Guetzli & Pflästerli
30.12.2021 KolumneSorry, das ist jetzt der falsche Zeitpunkt!
Bernadette Zaniolo
Wir waren uns in der Redaktion (noch) einig: das Weihnachtsessen der Firma kann aufgrund der aktuellen Situation nicht stattfinden. So standen wir voll hinter unserem Chef. Doch als das Mail kam, dass ich zu dieser, vom Bundesrat verordneten «Spezies Homeoffice» gehöre, die jetzt zuhause bleiben müsse, musste ich leer schlucken. Wie viele andere hatte ich Verständnis. «Doch sorry Chef, das ist jetzt der falsche Zeitpunkt», schrieb ich ihm nach drei Tagen Homeoffice. In meinem Briefkasten deponiert jemand eine Schachtel «Mon Chéri». Mein Mann ist, seit er die Zeitungsseite mit den hammermässigen «Ideen zum Selbermachen» meiner Arbeitskollegin «studiert» hat, in die Backstube abgetaucht.
Die Guetzli-Produktion ist voll im Gang. «Haben wir noch Äpfel und Zucker» fragt er mich, während ich an meinem Artikel über die Microbierbrauerei bin. Kurz darauf klingelt es an der Haustüre: «Wünsche euch frohe Weihnachten», sagt eine Kollegin aus dem Dorf. Und sie bringt auch noch einen Sack voller Guetzli aus ihrer Hausbäckerei. Und da fragte mein Mann noch: was machen wir eigentlich an Heiligabend und Weihnachten für ein Dessert?
Das war gar nicht mehr lustig. Plötzlich realisierte ich, dass ich nach den Festtagen wohl wie eine Lindor-Kugel aussehen würde. Ich hörte im Hintergrund schon das Gespött einzelner Mitmenschen. Deshalb habe ich meinem Chef umgehend geschrieben: «Entweder ich darf wieder ins Büro oder du musst mir einen Monat frei geben!» Letzteres natürlich, um mein nächstes «Bewegungs»-Projekt zu verwirklichen. Da ich bis heute keine Antwort erhalten habe, ist ihm das Ganze wohl sauer aufgestossen oder der Weihnachtsbraten im Hals stecken geblieben.