Gleich lange Spiesse noch gleicher machen
05.05.2022 RheinfeldenBei der Auftragsvergabe der öffentlichen Hand spielt nicht allein der Preis eine Rolle. Nachhaltigkeit soll mehr Gewicht erhalten.
Ronny Wittenwiler
Die Materie sei komplex und technisch, sagte Fredy Rüegger, Experte für Beschaffungsrecht. «Trotzdem hoffe ich, den einen oder anderen Input geben zu können.» Rüegger sagte das an die Adresse der rund achtzig Gemeindevertreter, die sich gestern zum Auftakt des Gemeindeseminars in Rheinfelden eingefunden hatten. Auf Einladung des Planungsverbands Fricktal Regio gab Rüegger einen Einblick in das per Juli 2021 revidierte Beschaffungswesen. «Der grosse Paradigmenwechsel erfolgte bereits 1996», sollte Rüegger später der NFZ erklären – bis dahin galt, dass bei Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand jeweils der Billigste den Zuschlag erhalten sollte. Mit Aufheben des Submissionsdekrets (November 1996) war dann die Rede vom «wirtschaftlich Günstigsten», neu erhält jetzt das «vorteilhafteste Angebot» den Zuschlag. Die Kriterien sind vielfältiger geworden und wenn man so will, ist es der Versuch, die gleich langen Spiesse für alle Unternehmen noch ein Stückchen gleicher zu machen.
Das Geld des Bürgers
Rüegger zeigte eingangs, wie das Beschaffungswesen bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Obschon die Praxis eine Selbstverständlichkeit darstellt, stellt sich die Frage nach dem Warum. Weshalb kann die öffentliche Hand bei der Vergabe nicht einfach tun und lassen, was sie will? Rüegger dazu: «Weil sie mit Steuergeldern operiert. Damit hat sie verantwortungsvoll umzugehen. Dazu gehört, dass Aufträge nur an Firmen erteilt werden können, die sich an die Regeln halten.» So einleuchtend banal das klingt, so effizient soll es auch sein, um schliesslich Kinderarbeit (bei Beschaffung im Ausland), Missbrauch oder Korruption verhindern zu können. Die Tatsache, dass im Zuge der jüngsten Revision dem Qualitätskriterium der Nachhaltigkeit mehr Gewicht eingeräumt wird, macht deutlich, dass die öffentliche Hand auch diesbezüglich ebenfalls eine Vorreiterrolle einnimmt.
Mit bestem Wissen
In Anbetracht der Komplexität der Materie fragt sich, wie gross die Angst der kommunalen Behörden vor Fehlern ist. Rüegger zur NFZ: «Von Angst würde ich nicht sprechen, vielmehr von Respekt. Allerdings steht auch der Kanton mit Rat zur Seite. Treten dennoch Fehler auf, hat das zur Konsequenz, dass man die Vergabe neu ausschreiben muss.» Er glaube aber, dass sich die Verantwortlichen in den Gemeinden darum bemühen, die Vorgaben einzuhalten. «Mir sind keine Fälle bekannt, in denen sich im Aargau jemand bewusst darüber hinweggesetzt hat.» Früher, sagt Rüegger dann noch, da sei es durchaus üblich gewesen, dass Baufirmen zu Weihnachten mal etwas Wein auf die Verwaltungen geschickt hätten. Heute sei sowas nicht mehr denkbar. Zum Auftakt am Gemeindeseminar, übrigens, gab es Kaffee und Gipfeli.