Zuzgen wird zur neuen Heimat
27.07.2022 ZuzgenDie ukrainische Familie Zaiets fühlt sich wohl im Fricktal
Nun ist sie schon rund zwei Monate in Zuzgen, die sechsköpfige Familie Zaiets aus der Ukraine. Viel ist für sie passiert in der Zeit vor ihrer Flucht und nach der Ankunft in der Schweiz. Der russische Überfall auf die Ukraine hat unzählige schwierige Situationen und tiefe Trauer ausgelöst. Flucht und Tod sind allgegenwärtig.
Hans Zemp
Die sechsköpfige Familie Zaiets stammt aus Uman City, einer Kleinstadt in der Region Cherkasy. Landschaftlich begegnet man dort einer recht grossen Ebene, in der neben Getreide zahlreiche verschiedene Pflanzen, Bäume, Gemüse und weitere Anbauprodukte gedeihen. Von der Vegetation her sei das Gebiet durchaus mit dem zu vergleichen, was man bei uns antrifft.
Vater Sergiy betrieb in Uman eine Garage und hatte zwei Mitarbeiter. Sie hätten viel Arbeit gehabt und oft sieben Tage die Woche gearbeitet. Mutter Olha war als Beraterin für Naturmedizin aus Schweizer Produktion tätig und Tochter Daria studierte in Kiew Marketing und Ökonomie. Den Studienabschluss machte sie von der Schweiz aus online. Sie wird sich nun die Abschlusspapiere irgendwie besorgen müssen. Daneben verdiente sie etwas Geld mit ihrer Arbeit im Social Media Marketing. Ihre Schwester Yelyzaveta ist seit einem Jahr Psychologiestudentin. Sie studierte auch in Kiew, liebt diese Materie und möchte unbedingt ihr Studium irgendwie fortsetzen. Bruder Mykhaylo, er liebt das Handwerk mehr als die Schule, und die dreizehnjährige Uliana besuchen noch die Schule. Uliana strebt den Übertritt ins Gymnasium an. Die ganze Familie ging daheim also einer geregelten und vernünftigen Tätigkeit nach.
Warum die Flucht?
Ihr Appartement in Uman lag nahe einer ukrainischen Kaserne und einem Militärflugplatz. Das Leben wurde riskant, als das Militär auf dem Flachdach des Dreizimmer-Appartements Soldaten positionierte. Dies wurde schliesslich der Grund zur Flucht. Man entschied sich, Appartementhaus, Garage, Auto und das Büro von Mama zurück zu lassen und die Sicherheit zu suchen. (Der zurückbleibende 73-jährige Grossvater verkaufte das Auto und schaut, so gut es geht vor Ort noch zum Rechten.) Mit drei Koffern bepackt mit den Utensilien für sechs Personen begab sich die Familie auf den Weg gegen Westen.
Via Moldaw ien, Rumänien, Ungarn, Österreich und Deutschland erreichte man schliesslich die Schweiz. Die Bahnfahrt ab der moldawischen Grenze, dort hatte Sergiy beim Grenzübertritt einige Probleme mit der ukrainischen Behörde, weil er keinen internationalen Pass hatte, war lang aber ohne Probleme. Ansonsten hätte Familie Zaiets durchwegs hilfsbereite und sehr nette Leute angetroffen.
Warum die Reise in die Schweiz?
Mama Olha arbeitete während achtzehn Jahren für die Schweizer Firma Vivasan. So wusste die Familie, dass in der Schweiz alles sauber und das Volk hilfsbereit ist. Lachend meint Olha, dass ihr der Gedanke eines Besuchs der Schweiz wegen ihrer Beziehungen nicht ganz neu war. Aktuell habe die Familie nun aber Sicherheit und keinen weiteren Krieg mit all den fürchterlichen Begleiterscheinungen gewünscht. In der Schweiz hätten sie auch Vertrauen zu den Leuten.
Die Reise ab Grenzüberquerung in die Schweiz nach Zuzgen war mit einigen Umwegen verbunden. Der Weg dahin führte über Zürich, Steckborn, Gossau und Frick und dauerte rund zwei Wochen.
Die Familie fühlt sich glücklich
In Zuzgen angekommen spürte die Familie viel Herzlichkeit. Die hätte schon beim Empfang mit Nina Kerker begonnen. Auch in der gesamten Nachbarschaft spüre man, dass man wirklich willkommen sei. Das mache glücklich. Die Zuweisung nach Zuzgen sei also wirklich gut gewesen, fassen sie zusammen.
Wenn man nach den ersten Eindrücken fragt, strahlen alle sechs Gesichter. Man habe nie erwartet, dass man ein Haus im Grünen erhalte. Die schöne Natur, die vielen Vogelstimmen, die Kirchenglocken und die Glöcklein der Ziegen unweit weg liessen die Stimmung aufkommen, in einem Ferienparadies zu sein. Der starke Sturm vor einigen Tagen löste dann aber doch etwas Angst aus, weil man befürchtete, das Haus würde weggetragen! Familie Zaiets fühlt sich auf dem Hirsacker wirklich wohl. Zusätzlich hätte auch der Umgang mit Behörden und Ämtern genauso wie mit vielen Leuten im weiteren Umfeld zu den echt guten Erfahrungen beigetragen.
Wie will sich die Familie integrieren?
Für alle Familienmitglieder steht es hoch im Kurs, dass man sich möglichst schnell und gut integrieren will. Der Besuch der Deutschkurse bringe echt viel, sei gut, «funny» und interessant, weil das projektierte Vorgehen die Sprache für sie lebendiger, nachvollziehbarer mache. Je mehr Deutschkenntnisse man habe, desto wohler dürfe man sich fühlen. Mykhaylo, Yelyzaveta und Uliana hätten im Dorf und darüber hinaus bereits wertvolle Kontakte. Mykhaylo hat im Dorf Kollegen gefunden, die Basketball auch mögen. Und ganz toll sei, dass eigentlich alle Jugendlichen, die Teenager meint Yelyzaveta, Englisch verstehen und die Konversationen so viel einfacher seien. Das sei wirklich gut.
Was soll in Zukunft sein?
Der ganzen Familie ist es ein echtes Anliegen, dass sie sich daheim fühlen kann. Die Integration nimmt einen hohen Stellenwert ein. Dazu gehöre auch das Lernen des Schweizerdeutschen. Papa möchte sehr gerne einen Job finden und die Töchter und der Sohn die Ausbildung fortsetzen. Man versuche auch, die hiesige Kultur zu verstehen.
Für alle Familienmitglieder ist es wichtig, ihre Dankbarkeit zeigen zu können. Das, was sie hier erhalten möchten sie selbst einmal geben können. Das Gemeinsame, das Miteinander vermittle Geborgenheit und löse Freude am Leben aus, meint Daria. Etwas melancholisch stimmt alle Familienmitglieder, dass sie gute Freunde, viel Vertrautheit und schöne Erinnerungen in der Ukraine zurücklassen mussten und täglich schlechte Nachrichten hören.