«Atmen höre ich den Gegner nur, wenn ich es will»
26.08.2022 Persönlich«Atmen höre ich den Gegner nur, wenn ich es will»
David Schmid, Wittnau, und die Hoffnung auf einen Achtgänger in Pratteln
Er ist unser Böser am Eidgenössischen. Die NFZ hat mit Schwinger David Schmid gesprochen – über Muni Magnus, Hüne Stucki und eine Cremeschnitte zum Dessert.
Ronny Wittenwiler
NFZ: David Schmid, sind Sie stärker als vor drei Jahren in Zug?
David Schmid: Stärker würde ich nicht sagen; aber gleich gut.
Am ESAF in Zug verpassten Sie den Kranz um den berüchtigten einen Viertelpunkt. Wie lange hat Sie das geärgert?
Das ärgert einen schon einen Moment. Man hadert mit sich selbst und denkt darüber nach, wo dieses Vierteli machbar gewesen wäre. Aber es ist so bei unserem Sport: Es wird nicht genörgelt, man hat das auch zu akzeptieren.
Nochmals drei Jahre zuvor, 2016 am ESAF in Estavayer, schnupperten Sie vor dem siebten Gang mit Armon Orlik gar an einer Schlussgangteilnahme, Sie holten den Kranz. Können Sie jetzt mit 32 nochmals an eine solche Leistung anknüpfen?
Ich denke schon, sicher. Jedes Eidgenössische schreibt eine neue Geschichte. Ich versuche, alles daran zu setzen, um Teil dieser Geschichte zu werden und den Kranz nochmals zu holen.
Sie traten vom Schwingsport zurück, gaben Ihr Comeback auf diese Saison hin – einfach um nochmals etwas ESAF-Atmosphäre vor über 50 000 Zuschauern zu erleben oder geht es bloss um diesen Kranz?
Ich gab mein Comeback sicher auch, weil dieses Eidgenössische ganz in der Nähe stattfindet. Ich habe mich erkundigt, ob auch mein Trainer Zeit für mich hat und wir entschieden dann, diesen Weg auf uns zu nehmen. Mit den Vorbereitungen kam die Begeisterung wieder, ich bekam wieder Hühnerhaut. Ziel meines Comebacks war und ist es aber auch, noch einmal den Kranz zu holen.
Spielte eine Rolle, dass im Nordwestschweizer Verband nicht so viele als Anwärter auf einen Eidgenössischen Kranz gelten – anders gefragt: Hat der Verband Druck gemacht, dass Sie als Kranzanwärter nochmals zurückkehren?
Der Entscheid für dieses Comeback kam allein von mir. Der Verband hat nicht gedrängt. Es gab eher Diskussionen aus dem engeren Umfeld. Weshalb machst du nicht mehr weiter? Noch bist du zu gut, um aufzuhören. Als technischer Leiter des Schwingklubs Fricktal habe ich über den Winter stets mitgeschwungen. Meine Kameraden meinten, ich hätte noch nicht viel verlernt.
Vor welchem Gang ist Ihre Nervosität am grössten?
Das ist immer auch abhängig vom Gegner.
Im Spitzensport werden Athleten oft ängstlicher, wenn sie erstmal Vater geworden sind.
Man hat zwar ein Auge auf die Zukunft und weiss, dass man Verantwortung mitträgt. Aber ich habe nicht das Gefühl, beim Schwingen ängstlicher zu sein. Eher etwas reifer. (David Schmid ist Vater eines dreieinhalbjährigen Sohns; die Redaktion)
Kopf neben Kopf greifen Sie zusammen. Da hört man den Gegner bestimmt atmen. Wie ist es mit dem Geruch. Wissen Sie etwa: Oh, das riecht nach Stucki?
Der Geruch war bis jetzt nie ein Thema (lacht). Wenn du wahrnimmst, wie dein Gegner riecht, bist du nicht fokussiert. Atmen höre ich einen Gegner nur, wenn ich das wirklich will. Das kann bei längerer Gangdauer ein positives Zeichen sein. Es zeigt mir, dass ich am Drücker bin und die bessere Ausdauer habe.
Auf jeden Fall spürt man den Gegner spätestens beim ersten Zug. Wurden Sie schon mal unter Christian Stucki begraben?
Mit Stucki habe ich noch nie zusammengegriffen.
Sie sagten einmal, er wäre von der Masse her am schwierigsten zu schwingen (1,98 cm; 140 Kilo, je nach Saison; die Redaktion). Welchen Gegner möchten Sie am Wochenende auch gerne erst im Schlussgang zugeteilt bekommen?
(lacht) Da gibt es ein ganzes und zum Teil neues Feld von schwierigen Gegnern. Joel Wicki ist ein sehr unangenehmer Gegner für mich, ein Kraftwürfel mit enormer Power, der sehr tief steht. Da kann ich mit Samuel Giger, der ebenso viel Power mitbringt, viel besser schwingen. Er liegt mir mehr.
Mit Giger hatten Sie schon gestellt.
Zweimal. Es muss halt einfach passen mit einem Gegner.
Apropos starke Schwinger: Wäre Ihre Karriere steiler verlaufen, hätten Sie einem stärkeren Verband wie dem Berner, Innerschweizer oder dem Nordostschweizer angehört?
Ich denke nicht, dass ich noch viel besser hätte werden können. Ich trainierte zudem teilweise im Bernbiet oder in der Innerschweiz. Wollte ich schwingerisch etwas, habe ich mir das schon auch geholt.
Was machen Sie eigentlich heute Abend?
Ein kleines Aufwärmen im Fitnessstudio: ein paar schnelle Bewegungen, mit Gewicht arbeiten, etwas Koordination. Dann gut essen, gut und viel – so viel, wie reingeht.
Pasta?
Teigwaren oder Reis, dazu ein Stück Fleisch und ein Dessert. Eine Cremeschnitte ist immer gut. Danach runterfahren und «bi Ziite is Näscht».
Was machen Sie morgen Abend?
Zuerst einmal vor Ort alle Wehwehchen behandeln und mich kneten lassen. Dann auf die Zuteilung des Gegners vom Sonntagmorgen warten und mich mit ihm beschäftigen. Übernachten werde ich zuhause in Wittnau.
Und was machen Sie am Sonntagabend mit Siegermuni Magnus?
Klar, sag niemals nie. Mein Ziel ist aber zuerst einmal, nach Pratteln zu gehen, Vollgas zu geben. Wenn es dann läuft und läuft und noch besser läuft… Ich glaube, was ich mit Magnus tun würde, ist für mich gerade die am wenigsten dringendste Frage. (lacht)
Wer, wenn nicht Schmid David oder Giger Samuel wird König?
Ich tippe oder wette nicht gerne. Die Berner haben ein gutes Team, von denen es mehrere werden können, auch die Ostschweizer haben zwei, drei Favoriten und die Innerschweizer darf man auch nie abschreiben. Es ist schwierig, nur einen zu nennen, der es macht.
Und nach dem ESAF ist für Sie wirklich Schluss?
Ganz klar: Am Sonntagabend ist endgültig fertig.