Die Geschichte einer Freundschaft

  26.07.2022 Rheinfelden

Peter Scholer und Eberhard Niethammer beleuchten das Zusammenwachsen beider Rheinfelden

Die neue Chronik Badisch-Rheinfeldens zur 100-Jahr-Feier der Stadterhebung geht auf viele Aspekte der Entwicklung der jungen Industriestadt ein. Unter den Autoren sind auch der ehemalige Vize-Stadtammann und der alt Oberbürgermeister.

Boris Burkhardt

Dass sich mit alt Oberbürgermeister Eberhard Niethammer und Vize-Stadtammann a.D. Peter Scholer zwei ehemalige Politiker aus beiden Rheinfelden auch im Ruhestand gut verstehen, ist jedem klar, der die beiden und ihren trockenen Humor erlebt. Ursprünglich geplant war, dass die beiden gemeinsam ein Kapitel über die deutsch-schweizerischen Rheinfelder Beziehungen schreiben für die neue Stadtchronik Badisch-Rheinfeldens zum 100-Jahr-Jubiläum der Stadtwerdung, die mit einer Vernissage im Bürgersaal vorgestellt wurde.

Doch Niethammer und Scholer mussten schnell feststellen, dass es «getrennt besser zum Schreiben geht». Aber es gab «viele, viele Vorgespräche», wie die beiden gegenüber der NFZ versichern. Wenn man sie lässt, plaudern die beiden gerne aus dem Nähkästchen, etwa von den Cafégesprächen im Restaurant Schützen oder von Niethammers erster Rede am Ersten August in Rheinfelden/Schweiz, bei dem einige Gäste aus Protest gegenüber dem deutschen Redner das Zelt verliessen. Scholer, von 1986 bis 2005 Stadtrat im Schweizer Rheinfelden, betont allerdings, dass eigentlich nicht er die Schweizer Seite vertreten sollte, sondern der 2001 verstorbene Stadtammann Hansruedi Schnyder, den die entscheidende Männerfreundschaft mit Niethammer verband.

Kriegserinnerungen nie überwunden
Denn wie sehr eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die heute zwischen den Rheinfelder Schwesterstädten so selbstverständlich erscheint, von der Sympathie der entscheidenden Personen abhängt, kann nicht oft genug betont werden. Und diese vorbildliche Zusammenarbeit ist keineswegs so alt, wie man heute denken mag. Von einer «Eiszeit mit Stacheldraht und Sandsäcken» schreibt Scholer gar, die zwischen Oberbürgermeister Herbert King und Stadtammann Richard Molinari bis Ende der Achtziger geherrscht habe: Beide Soldaten im Zweiten Weltkrieg, hätten die zwei Stadtoberhäupter ihre Kriegserinnerungen nie überwinden können. Allenfalls für die gemeinsame Kunsteisbahn reichte laut Scholer der Wille zur Zusammenarbeit.

Plötzlich Tauwetter
Das habe sich umgehend mit der Wahl Schnyders 1987 und Niethammers 1988 geändert: «Als ich gewählt wurde, kam Hansruedi umgehend zu mir und gratulierte mir», erinnert sich Niethammer. Während heute Oberbürgermeister Klaus Eberhardt und Stadtammann Franco Mazzi diesen Geist auf politischer Ebene fortführen, sind es vor allem kulturelle und zivilgesellschaftliche Verflechtungen, die die Schwesterstädte zusammenbinden, wie etwa die Brückensensationen, die Neujahrsempfänge, die «Entente Florale», der Fasnachtsumzug oder die gemeinsame Ausleihe in beiden Stadtbibliotheken.

«Für Rheinfelden/Schweiz war die radikale Veränderung der rechtsrheinischen Uferlandschaft gravierend», schreibt Niethammer über die rasante Entwicklung der Industrie auf der badischen Seite nach dem Kraftwerksbau 1895, «wo vorher Weinberge, Gemüsegärten, Wiesen und Felder» lagen. Die jahrhundertealte Zähringerstadt sei nicht einmal gefragt worden, als sich die Badner 1922 ihren Namen ausliehen. Tatsächlich soll Stadtammann Molinari Jahrzehnte später mehr oder weniger ernstgemeint diesen Namensklau abgesegnet haben. Von vielen Umweltfragen vor allem im Zusammenhang mit Fluor und Dioxin, die beide Städte gemeinsam lösen konnten, berichtet Scholer, aber auch vom gemeinsamen Kampf gegen die AKW Kaiseraugst und Schwörstadt. Sehr speziell war sicher die Beteiligung des Schweizer Rheinfelden an der deutschen Lokalen Agenda 21.

Ein Lesebuch
Die 300 Seiten starke Jubiläumschronik mit dem Titel «Innovation und Integration: 100 Jahre Rheinfelden» wurde herausgegeben vom Arbeitskreis Geschichte des Vereins Haus Salmegg unter der Leitung von Wolfgang Bocks. Der pensionierte Historiker zeichnet sonst auch sonst für die jährlichen «Rheinfelder Geschichtsblätter» verantwortlich, als deren Nummer 18 die Chronik offiziell ausgewiesen ist. 27 Autoren haben mitgearbeitet, darunter auch der amtierende Oberbürgermeister Klaus Eberhardt und der ehemalige Kulturamtsleiter Claudius Beck. Das Buch ist keine durchgängige Chronik, da viele Themenfelder bereits in den «Geschichtsblättern» ausführlich behandelt wurden, sondern laut Bocks «ein Lesebuch», dessen Kapitel verschiedene Aspekte der Stadtentwicklung vertiefen. Erhältlich ist die Chronik in der Tourist-Information und in der Buchhandlung Merkel. 


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