«Was uns wirklich zusammenhält»
04.03.2022 MöhlinEin besonderes Feuer an Aschermittwoch
Wenn sich unter die Poesie beim Narrenbrunnen plötzlich auch Gänsehaut mischt, hat das mit dem Wahnsinn der Welt zu tun.
Ronny Wittenwiler
Es waren närrische Tage, es waren fröhliche Tage, und Möhlin-Ryburg tat einmal mehr das, was es wirklich gut kann: Fasnacht feiern. In Scharen war das Publikum gekommen vergangenen Sonntag, als sich der Umzug durchs Dorf schlängelte. «So viele Leute habe ich noch nie gesehen», bilanzierte Steve Krebs von der Fasnachtzunft Ryburg bald einmal. Unter Federführung von Zunftmeister Krebs war es gelungen, dem Kanton eine Bewilligung für den Umzug abzuringen. Das Publikum, ganz offensichtlich, lechzte förmlich nach diesem Stück Normalität. Doch Krebs hatte in den Folgetagen öfters auch die Frage gestellt bekommen, ob es moralisch überhaupt vertretbar sei, eine Fasnacht durchzuführen, wenn keine 2000 Kilometer weiter östlich der Krieg tobt. Das sei wohl eine Frage, die jeder für sich selber ausmachen müsse, meinte der Zunftmeister zur NFZ; an Aschermittwoch liess er es sich dennoch nicht nehmen, beim Freiheitsplatz ein paar ganz persönliche Worte darüber zu verlieren.
Über die Nasenspitze hinaus
Es wurde der letzte Narr dem Feuer übergeben; es trat der Bürkligeist seinen Heimgang an; es erhielt die Behörde den Schlüssel der Regentschaft zurück (Zitat Gemeindeammann Markus Fäs: «Es wird nicht schlimm und schlimmer und es ist ja schliesslich nicht für immer.») Selbstverständlich also, das Aschermittwoch-Protokoll wurde eingehalten und so hatte auch der pastorale Beistand seinen Platz, wie ihn der christkatholische Pfarrer Christian Edringer alias Don Cristiano jeweils spendet. Begleitet hatte ihn Stephan Feldhaus alias Don Stefano – genau wie beim Fasnachtsgottesdienst vor wenigen Wochen. Feldhaus ist Praktikant in der Ausbildung für das Ständige Diakonat in der christkatholischen Landeskirche. Er entzückte die Besucher genauso mit Humor und närrischer Poesie wie Pfarrer Edringer und Gemeindeammann Markus Fäs. Dem Mann glückte aber auch der Balanceakt, in Zeiten wie diesen, über die Nasenspitze hinauszuschauen. «Verbunden sind wir heute auch mit denen, die sich in der Ukraine nach Frieden sehnen.»
Und dann, irgendwann gegen 21 Uhr, sagte Steve Krebs: «Wir haben gesehen, was auf dieser Welt in so wenigen Tagen passieren kann. Dieser Krieg macht uns alle sehr betroffen, dieser Krieg beschäftigt mich enorm. Ich bin überzeugt, dass der Entscheid für eine Fasnacht richtig war. Der kulturelle Brauch zeigt unsere Solidarität und unseren Zusammenhalt. Es ist schön, wenn wir alle zusammenstehen und so dieses Zeichen setzen: Dass bei uns jede und jeder willkommen ist und wir friedlich miteinander feiern.» Wenn sich unter die Poesie beim Narrenbrunnen plötzlich Gänsehaut mischt, hat das mit dem aktuellen Wahnsinn der Welt zu tun.
Dann war die Fasnacht vorbei.
«Und gehen wir morgen wieder in den Alltag der Welt, dann lasst uns denken, was uns wirklich zusammenhält: Ohne Liebe und Gerechtigkeit kommen wir nicht weit.»
(Zitat: Stephan Feldhaus)