Ein Gedränge zwischen Gladiatorenschule und Legionärslager
09.08.2022 Aargau19000 Besucher verteilten sich am Wochenende in Augst auf dem weitläufigen Gelände mit zahlreichen Mitmachangeboten, Verkaufsständen und Vorführungen.
Boris Burkhardt
AUGST. Immer wieder schallt der laute Befehl «Pergite!» («Ausführen!») über die Pratum, die abschüssige Wiese hinter dem Forum: Es ist der Ausbilder der jungen Legionärsschüler im Primarschulalter, die in einer Stunde nicht nur rasend schnell den Scutum richtig zu halten und das Gladius richtig zu führen zu lernen haben, sondern auch die entsprechenden lateinischen Befehle. Neben der Legionärsschule befindet sich auf der Pratum wie üblich ein Castrum, ein römisches Militärlager, in dem Männer aus der Schweiz, Deutschland, Belgien, Tschechien und Spanien wie Legionäre vor 2000 Jahren aussehen, leben und kämpfen.
Wie überall auf diesem ersten Römerfest in Augst nach drei Jahren drängen sich hier die Besucher: 19 000 werden es insgesamt gewesen sein. Bleigiesser, Töpfer, Färber, Schuhmacher, Schmied, Weber, Gerber, Korbmacher, Apotheker, Goldund Silberschmied, Jäger, Glasbläser, Spinner, Gürtelmacher lassen sich auf dem Forum (Marktplatz) und dem Ager (Feld) bei der Arbeit zuschauen; an Ständen werden Bernstein, römische Kleider, Salben und Parfums zum Kauf angeboten, ebenso wie Workshops zu Tanz und Steinmetzarbeiten. Spannend ist auch, wer sich hinter den 450 Darstellern und Verkäufern, 130 Helfern und 75 Mitarbeitern von Augusta Raurica verbirgt: Daniela und Jean-Luc zum Beispiel schrauben Hunderte von handelsüblichen Schubladengriffen an die Schilde aus Spanplatten, die die Kinder bemalt haben. Am Montag werden die beiden wieder auf der Bank arbeiten, die den Stand zum Schildeund Schwerterbasteln organisiert.
Kraftraubende Gladiatorenkämpfe
Am anderen Ende des Festgeländes, südlich der Ruinen des Tempels und des Theaters, schlagen ebenfalls Kinder mit Übungsschwertern aus Holz auf die Schilde ihrer Trainer. Diese tragen hier in der Gladiatorenarena nur deutlich weniger Kleidung als die Legionäre im schweren Kettenhemd. Denn für die Gladiatoren, das demonstrieren sie zweimal am Tag selbst vor begeistertem Publikum, ist eine agile Kampfweise im Zweikampf wichtiger als Rüstung in der Schlacht. «Macht Krach, dass es die Legionäre in ihrem Loch hören!», feuert der «Besitzer» der Gladiatorenschule «Amor Mortis» aus Nordrhein-Westfalen, Stefan Heres, deshalb die grossen und kleinen Zuschauer an. Hier kämpfen der schwer bewaffnete Provocator, der Myrmillo mit dem Langschild und sein Lieblingsgegner, der Retiarius mit Dreizack und Netz, der Thraex mit Sichelschwert und dem monströsen Helm. Sie alle benutzen stumpfe Waffen; doch der kraft- und unter den Helmen atemraubende Kampf ist so echt wie die blauen Flecken. Unterstützt werden die deutschen Kämpfer von der Gladiatorenschule «Ars Gladiatoria» aus Schaffhausen.
Ruhiger geht es am späten Nachmittag im Theater zu, in dem sich im Gegensatz zum grossen Einzug von Imperator, Gladiatoren, Tänzern und Musikern nur noch wenige Zuhörer eingefunden haben, die aber umso aufmerksamer dem Musikarchäologen Hagen Pätzold aus Frankfurt und der italienischen Gruppe Ludi Scaenici zuhören, die historisch belegte römische Musik auf originalnachgebauten Instrumenten wie Tuba, Horn, Flöten und «Schuhklappern» vorführen.