam. Bürgi sagt: «Wir haben viele Lastwagenchauffeure, die vom Luzernischen hierherkommen und Material abliefern. Sie verkehren mit ihren Lastwagen auch ins Tessin.»
Weitgehend harmlos
Der Fricktaler Skorpion ist mittlerweile in der Obhut des Veterinäramts. Um diese Geschichte in der NFZ zu erzählen, hat sich Bürgi dort ein aktuelles Feedback geholt und sich so seine Vermutung bestätigen lassen, dass es sich um einen tendenziell harmlosen Kollegen gehandelt hat. Alle Arten der Gattung Euscorpius seien für den Menschen weitgehend harmlos. «Sein Stich wäre vergleichbar mit einem Wespenstich. Relativ harmlos, wenn man kein Allergiker ist.» Was Bürgi auch weiss, nach Anfrage beim Veterinäramt: «Der Skorpion ist nach wie vor purlimunter.» Er soll in den nächsten Tagen wieder freigelassen werden. Dort, wo er hingehört.