«Glückliche Zeiten» in Gansingen
19.06.2022 Gansingen, KulturZwei Stunden packendes Theater erwartet die Besucher im Sommernachtskino in der Turnhalle Gansingen. Das Familiendrama «Glückliche Zeiten» spielt in der Bürer Pinte; das Restaurant als Lebensraum, als Zuhause, als Heimat.
Bernadette Zaniolo
«Ich bin extrem positiv überrascht, wie die Grossaufnahmen wirken», sagt Theaterspieler Markus Streit. Jules Steinacher, der sich mit Robi Oeschger die Regie teilt, schwärmt: «Das Stück lebt von den Sequenzen. Was passiert dort? Mit jenen Personen?»
Ayckbourns Theaterstück «Glückliche Zeiten» – ein Familiendrama – spielt in der originalen Bühnen-Inszenierung in einem Restaurant-Raum an gerade einmal drei Tischen. Am grossen zentralen Tisch trifft sich die Familie Stark, um den 59. Geburtstag der Mutter (Laura) im Stammrestaurant der Familie zu feiern. Und eigentlich sollten sich alle glücklich fühlen. Aber schon am Abend des Festes bröckelt die Fassade. Während sich am grossen Tisch mit dem Geburtstagfest die Gegenwart abspielt, sieht man an einem seitlichen zweiten Tisch Szenen, die in der Zukunft spielen und wiederum an einem anderen seitlichen Tisch führen Szenen in die Vergangenheit zurück. Auf der Bühne spielen damit nebeneinander Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Bühne wird an drei Tischen zum Lebensraum. Ein ganzer Lebenszyklus findet hier statt.
Das Restaurant ist für die Starks denn auch mehr als nur der Ort, an welchem ein Familienfest stattfindet. Es ist der Ort, an dem sie als Jungverliebte und als Kinder schon waren, wo sie sich immer wieder treffen. Es ist der Ort, an dem sie ihre Lebensgeschichte schreiben. Hier beginnen Liebesbeziehungen, hier gehen Ehen auseinander, hier kann ein Lebenslauf enden. Und dennoch fühlen sich die Starks im Restaurant zuhause.
Das Leben selbst ist Theater
«So, wie es wohl auch für manche die Bürer Pinte war», sagt Markus Streit. «Die Inszenierung in der Bürer Pinte, beziehungsweise der Gartenlaube, wo wir natürlich das ganze Restaurant als Bühne brauchen, ist somit auch eine Hommage an Dorli Erdin, die ehemalige Wirtin. Wir freuen uns, dass sie uns die Lokalität als Schauspiel- und Drehort zur Verfügung stellte.» Sieben Schauspieler wirken im Stück «Glückliche Zeiten» mit. Markus Streit, der im Stück fünf Rollen spielt, ist Arzt und spielt auch im Leben gern viele Rollen. Wie er zur NFZ sagt, «ist das Leben auch Theater». Und er ergänzt mit einem Schmunzeln: «Die beste Rolle ist, hoffe ich, wenn ich als Arzt auftrete.»
Für Jules Steinacher, der im Stück als Geschäftsmann Gerry Stark an der Seite seiner Frau Laura (Daniela Boutellier) auftritt, bedeutet die Schauspielerei dem Alltag entfliehen. «Jemand anderes sein, mal eine gewisse Freiheit haben, etwas zu sagen, was man von dir nicht erwarten würde. Du entdeckst Seiten in dir, die du vorher nicht kanntest. Etwa eine gewisse Frechheit», sagt der im Logistikbereich einer Bank tätige Jules Steinacher. Markus Streit beschreibt die Charaktere im Stück wie von Leuten im richtigen Leben. «Mal sind sie grantig, mal freudig, mal überschwänglich. Es gibt viel Kommödiantisches.» «Es ist völlig anders vor der Kamera zu spielen als vor 300 Personen», sagt Jules Steinacher.
Eine Herausforderung war schon, dass das Stück überhaupt als Film produziert werden konnte. «Die Theaterverfilmung stand auf der Kippe», sagt Streit mit einem Seufzer. Er fügt jedoch zugleich an: «Ich habe dann den Autor Sir Alan Ayckbourn persönlich angeschrieben und von ihm das Okay erhalten.» Ein weiterer Glücksfall für die Gansinger Theaterleute ist, dass sie mit Javier Garcia (Stop Motion) einen professionellen Filmproduzenten gewinnen konnten. «Es war eine extrem gute Zusammenarbeit. Echtes Glück findet man in Gansingen», ist sich das Duo Steinacher/Streit einig. Der von Gansingen weggezogene Steinacher und der Zuzüger Streit harmonieren so gut, dass man – je nach Situation – aufpassen muss, ob es jetzt gespielt oder echt ist.
Doch weshalb überhaupt ein Film, statt – wie in Gansingen jedes Jahr – ein Theaterstück auf der Bühne? Das hatte mit der Unsicherheit während der Pandemie zu tun beziehungsweise wann wieder Auftritte möglich sein würden. Im Januar 2023 soll in Gansingen wieder direkt vor Publikum gespielt werden.
«Glückliche Zeiten» am Donnerstag, 30. Juni, Freitag, 1. Juli und Samstag, 2. Juli, jeweils um 21 Uhr in der Turnhalle Gansingen; Festbetrieb jeweils ab 19 Uhr auf dem Schulhausplatz (bei Regen in der Halle).
Vorverkauf ab 7. Juni, 17 Uhr, unter 077 487 95 30 oder online unter www.theater-gansingen.ch
Sommernachtskino
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie einen glücklichen Moment erlebt haben? Das Stück «Glückliche Zeiten» weckt vielleicht auch bei manchem «Kino»- Besucher Erinnerungen. Auf jeden Fall sorgen Jules Steinacher (Gerry Stark), Daniela Boutellier (Laura Stark), Matthias Moser (Glyn/ihr ältester Sohn), Philipp Müller (Adam/ihr jüngster Sohn), Selina Oeschger (Stephanie/Glyns Frau), Lea Basler (Maureen/Freundin von Adam) und Markus Streit (Restaurantbesitzer und in mehreren Rollen als Kellner) für ein spannendes Sommernachtskino in Gansingen. (bz)