Überraschend heller Blick in die Zukunft
27.09.2022 RheinfeldenAnlass für die Schöpfungszeit in Rheinfelden
Im September feiern die Kirchen schweiz- und weltweit die Schöpfungszeit. Dieses Jahr steht sie unter dem Thema «Höchste Zeit für die Schöpfung». Seit einer halben Dekade findet die Impulsveranstaltung der Landeskirchen Aargau und Basel zur Schöpfungszeit in Rheinfelden statt. Das war auch dieses Jahr der Fall.
Am vergangenen Freitag, zeitgleich mit den grossen Demonstrationen in diversen Schweizer Städten anlässlich des Klimastreiktags, versammelte sich im Garten der römisch-katholischen Kirche Rheinfelden eine Schar von etwa fünfzig Frauen und Männern.
Die beiden jungen Magdener Grit Tzschichholz und Cyrill Campani vom Projekt «Klimafreunde» führten durch den im Garten platzierten Klimaweg: Entlang von Informationstafeln ging der Pfad aus der nahen Vergangenheit in die Zukunft. Dass es «höchste Zeit für die Schöpfung» ist, wurde aus den Ansprachen von Tzschichholz und Campani deutlich. Gleich zu Beginn, bei der Tafel zum Jahr 2020, machten sie deutlich: «Die Klimakrise und das weltweite Artensterben sind gegenwärtig die bedrohlichsten und am dringendsten zu lösenden Probleme der Menschheit».
Doch die beiden zeigten nicht nur die Probleme auf und gaben den bedrohlichen Szenarien wenig Raum. Vielmehr wiesen Tzschichholz und Campani auf Hoffnungszeichen wie die «Fridays for Future»-Bewegung, Klima-Aktionspläne, Gemeinwohl-Ökonomie, Klimabildung als Teil des Lehrplans hin. Der Weg von Tafel zu Tafel in die Zukunft trübte die Stimmung keineswegs, im Gegenteil: Mit spürbarer Begeisterung skizzierten die beiden eine Welt, in der Verbote zwar durchaus ihre Bedeutung haben: keine Investitionen in Kohle-, Gas- und Ölprojekte, keine fossilen Energien usw. Doch nicht auf den Restriktionen lag das Gewicht, sondern auf dem, was dabei entsteht an Lebensqualität und neuen Lebensmöglichkeiten: Zugang zu gesunder Nahrung und sauberem Trinkwasser für alle.
Auf der Tafel am Ende der Dekade, im Jahr 2030 schliesst sich der Kreis: «Die Träume von heute», heisst es dort, «kreieren die Welt von morgen». Am Ende des Jahrzehnts werden wir gelernt haben, Visionen zu entwickeln, uns positive Geschichten über die Zukunft zu erzählen, «unverschämt grosse Träume» zu träumen. Das werde «die radikalste Veränderung dieses Jahrzehnts» sein. Und damit könne man heute schon beginnen.
Feier in der Kirche
Der zweite Teil – eine liturgische Feier in der Kirche – nahm in manchem Bezug auf den ersten: Die Kirche sei der Ur-Ort für Träume, sagte die römisch-katholische Seelsorgerin und Gastgeberin Monika Lauper bei der Begrüssung. Der Pfarrer der lokalen christkatholischen Kirchgemeinde, Peter Feenstra, betete für die «grossartige Schöpfung». Daniel Frei, der Inhaber des reformierten Pfarramts für weltweite Kirche beider Basel, stellte einen Bezug her von den von Jahr zu Jahr fortschreitenden Klimatafeln zum Schöpfungsbericht am Anfang der Bibel mit seinen sieben Jahren.
Stephan Degen-Ballmer von der reformierten Landeskirche Aargau befasste sich in seiner Predigt mit dem Schwund der Artenvielfalt. Wann wir letztes Mal ein Glühwürmchen gesehen haben, fragte er eingangs. Diese seien tatsächlich am Aussterben. Weiter beleuchtete er den Artenverlust aus theologischer Sicht: Er verwies auf den biblischen Gedanken, dass Gottes Unendlichkeit in der endlichen Schöpfung als Vielfalt und zweckfreie, unverfügbare Schönheit zum Ausdruck komme. Schliesslich nahm Degen-Ballmer Bezug auf den tiefsinnigen Gedanken der jüdischen Theologie, dass Gott gerade nicht als Schöpfer und Schaffer vorzustellen sei. Sondern dass umgekehrt Gottes Rückzug, Selbstbeschränkung, Verringerung jenen Raum gab, in dem die Geschöpfe entstehen konnten. Diese Gottesvorstellung, folgerte Degen-Ballmer, gelte es auf uns Menschen zu übertragen: Es sei «höchste Zeit» für uns Menschen, uns selbst zu beschränken zum Wohl der Schöpfung. Es gelte, zur Ruhe zu kommen, wie Gott zur Ruhe kommt am siebten Tag, dem Sabbat.
Da die Feier am Freitagabend stattfand, also dann, wenn im Judentum der Sabbat beginnt, sang ein Ad hoc-Chor unter der Leitung des jüdischen Pianisten Rani Orenstein das Lied, mit dem der Feiertag traditionell eröffnet wird: «Schalom alechem, Malachei haSchalom», «Friede sei mit euch, ihr Engel des Friedens.»
Die Feier klang aus in einem wunderbaren «Nachtstück» von Robert Schumann. (mgt)