Historischen blinden Fleck eliminieren

  16.11.2021 Gipf-Oberfrick

Fricktalisch-Badische Vereinigung für Heimatkunde: Projekt von nationaler Bedeutung starten

Der bislang blinde Fleck in der Schweizergeschichte um den Schwabenkrieg von 1499 mit den brutalen Zerstörungen im Fricktal wird wissenschaftlich aufgearbeitet und in einem Buch veröffentlicht.

Paul Roppel

Sogar die allgemein zugänglich gemachten, aufschlussreich und farbig illustrierten Landkarten des schweizerischen Nationalmuseums blenden das Geschehen im Fricktal von 1499 aus. Dies ganz im Gegensatz zu den im Zusammenhang des sogenannten Schwabenkrieges aufgezeichneten Geplänkel, Raub- und Plünderungszügen und Schlachten an den Grenzgebieten der damaligen Eidgenossenschaft, ausgehend vom Vorarlberg im Osten, Klettgau im Norden bis ins Sundgau im Westen. Eher bekannt sind in unserer Region die Schlachten vom Bruderholz vor Basel (22. März 1499) und von Dornach (22. Juli 1499). Besonders das brutale Auftreten der Berner, Solothurner und Luzerner Verbände ging in die Geschichte ein, welche die habsburgischen und schwäbischen Gegner niedermetzelten und aufgefordert waren keine Gefangenen zu machen.

Blinder Fleck in der Geschichtsschreibung
Von den Raub-, Plünderungs- und Rachezügen der Schweizer Truppen wurde während des sieben Monate dauernden Krieges auch das Fricktal heimgesucht. Die übrigen Aargauer Gebiete waren 1415 von den Eidgenossen erobert worden. «Die Ereignisse im damals vorderösterreichischen Fricktal sind bis heute ein blinder Fleck in der nationalen Geschichtsschreibung des Spätmittelalters», sagte David Wälchli, Präsident der Fricktalisch-Badischen Vereinigung für Heimatkunde (FBVH) an einer Informationsveranstaltung im historischen Saal des Gasthauses Rössli in Gipf-Oberfrick. Diese historische Lücke möchte der initiative Verein zusammen mit der Kantonsarchäologie Aargau mit einem ehrgeizigen Projekt schliessen und vorhandenes Potenzial nutzen. Grundlage bilden nämlich elf Fundstellen mit ähnlichen Merkmalen, auf welche die freiwilligen Bodenforscher der FBVH in den letzten 30 Jahren bei archäologischen Grabungen gestossen sind. «Von den Plünderungen und Brandschatzungen waren sicher vier Dörfer verheerend betroffen. Frick wurde zerstört», ergänzte der Historiker Linus Hüsser, der die Hintergründe des Krieges ausleuchtete.

Ein Buch 525 Jahre nach dem Krieg
«Für die von den Brandschatzungen betroffenen Menschen, welche Hab und Gut verloren hatten, war die Situation eine Katastrophe», ergänzte Kantonsarchäologe Thomas Doppler. «Aber für die Archäologie sind die aus den Ascheschichten geborgenen Fundstücke ein Glücksfall. Sie geben Aufschluss auf Lebensart, Wohnweise und Wohlstand», fügte er an. Entgegen allgemeiner Annahme, gab es nämlich Häuser mit damals modernem Wohnstil, was auf einen gewissen Wohlstand schliessen lässt. Das herausragende und in der Schweiz einzigartige Fundmaterial biete einmalige Chancen für die Geschichtsforschung, war zu vernehmen. «Was nun noch fehlt, ist eine Gesamtbetrachtung, die in einem Auswerteprojekt wissenschaftlich angegangen wird», ergänzte Georg Matter, Abteilungsleiter Kultur, der den erkrankten Regierungsrates Alex Hürzeler vertrat und Vertreter der betroffenen Gemeinden zur finanziellen Unterstützung motivierte. Die Bewältigung des ehrgeizigen Projektes hat die FBVH mit rund 170 000 Franken budgetiert, wovon etwa 100 000 Franken die Auswertungen kosten.

Rund ein Drittel kostet das Buch, welches just zum 525-Jahr-Jubiläum des Schwabenkrieges 2024 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Neben Eigenleistungen, Swisslos Fonds, Bundesamt für Kultur, Stiftungen und Gemeinden werden weitere Sponsoren zur Verwirklichung des interessanten Vorhabens angegangen.


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