Wenn die Schlägel übers Holz fliegen

  07.02.2022 Rheinfelden

Patrick Herta kommt von der Perkussion nicht mehr los

Der 19-jährige Patrick Herta aus Rheinfelden bereitet sich vor, als klassischer Schlagzeuger einen der wenigen Studienplätze an einer Musikhochschule zu ergattern. «Ich kann einfach nicht ohne Musik sein. Sie ist inzwischen ein zu grosser Teil von mir.»

Birgit Schlegel

Mehrere Drumsets stehen im Raum, unzählige Becken unterschiedlicher Grösse hängen an Ständern, Vibraphon und Glockenspiel finden sich quer dazwischen und mehrere Ablagetische für allerlei Perkussionsinstrumente versperren noch den letzten freien Platz. Der Schlagzeugraum der Musikschule Unteres Fricktal im Roberstenschulhaus scheint aus allen Nähten zu platzen. In die letzte freie Nische gequetscht findet jedoch auch das beeindruckendste aller Schlaginstrumente noch einen Platz: das Marimbaphon. Mit seiner Länge von über zwei Metern ist es bereits optisch sehr faszinierend. Der junge Rheinfelder Schlagzeuger Patrick Herta hat die Klangwelten all dieser Instrumente für sich entdeckt.

Von der Geige zum Schlagzeug
Musik hat Patrick schon immer fasziniert. Zu seinen frühesten Erinnerungen an zu Hause gehören Vivaldis «Vier Jahreszeiten» und Mozarts «kleine Nachtmusik». «Diese CDs liefen bei uns rauf und runter. Vor allem auch, als ich endlich herausgefunden habe, wie ich den CD-Player selber bedienen kann», meint er schmunzelnd. Patrick hat sich in der ersten Klasse für die Geige interessiert. Der Unterricht an der damaligen Musikschule Rheinfelden war für ihn ein Türöffner in eine neue Welt. «Nach den ersten Lektionen war ich immer total erledigt», überwältigt von der intensiven Arbeit am Instrument. Im späteren Klassenmusizieren kam Patrick erstmals mit dem Schlagwerk in Kontakt. Nicht zuletzt war auch Christian Bruggers Persönlichkeit, damals betreuender Schlagzeuglehrer der Perkussionsklasse, für den folgenden Instrumentenwechsel ausschlaggebend. Mit den Rock-Grundrhythmen am Drumset wurde Patrick schnell vertraut. Auch zeigte sich schon bald seine Vorliebe für das Ensemblespiel. Mitspielen in den Bläserensembles der MU-UF, der frühe Einstieg in der Stadtmusik Rheinfelden, klassische Musik im Jugendsinfonieorchester Aargau und zusätzlich immer wieder Zuzüger sein in diversen Formationen: das Bild vom rockigen coolen Drummer war wegen dieser zahlreichen Erfahrungen bald nicht mehr erstrebenswert. «Am Ende der Bezirksschule wollte ich eigentlich Dirigent werden.» Dass sich Patricks Beruf einmal um Musik drehen würde, war für ihn bald klar. Am Gymnasium Muttenz wählte er diesen Schwerpunkt. Als Maturarbeit komponierte er ein Ensemblestück für das Musikschulensemble Flying Sticks, welches er im vergangenen Herbst mit seinen Freunden erfolgreich zur Aufführung brachte. «Different Perceptions of Time» hat er es genannt und sich darin der Kompositionstechnik eines seiner Lieblingskomponisten angenähert: Steve Reich, diesem amerikanischen Komponisten und Schlagzeuger, der vor allem im Bereich der Minimal Music bekannt ist und als einer ihrer Pioniere gilt. Patrick bewundert diese Stilrichtung. «Wie Steve Reich dies schafft, aus einer kleinen rhythmischen Idee ein riesiges Werk entstehen zu lassen! Diese Klangwelten, wie ein Meer, woraus einzelne kleine Bestandteile wie Wellenspitzen herausstechen!» Und darin immer wieder als zentraler Bestandteil dieses Instrument, mit welchem sich Patrick Herta am liebsten ausdrückt: das Marimbaphon.

Übung macht den Meister
Sehr vielseitig ist es und bietet eine unglaubliche Palette an Ausdrucksformen und Klängen. «Und es hat diesen melodiösen Aspekt, den ich von der Geige her kenne. Ich vergleiche es oft mit dem Klavier.» In eine andere Welt tauche er beim Spielen jeweils ein. Und wirklich! In weichen, fliessenden Bewegungen tänzelt dieser junge Musiker vor dem riesigen Instrument. Virtuos fliegen seine vier Schlägel über die breit angeordneten Klanghölzer. Dabei bezieht er seinen gesamten Körper bis in die Zehenspitzen mit ein, benutzt ihn als Hilfsmittel für seine Schlägelführung, mit welcher er differenzierte Dynamiken und Artikulationen schafft. Gibt es Vorbilder? Von der Britin Evelyn Glennie, welche als gehörlose Schlagzeugerin an der Royal Academy of Music in London zu Weltruhm gelangte, ist Patrick sehr angetan. Auch von noch jungen, aufstrebenden Talenten wie dem Schweizer Fabian Ziegler oder Adélaïde Ferrière aus Frankreich.

Klassischer Schlagzeuger als Berufswunsch? Patrick hat sich entschieden, dieses Ziel in Angriff zu nehmen. «Jaja, der Patrick ist wieder krankhaft am Üben», musste er schon einige Male scherzhaft von seinen lang jährigen Schlagzeugfreunden hören, wenn er sich lieber zum Spielen zurückzog, als sich mit ihnen in der Freizeit zu treffen. «Kein Problem, sie wissen genau, worum es mir geht», denn sie sind selbst alle immer noch mit der Musik verbunden.

Aber was heisst es nun, sich stundenlang mit einem Instrument – und schliesslich auch mit sich selbst – zu beschäftigen? «Üben ist für mich wie Zähneputzen. Es hat schon lange einen festen Platz in meinem Alltag.» Ein sehr hohes Konzentrationsvermögen braucht es, und körperliche Fitness. Auch wenn die Tagesform durchaus nicht immer optimal ist, Patrick sich dann durch die zu übenden Stellen quält und einen Sinn hinter dem Ganzen sucht, versucht er dennoch, daraus immer etwas Positives zu gewinnen, um weiterzukommen. «Ich nehme an, die Frage, wie ich wirklich effizient und gut üben kann, wird mich mein Leben lang begleiten.»

Patricks Tage sind vollgepackt: Schule bis Mitte Nachmittag, danach lernen für Prüfungen, nach dem Abendessen noch ein paar Stunden üben, schlafen. Dazu kommen die zahlreichen musikalischen Proben und Auftritte. Da bleibt nicht viel Spielraum für anderes übrig. «Ich bin mir bewusst, dass ich Abstriche machen muss, wenn ich mein Ziel erreichen will.» Mountainbike fahren an einem freien Wochenende oder eine Reise in die Berge planen mit seiner Familie sorgen für Abwechslung. Die ursprünglich aus Rumänien stammenden kulturinteressierten Eltern unterstützen Patrick in seinen beruflichen Ambitionen in vollem Masse. «In Rumänien war musizieren nur in der sehr reichen Bevölkerungsschicht verbreitet. Für sie war dies deshalb in ihrer Kindheit kein Thema. Hier singt und spielt es überall!»

Vom Ensemblespieler zum Solisten
Nun steht für Patrick eine neue Herausforderung vor der Tür: an den nächsten Konzerten der Stadtmusik Rheinfelden wird er als Solist auftreten. Vittorio Montis berühmter Czardas in einer Fassung für Xylophon und Blasorchester steht auf dem Programm. Lampenfieber? Patrick zögert. «Es kommt mit dem Älter werden.» In den Anfängen habe er einfach gespielt ohne gross nachzudenken. Sehr unberechenbar sei es inzwischen. Manchmal spüre er ein Kribbeln schon den ganzen Tag, wenn am Abend ein Konzert ansteht. Andererseits kann die Nervosität überhaupt kein Thema sein und dann plötzlich unmittelbar vor dem ersten zu spielenden Ton wie ein Blitz einschlagen. «Wenn ich als Solist spiele, ist das Lampenfieber am grössten. Vielleicht, weil ich in dem Moment auf mich alleine gestellt bin. Und ich stelle natürlich sehr hohe Ansprüche an mich selbst.» Dank Patricks ruhiger Wesensart, seiner soliden Vorbereitung und seiner hörbar sehr hohen Musikalität wird ihn auch diese Herausforderung einen Schritt näher zur Erfüllung seines Berufswunsches bringen. «Und sollte ich kein Vorspiel schaffen, so werde ich Komponist.»

Nächste Konzerte der Stadtmusik Rheinfelden: Samstag/Sonntag, 2./3. 4.2022. 20 Uhr, Jahreskonzert, Musiksaal Kurbrunnen, Rheinfelden.


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