«Ich machte von Anfang an das Gegenteil»

  16.03.2022 Persönlich, Zeiningen

Der Weg einer Zeiningerin zu einer erfolgreichen Journalistin

Simone Meier, in Zeiningen aufgewachsen, ist Journalistin und Schriftstellerin. Die «Kulturjournalistin des Jahres 2020» ist beim Newsportal Watson tätig und arbeitet derzeit an ihrem fünften Buch.

Janine Tschopp

«Oftmals ist man erst im Nachhinein für etwas dankbar, was man früher hatte», sagt Simone Meier. Mit dieser Aussage bezieht sie sich auf das Aufwachsen in Zeiningen. Als Jugendliche hatte sie schon bald den Drang, aus der ländlichen Gegend wegzuziehen. Auszubrechen. Als «zu kontrolliert» habe sie damals das kleine Dorf empfunden, wo einem als Kind immer wieder einmal gesagt worden sei, was man so tun dürfe und was eben nicht. Erst viel später sei ihr bewusst geworden, wie wertvoll das Aufwachsen in Zeiningen für sie gewesen sei und welche wichtigen Werte ihr mitgegeben worden waren, von denen sie heute noch profitieren könne.

Einerseits sei dies die Nähe zur Natur gewesen. «Ich habe einen grossen Teil der Sommerferien auf den Kirschbäumen meines Grossvaters in Magden verbracht. Dank dem Bauernhof der Jecks nebenan weiss ich, wie viel Arbeit hinter einem Stück Fleisch, einem Ei oder einem Liter Milch steckt.» Für eine Biologiearbeit im Gymnasium dokumentierte sie die Geburt eines Fohlens auf dem Pferdehof an der Juchgasse und durfte helfen, wenn ihr Vater Froschweiher oder «Froschhägli» zum Schutz der Amphibien baute. «Meine Eltern vermittelten mir aber auch eine grosse Wertschätzung für die Kultur.» Ihr Vater dirigierte den Zeininger Männerchor, ihre Mutter den Kirchenchor in Hellikon und hatte die Dorfbibliothek in Zeiningen mitbegründet.

Studium in Basel, Berlin und Zürich
Nach der Schule verliess Simone Meier Zeiningen also rasch und verbrachte einige Zeit in London als Au-Pair. Später studierte sie in Basel, Berlin und Zürich Germanistik, Englisch und Kunstgeschichte. Zürich ist die Stadt, die sie nicht mehr losgelassen hat. Seit über 17 Jahren wohnt sie dort zusammen mit ihrer Lebensgefährtin. Ihr Berufswunsch war lange nicht klar. «Königin, Balletttänzerin, Malerin, Goldschmiedin, Naturwissenschaftlerin … mich hat vieles interessiert.» Was sich schon bald abgezeichnet hatte, war ihre Freude am Schreiben.

Die Ernüchterung in jungen Jahren
Sie erinnert sich daran, als sie heimlich Gedichte an die damalige Jugendzeitschrift «Musenalp-Express» einsandte. «Sie wurden nie veröffentlicht. Kein Wunder, sie waren auch sagenhaft schlecht.»

Als sie beschloss, eine akademische Karriere zu verfolgen, suchte sie einen Teilzeitjob zur Finanzierung ihres WG-Zimmers. Diesen fand sie als Korrektorin bei der «Wochenzeitung» in Zürich. «Plötzlich reizte es mich, auf einer Redaktion und in einem grösseren Team zu arbeiten.» Der Zufall wollte es, dass Reinhardt Stumm während ihres Studiums in Basel ihr Nachbar war. Stumm war der gefürchtetste Theaterkritiker der Schweiz, leitete das Feuilleton der «Basler Zeitung» und stand kurz vor der Pensionierung. «Ich fragte ihn, ob er mir Nachhilfe gibt, und zu meiner Überraschung liess er sich darauf ein. So büffelte ich in meiner Freizeit Kulturjournalismus. Es war hart, doch ich lernte viel.»

Nach einem halben Jahr erhielt sie bei der «Wochenzeitung» eine Stelle als Literaturredakteurin. Wenig später wurde sie vom «Tages-Anzeiger» abgeworben und arbeitete dort fortan als Kulturredaktorin, stellvertretende Ressortleiterin Kultur und Kolumnistin.

2014, nach 16 Jahren beim «Tages-Anzeiger», war für Simone Meier die Zeit reif für etwas Neues. «Beim Tagi gab es grosse Veränderungen. Die Digitalisierung hielt Einzug, und mein Arbeitspensum explodierte. Am Ende hatte ich keine kreativen Kräfte mehr.» Die Journalistin wechselte zum Newsportal Watson und ist dort seither als Kultur- und Gesellschaftsredaktorin tätig.

Für ihr Wirken hat die Zeiningerin schon viele Preise erhalten. Unter anderem ist sie 2017 zur «Kolumnistin des Jahres» und 2020 zur «Kulturjournalistin des Jahres» gekürt worden. «Mein Erfolgsrezept ist einfach», sagt Simone Meier, «ich machte von Anfang an das Gegenteil dessen, was man mir sagte. Wenn es hiess, sei objektiv, halte dich zurück und verwende das Wort ‹Ich› auf keinen Fall, dann schrieb ich umso persönlicher, polemischer und poetischer. Ich will, dass die Leute meine Texte nicht nur einfach lesen, sondern dabei auch ganz viel spüren.»

«Ein erstes Buch kann jeder»
Simone Meier war dreissig Jahre alt, als ihr erster Roman «Mein Lieb, mein Lieb, mein Leben» erschien. «Ein erstes Buch schreiben kann jeder, das geht ganz leicht. Man geht völlig unbeschwert ans Werk», erklärt die Schriftstellerin. Sie spürte, wie erfüllend diese Arbeit für sie war. Trotzdem legte sie ihre literarische Karriere nach ihrem Erstlingswerk ohne grosses Bedauern auf die Seite. Vorerst. «Bis es dann, zirka 17 Jahre später, wieder einschlug.»

So beglückend das Schreiben von Büchern für sie ist, kommt es für sie noch nicht in Frage, vollkommen auf diese Karte zu setzen. «Ich bin gerade in Sachen Finanzen ein sehr vorsichtiger Mensch. Als Autorin hätte ich zwar eine grössere Freiheit, aber auch ein viel grösseres Risiko.»

Mittlerweile sind weitere drei Romane im Zürcher Kein & Aber Verlag von Simone Meier publiziert worden. Und nie hat sie die Arbeit bei Watson, ihre Lebensgrundlage, vernachlässigt. Nach dem Erscheinen ihres aktuellen Werks «Reiz» und der darauffolgenden Lesetour stand sie Ende 2021 durch die Doppelbelastung allerdings kurz vor einem Burnout.

Mit ihren beiden Standbeinen als Journalistin und Schriftstellerin ist die 52-Jährige überglücklich. Auch in ihrer Wahlheimat fühlt sich die Fricktalerin sehr wohl, obschon sie sagt: «Was ich in Zürich vermisse, sind die Sonnenuntergänge, wenn man in Richtung Feldschlösschen, Basel und Vogesen blickt. Die waren einmalig.»


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