Wie die Farben Rot und Blau zur Erfüllung werden
27.12.2021 MöhlinDie junge Möhlinerin Chiara Schmid hat geschafft, was für viele unerreichbar ist: Sie steht seit einem Jahr bei einem Profifussballclub unter Vertrag. Eine durchwegs positive Bilanz zieht sie aus ihrer ersten Saison in der AXA Women\'s Super League. Nun steht die Winterpause vor der Tür.
Birgit Schlegel
Berufswunsch Fussballprofi! Die Zeiten, in welchen lediglich Buben davon träumten, sind endgültig vorbei. Auch Mädchen meinen es ernst und arbeiten darauf hin, irgendwann auf einem Spielfeld als Talent entdeckt zu werden. Die 18-jährige Chiara Schmid aus Möhlin ist auf dem besten Weg, ihren grossen Traum zu verwirklichen. Seit 2020 ist sie im Kader der FC Basel Frauen unter Vertrag und ist Spielerin der U19 Frauen-Nationalmannschaft.
OL, Tennis oder Fussball
Sport sei einfach ein Talent von ihr, meint sie im Gespräch. Denn neben dem Fussball war auch das Tennisspielen bis vor kurzem fester Bestandteil ihrer Freizeit. Ebenfalls wurde sie darauf aufmerksam gemacht, dieses doch wegen ihrer Begabung zu vertiefen. Und nicht zu vergessen, der erfolgreiche Orientierungslauf in früheren Jahren. Begonnen hat aber alles bei den Fussballspielen ihres älteren Bruders. Da hat sie oft als 4-jähriges Mädchen mit einem Ball am Spielfeldrand «tschüttelet», während ihr Bruder beim FC Möhlin-Riburg trainierte. Seine damalige Trainerin Karin Metzger hat sie schliesslich dazu animiert, bei den Piccolos einzusteigen. Ihren ersten Match gegen den FC Wallbach habe sie nie vergessen. «In einfachen Turnschuhen auf dem Rasen war das. Nach dem Spiel habe ich dann meine ersten richtigen Fussballschuhe bekommen.» Schon früh hat sich Chiara Schmids Talent gezeigt. Als eines von wenigen Mädchen im FC Möhlin-Riburg hat sie sich gegen die Buben behaupten können. In den Trainingseinheiten war davon jedoch nicht viel zu spüren. «Du bist halt nur ein Mädchen» war eine häufige Reaktion. Doch bald wurde sie in den Spielen zur Topscorerin und für die Mannschaft unverzichtbar. Ihr Erfolg kam ins Rollen: erstes Auswahltraining mit acht Jahren in Möhlin, Fördertraining in Stein und somit auch erstes Spielen in einer Mädchenmannschaft, Stützpunkttraining Region Nordwestschweiz in der U13 im Bachgraben/Allschwil, Eintritt in die U15 des FC Basel.
Und die Schule? Die fand auch noch irgendwie statt. Heute befindet sich Chiara im dritten Lehrjahr als Schreinerin in einem Basler Betrieb. In ihrer speziellen Sportlehre wird sie vom Sportamt Baselstadt und vom technischen Leiter des FC Basel betreut. Der Berufsalltag verlangt einiges von ihr ab: Arbeiten im Lehrbetrieb ab 7 Uhr, 10.30 bis 12 Uhr zweimal wöchentlich Morgentraining im St. Jakob, ab 13 Uhr wieder Arbeiten im Betrieb, abschliessend Abendtraining erneut im St. Jakob. Dazu kommt noch die Präsenz in der Berufsschule sowie in den fachspezifischen, überbetrieblichen Kursen.
Freizeit oder Training
Die Doppelbelastung Arbeit-Fussball habe sie bisher noch nie an ihre Grenzen gebracht, so Chiara Schmid. Auch hindert sie ihre ebenfalls körperlich anstrengende Ausbildung in der Schreinerei nicht daran, im Training hundert Prozent zu geben. «Ich könnte nie in einem Büro arbeiten. Es geht mir einfach besser, wenn ich den ganzen Tag mit meinem Körper arbeite und in Bewegung bin.» Auch ist sie sich bewusst, dass sie momentan im Vergleich zu ihren gleichaltrigen Freundinnen und Freunden einen eher ungewöhnlichen Lebensstil führt. Viel freie Zeit bleibt da nicht, denn der Terminplan wird durch Schule, Arbeiten, Trainings und – nicht zu vergessen – durch den Spielplan der AXA Women\'s Super League bestimmt. Einsam sei sie nicht, auch wenn sie ihre Kolleginnen und Kollegen nicht mehr so oft treffen kann. Oft geht sie in ihrer fussballfreien Zeit mit ihrem Border Collie-Mischling Buddy spazieren.
Arsenal oder West Ham United
Obwohl die junge Fussballerin ständig unterwegs ist und einem getakteten Fahrplan folgt, scheint sie ruhig, abgeklärt und mit der momentanen Situation absolut glücklich zu sein. Auf die Frage nach ihrem Traumziel zeigt Chiara Schmid jedoch auch eine andere Seite ihrer Persönlichkeit. Da leuchtet ihr Gesicht, die Augen strahlen und sie beginnt vor Begeisterung zu zappeln. «Auf jeden Fall die englische Premier League. Am liebsten ein Stammplatz in Arsenal oder bei West Ham United.» Die gesamte Fussball- und Fankultur sei in England ganz anders. Auch hat der Frauenfussball dort einen sehr hohen Stellenwert, darf die englische Frauen-Nationalmannschaft doch im Wembley Stadion in London spielen. Und dies bei vollem Haus. Was für ein Gefühl muss das sein. Ein fussballerisches Vorbild? «Ganz klar Lia Wälti», folgt die Antwort ohne zu zögern. «Sie hat alles erreicht, was ich selbst erreichen will.» Unverzichtbare Spielerin in der Schweizer Nationalmannschaft, bei Arsenal WFC seit 2018 unter Vertrag. Zudem hat sie wie Chiara Schmid als Spielerin im Mittelfeld die gleiche Position. «Und natürlich ist sie wie ich die Nr. 13.»
Mit dem Einstieg beim FC Basel hat sich für die junge Möhlinerin einiges verändert. Sie ist sich ganz klar bewusst, dass ihr Spiel nun ständig unter Beobachtung steht. Ob ein Spielerscout am Spielfeldrand steht, weiss sie zum Glück nicht. Immer das Beste geben, ist das Ziel. Auch ein schlechter Tag und somit ein nicht optimales Spielen muss akzeptiert werden. Auf die Frage nach der Konkurrenz innerhalb des Teams zögert Chiara Schmid mit der Antwort. «Die Konkurrenz ist da, das ist ganz klar.» Denn jede Spielerin, vor allem auf der gleichen Position, sei eine direkte Rivalin. Das spüre sie eindeutig. Doch dies ist zum Glück kein Hinderungsgrund für vertiefte Freundschaften neben dem Platz. Soeben hat sie mit ein paar Mitspielerinnen ein gemeinsames Wochenende im privaten Rahmen verbracht. Und was meint eigentlich ihr Bruder zur fussballerischen Erfolgsgeschichte seiner kleinen Schwester? Chiara Schmid lacht: «Er hat inzwischen mit dem Fussball aufgehört.» Radball steht bei ihm nun im Mittelpunkt. Das ist nicht verwunderlich. Ist diese Sportart doch im Grunde nichts anderes als eine Art Fussball mit Velo.