Schülerunfall in Laufenburg: Freispruch für die Angeklagte
10.06.2022 LaufenburgVerhandlung vor dem Bezirksgericht Laufenburg
Fast zwei Jahre sind seit dem Sturz eines neunjährigen Bubens aus dem Primarschulhaus Laufenburg vergangen. Der Junge hatte sich damals lebensgefährliche Verletzungen zugezogen. Am Dienstag sprach das Bezirksgericht Laufenburg die Betreuerin des Mittagstisches von der schweren fahrlässigen Körperverletzung wie auch der Verletzung der Fürsorgepflicht frei.
Susanne Hörth
Es geschah am 14. September 2020, zirka 13 Uhr. Die Kinder des Laufenburger Mittagstisches hatten sich nach dem Essen zum Spielen auf zwei Räume des Laufenburger Primarschulhauses Burgmatt verteilt. In einem der Räume hielten sich ein damals neunjähriger Junge sowie ein etwas jüngeres Mädchen auf. Die Betreuerin verliess kurz das Zimmer, um im zweiten Zimmer nach den anderen neun Kindern zu schauen. In dieser Zeit stieg laut den Gerichtsakten der neunjährige Junge auf den Fenstersims und stürzte durch das geöffnete Fenster rund fünf Meter in die Tiefe. Beim Aufprall auf den Plattenboden zog er sich lebensgefährliche Verletzungen zu. Er erlitt unter anderem einen offenen Schädelbruch, Armfrakturen und schwere innere Verletzungen. Die Folge waren lange Spitalaufenthalte und Operationen.
Verhandlung vor dem Bezirksgericht
Gegen die Frau, die an jenem Tag die Aufsicht über den Mittagstisch hatte, erliess die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg Strafbefehl wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung sowie Verletzung der Fürsorgepf licht. Dagegen erhob die Betreuerin Einspruch. Am Dienstagnachmittag kam es nun zur Verhandlung am Bezirksgericht Laufenburg. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 Franken, bedingt aufgehoben bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie eine Busse von 500 Franken.
Gerichtspräsident Beat Ackle befragte als erstes die damalige Lehrerin des verunfallten Bubens. Sie war als Zeugin geladen worden und zeichnete in ihren Ausführungen das Bild eines altersgerechten, verhaltensunauffälligen Kindes. Keines, das man niemals aus den Augen lassen dürfe, ging die Lehrerin auf eine weitere Frage ein. Die Mutter und der Junge, der zwischenzeitlich wieder den Unterricht besucht, aber nach wie vor unter den Folgen des Sturzes zu leiden hat, waren am Dienstag nicht im Gerichtssaal anwesend. Sie wurden durch einen Anwalt vertreten. Er betonte, die Betreuerin habe ihre Aufsichtspflicht verletzt, als sie den Raum verliess, um in einem anderen Zimmer nach den dort spielenden, anderen neun Kindern zu schauen. Er verwies auf das Fenster, welches laut Befragung des ebenfalls im Zimmer anwesenden Mädchen geöffnet gewesen sei. Ob dem so war oder nicht, war am Dienstag mehrfach Gegenstand der Verhandlung. Abschliessend geklärt werden konnte das nicht. Daran änderte auch das vom Verteidiger der Angeklagten kurzfristig eingebrachte Video nichts. Auf dem Video, für dessen Begutachtung die Verhandlung für eine halbe Stunde unterbrochen wurde, ist zu sehen, dass das Fenster automatisch schliesst.
Die angeklagte Betreuerin äusserte sich am Verhandlungsnachmittag nicht. Ihr Verteidiger hingegen brachte sich ausführlich mit Erklärungen ein. So etwa, dass die beiden Kinder auf dem Boden gespielt haben. Sie dabei kurz alleine zu lassen, entspreche keiner Verletzung der Aufsichtspf licht. Vorherzusehen, dass der Junge in ihrer Abwesenheit auf den Fenstersims steigen und es dann zum tragischen Sturz aus dem Fenster kommen würde, sei nicht zu erwarten gewesen. Der Freispruch, den er für seine Mandantin forderte, sprach später Gerichtspräsident Beat Ackle auch aus. Die Angeklagte wurde von dem Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung wie auch der Verletzung der Fürsorgepf licht freigesprochen. In seiner Begründung nannte Ackle unter anderem auch die Kompetenz, über die ein neunjähriges Kind verfügen sollte. Der Bub hätte die Gefahr einschätzen können, zeigte sich der Gerichtspräsident überzeugt. Dem Jungen wünschte Ackle alles Gute bei seiner weiteren Genesung.