«Ich vermisse es selbst, auf Konzerte zu gehen»
14.02.2022 RheinfeldenSeit einem guten halben Jahr ist Dario Rago Kulturamtsleiter in Badisch-Rheinfelden: Schon aus eigenem Interesse will der Pianist alles tun, um Kultur wieder zu ermöglichen. Sein erstes grosses Projekt im Amt ist das diesjährige Stadtjubiläum. Gemeinsam mit der Schweizer Seite sollen auch die Brückensensationen wieder stattfinden.
Boris Burkhardt
Für Dario Rago ist das Kulturamt in der Stadtverwaltung von Badisch-Rheinfelden ein Glücksfall: Als Künstler freut sich sein Herz über Konzerte, Kabaretts und Lesungen, die er organisiert, als Soziologe hat er «die Gesellschaft als Ganzes im Blick», wie er sagt. «Es kommt nicht oft vor, dass man eine Stelle übernehmen darf, die so zu einem passt», erklärt der 31-Jährige begeistert. Die Perspektive, das Stadtjubiläums 2022 massgeblich mitzugestalten, war ein weiterer Motivationsschub, warum Rago im Juni 2021, mitten im coronageplagten Kulturalltag, den Posten als Amtsleiter übernahm.
Seit 2019 arbeitete Rago als Integrationsbeauftragter in der Stabsstelle Integration und Flüchtlinge. Dort war er bereits mit dem Projektmanagement des «Werte-Jahrs» betraut: Im Jahr 2020, wegen Corona bis 2021 verlängert, wollten die Stabsstelle und das Amt für Familie, Jugend und Senioren mit rund 20 Veranstaltungen in Rheinfelden Diskussionen anstossen über die Werte, die die Gesellschaft tragen.
Rago selbst, der Rheinfelden seit seiner Kindheit kennt, machte die Erfahrung einer «sehr von Vielfalt geprägten Stadt». Aufgrund seiner Entstehungsgeschichte als Arbeiterund Industriestadt sei das bürgerliche Engagement seit jeher stark in Rheinfelden.
Klavierspielender Soziologe
Rago wurde 1991 in Bad Säckingen geboren, wuchs in Wehr auf und ging in Schopfheim aufs Theodor-Heuss-Gymnasium. Das Abitur bestand er mit Schwerpunkt Musik – bereits seit dem achten Lebensjahr hatte er Klavierunterricht genommen. «Ich hatte früh vor, die Musik zu meinem Beruf zu machen», erklärt Rago. Zunächst entdeckte er aber an der Uni Basel mit der Soziologie seine weitere Leidenschaft: Für seinen Master verfasste er 2018 eine vergleichende Studie zum Thema Populismus zwischen der deutschen Alternative für Deutschland (Af D) und dem italienischen Movimento Cinque Stelle (M5S). Parallel zum Studium arbeitete er am Europainstitut in Basel. «Mein Fokus lag immer auf der Kulturwissenschaft», sagt Rago: «Mich interessiert, wie Kultur in und aus der Gesellschaft heraus entsteht.»
Es sei ihm deshalb ein persönliches Anliegen, «alles dafür zu tun, dass Kultur wieder möglich ist. Es fehlt mir selbst sehr, ein Konzert zu besuchen.» Opern in Basel oder Berlin haben es Rago privat angetan: «Aber auch für Maceo Parker, den Saxophonisten von James Brown, fahre ich bis nach Wiesbaden.» Er sieht es als Pf licht und Privileg, möglichst alle Veranstaltungen, die das Kulturamt organisiert, zu besuchen: «Kultur kann man nicht nur am Schreibtisch planen.» Seine Karriere als Pianist setzt Rago semiprofessionell fort, vor allem im Bereich Blues, Jazz und Pop, in der Lörracher Hopeman Blues Band, am Basler «Blues Festival», als Begleitung von Solisten, in der Lounge oder in der Kirche.
Fühlt sich wohl
In seinem neuen Amt sieht Rago für sich nun «alle Fäden zusammenlaufen: Hobby, Interessen, Beruf. Das ist ein tolles Gefühl». Keine Rolle habe bei der Annahme des Amtes für ihn gespielt, dass es seine Vorgängerin Henrike Fuder kaum anderthalb Jahre im Amt hielt, das Claudius Beck zuvor 14 Jahre geprägt hatte: «Ich persönlich fühle mich seit Beginn wohl in der Rheinfelder Stadtverwaltung.» Vorbereitet war Rago aber auf die Beeinträchtigungen seines Jobs durch Corona: «Ich hatte meine Prüfung schon mit dem Werte-Jahr.» Für die Feierlichkeiten zum Stadtjubiläum ist Rago zuversichtlich: «Ich spüre den Wunsch und Willen in der Verwaltung und in der Bevölkerung, das Jubiläum angemessen zu feiern: Wenn es nötig sein wird, wird es Anpassungen geben. Aber wir machen alles, was möglich ist.» Auch die Brückensensationen sollen nach zwei Jahren Pause im August wieder stattfinden. Länger als Dario Rago, nämlich seit 2015, ist Dominik Rago im Rathaus angestellt. Elf Jahre älter, ist der Bruder Leiter des Ordnungsamts und arbeitet als solcher oft mit dem Kulturamt zusammen. «Wir gehen professionell mit unserer Beziehung um», betont Dario Rago, «und verstehen uns privat gut.» Für die enge Zusammenarbeit ist er sehr dankbar: «Das Ordnungsamt sagt uns immer früh und zuverlässig, auf welche Massnahmen wir uns bei Veranstaltungen einstellen müssen.» Im Gegensatz zu manchem Aussenstehenden findet Dario Rago nicht, dass er seinem Bruder ähnlichsehe. Verwechslungen gebe es nur manchmal am Telefon, lacht er: «Wenn es aber dann zum Beispiel um das Thema Verkehr geht, weiss ich schnell, dass der Anrufer den falschen Rago erwischt hat.»
Einzigartiges Angebot
Nicht zuletzt ist sich Rago der Besonderheit der grenzüberschreitenden Beziehungen in beiden Rheinfelden bewusst. Er hebt besonders die Zusammenarbeit der beiden Stadtbibliotheken hervor, die in seinen Zuständigkeitsbereich fällt: «Vielen ist nicht bewusst, wie einzigartig dieses Angebot ist. Ich kenne keinen vergleichbaren Fall in Europa.» Durch sein Studium in Basel habe er die Schweizer sehr schätzen gelernt und geniesse es, «mit ihnen zusammenzuarbeiten». Umso befremdlicher seien die Grenzschliessungen 2020 gewesen, «die greifbar gemacht haben, wie eng die Zusammenarbeit sonst ist».