Viel Leben im Feuchtgebiet

  18.05.2022 Fricktal, Hellikon

Wertvolle Lebensräume sollen erhalten und erweitert werden

Im Kanton Aargau sind in den letzten 100 Jahren rund 90 Prozent der ursprünglichen Feuchtgebiete verschwunden. Um die Biodiversität zu sichern, hat Pro Natura – unterstützt von anderen Verbänden – eine Gewässer-Initiative lanciert. In Hellikon gibt es bereits Ideen, wie das Naturschutzgebiet beim Weiher erweitert werden könnte.

Valentin Zumsteg

Ruhig steht der Graureiher auf einem Ast über dem Weiher in Hellikon, um im richtigen Moment blitzschnell zuzuschlagen und ein Fischchen aus dem Wasser zu holen. Es wirkt fast so, als wäre es inszeniert: Während sich Vertreter von Pro Natura, der Gemeinde Hellikon und des Naturschutzvereins zum Gespräch mit dem Journalisten treffen, gibt der Reiher ein Beispiel dafür, wie vielfältig der Lebensraum dieses Feuchtgebietes ist. Zwei Mal hintereinander ist der geduldige Jäger innert kurzer Zeit erfolgreich. Gleichzeitig schwimmen Enten auf dem Wasser, in den Gebüschen singen Vögel und Insekten schwirren in der Luft. Nicht weit entfernt hat ein Biber kürzlich ein Bäumlein gefällt.

Viele Feuchtgebiete sind verschwunden
Der Weiher in Hellikon ist ein Idyll, wie es früher viele gab. Doch in den vergangenen 100 Jahren sind rund 90 Prozent der Feuchtgebiete im Aargau verschwunden. «Das entspricht 14 000 Hektaren», erklärt Matthias Betsche, Geschäftsführer von Pro Natura Aargau, und ergänzt: «Die verbliebenen Feuchtgebiete sind zu klein, um die Biodiversität zu sichern.» Aus Sicht von Pro Natura braucht es im Kanton Aargau zusätzlich 1000 Hektaren Feuchtgebiete, um die Artenvielfalt gewährleisten zu können. Aus diesem Grund hat der Verein im Februar eine Gewässer-Initiative lanciert, die unter anderem vom WWF, vom Fischereiverband und von BirdLife unterstützt wird. Damit die Initiative zustande kommt, sind 3000 Unterschriften bis Ende Februar 2023 nötig. Gemäss Betsche läuft es gut, rund die Hälfte sei bereits gesammelt.

«Auen, Bäche, Seen, Moore und Feuchtwiesen sind unersetzbare Lebensräume für einheimische Tiere und Pflanzen», sagt Betsche. Sie nützten nicht nur der Natur, sondern auch dem Menschen: «Sie nähren unseren Grundwasserspeicher, schützen uns vor Überschwemmungen und sind attraktive Naherholungsräume.» Johannes Jenny, Projektleiter bei Pro Natura, weist darauf hin, dass die Moore zwar nur drei Prozent der Erdoberfläche ausmachen, aber 30 Prozent der erdgebundenen Kohlenstoffe speichern.

Die Naturschutzverbände stehen mit ihrem Anliegen nicht alleine da, die FDP zielt in die gleiche Richtung. Mindestens 1000 Hektaren Land für neue Feuchtgebiete möchten die Freisinnigen im Aargauer Richtplan reservieren. Eine entsprechende Fraktionsmotion haben sie im März eingereicht. Kathrin Hasler, SVP-Grossrätin und ehemalige Frau Gemeindeammann von Hellikon, steht der Sache ebenfalls positiv gegenüber. Man dürfe dabei aber die Landwirtschaft nicht vergessen. «Entweder müssen die Landwirte entschädigt werden oder die Flächen müssen bewirtschaftet werden können.» Denn auch das ist möglich: In Sins hält beispielsweise ein landwirtschaftlicher Betrieb Wasserbüffel und vermarktet eigenen Mozzarella.

Ideen für Erweiterung
Doch zurück zum Weiher: 1971 ist der Naturschutzverein Hellikon gegründet worden. «Das war damals die Zeit der Güterregulierung. Viele Feuchtgebiete sind in dieser Zeit verschwunden, man wollte Kulturland gewinnen», erzählt Vorstandsmitglied Amandus Brogle. Dort, wo heute der Weiher ist, war früher ein Feuchtgebiet. Auch dieses sollte ausgetrocknet werden. Doch dagegen wehrte sich der junge Verein – mit Erfolg. 1976 wurde der Weiher angelegt. Später konnte der Verein eine benachbarte Wiese kaufen und den Talbach mit Hilfe der Gemeinde teilweise wieder freilegen. Heute präsentiert sich dort ein vielseitiges Naturschutzgebiet, das die Helliker gerne zur Naherholung nutzen, wie sowohl Amandus Brogle als auch Kathrin Hasler betonen.

Es gibt bereits Ideen, wie dieses Feuchtgebiet erweitert werden könnte: «Es wäre ein Traum, wenn sich auf der Nachbarparzelle ein Seggenried realisieren liesse», sagt Johannes Jenny. Ein Seggenried ist eine hauptsächlich mit Seggen (Sauergräsern) bewachsene Feuchtfläche. Entsprechende Bemühungen sind im Gang: «Das soll kein Traum bleiben», erklärt der Helliker Gemeindeammann Thomas Rohrer, der selber seit rund 50 Jahren Mitglied im Naturschutzverein ist. «Wir sind mit dem Landeigentümer im Gespräch. Er ist nicht abgeneigt, will aber Realersatz.» Die Verhandlungen laufen. Es könnte also sein, dass das heutige Feuchtgebiet in Hellikon in Zukunft vergrössert wird – und so einen kleinen Teil zu den angestrebten zusätzlichen 1000 Hektaren beiträgt.


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