Der Golfplatz muss warten

  08.11.2021 Rheinfelden

Thierry Ettlin gibt die medizinische Leitung der Reha Rheinfelden ab

Während fast drei Jahrzehnten hat Thierry Ettlin die Entwicklung der Reha Rheinfelden mitgeprägt und vorangetrieben. Auf nationaler und internationaler Ebene war er ein Impulsgeber in der Neurorehabilitation. Jetzt geht der 68-jährige Chefarzt in Pension – arbeitet aber fast unvermindert weiter.

Valentin Zumsteg

Thierry Ettlin ist ein Mann der Tat: «Wenn man mehr zurückschaut als nach vorne, dann ist man wirklich alt. Ich schaue nach vorne und freue mich auf alles, was kommt», sagt der 68-Jährige. Bis vor fünf Jahren habe er sich überhaupt nicht vorstellen können, die medizinische Leitung der Reha Rheinfelden abzugeben. «Seit aber klar ist, dass wir einen sehr guten Nachfolger gefunden haben, freue ich mich.»

«Ein toller Teamgeist»
Ettlin arbeitet seit 1993 bei der Reha Rheinfelden, zuerst als leitender Arzt und ab Ende 1994 als Chefarzt und medizinischer Direktor. Zuvor war er als junger Verhaltensneurologe an der University of California in Los Angeles am Puls der Forschung. Diese Einflüsse brachte er zurück nach Europa und in die Schweiz. Er etablierte in Rheinfelden die Neurorehabilitation als eigenständiges wissenschaftlich-medizinisches Fachgebiet. Die Abteilung wuchs unter seiner Leitung zügig: Waren es zu Beginn nur zwanzig Betten in diesem Bereich, stieg die Zahl innerhalb von wenigen Jahren auf über hundert.

Ettlin war im medizinischen Bereich der Ideen- und Impulsgeber, der immer wieder für Innovationen sorgte. Doch er will seinen Beitrag nicht in den Vordergrund stellen: «Es herrschte immer ein toller Teamgeist in der Reha Rheinfelden. Das ist wichtig.» Als Meilenstein sieht er die Eröffnung des Neurologischen Tageszentrums, das 1998 dank eines Legats in Betrieb gehen konnte. «Jeder Patient darf nicht eine Sekunde das Gefühl haben, dass er irgendwo anders grössere Fortschritte als bei uns machen könnte», beschreibt Ettlin sein Credo. Dank zwei grossen Bauprojekten entwickelte sich die Klinik, die auf eine 125-jährige Geschichte zurückblicken kann, zum modernen Rehabilitations-Zentrum.

Jeder neue Leistungsauftrag, den die Reha erhielt, war ein Erfolg für das ganze Team. Es gab aber auch schwierige Zeiten. Ettlin erinnert sich an jene Periode, als die Rehabilitation im nahen Ausland von den Krankenkassen und verschiedenen Exponenten aus der Politik propagiert wurde. «Diese Entwicklung hat uns gefährdet», sagt Ettlin. Die Schweizer Reha-Betriebe schauten dem Treiben aber nicht tatenlos zu, sie gründeten den Verband «Swiss Reha», um gemeinsam für eine starke Schweizer Rehabilitation einzustehen. Dieses Vorgehen war von Erfolg gekrönt – Rehabilitation im Ausland ist kaum mehr ein Thema.

In der Neurologie hängen geblieben
Eigentlich wollte Thierry Ettlin, der im zürcherischen Wetzikon aufgewachsen ist, ursprünglich Psychiater werden. «Schon am Gymnasium war ich fasziniert von der Psychoanalyse. Weil Sigmund Freud Neurologe war, habe ich auch damit begonnen und bin hängengeblieben», sagt er mit einem Lachen.

Wenn er auf die vergangenen 28 Jahren in der Reha Rheinfelden zurückblickt, dann tut er das mit einem Gefühl der Zufriedenheit. «Es gab keinen Tag, an dem ich nicht gerne zur Arbeit gekommen bin.» Ende Jahr gibt er nun die medizinische Leitung ab. Nachfolger wird Professor Dr. Leo Bonati, Leiter des Stroke-Centers des Universitätsspitals Basel und international renommierter Schlaganfall-Spezialist. «Mit seinen Kompetenzen in allen Aspekten der Hirnschlag-Neurologie wird Professor Bonati die Reha Rheinfelden als das national führende Zentrum für Hirnschlag-Rehabilitation weiterentwickeln», ist Ettlin überzeugt. Er wird seinen Nachfolger im Januar noch begleiten und einarbeiten.

«Golf ist eine Belohnung»
In der Freizeit spielt Thierry Ettlin, der Vater von drei erwachsenen Kindern ist und in Binningen wohnt, leidenschaftlich Golf. Wer nun aber denkt, dass er künftig vor allem diesem Hobby frönen wird, der täuscht sich. «Ich könnte mir nicht vorstellen, jeden Tag Golf zu spielen. Es muss für mich immer eine Belohnung sein für die Arbeit, die ich zuvor geleistet habe. So macht es Spass.» Auch wenn er ab dem kommenden Jahr nicht mehr Chefarzt und Direktor ist, so will er doch mit einem grossen Pensum weiterarbeiten. Er wird seine Sprechstunde weiterführen, allerdings nicht mehr in Rheinfelden, sondern in der Reha-City in Basel, die ebenfalls zur Reha Rheinfelden gehört. «Ich freue mich, dass ich mehr Zeit für meine Patientinnen und Patienten haben werde.» Daneben bleibt er der Reha Rheinfelden als Senior Consultant für Neuropsychiatrie, Neuropsychologie und Psychosomatik erhalten und er wird das vor drei Jahren gestartete Lean-Projekt weiter begleiten. Hinzukommt eine neue neuropsychiatrische Spezial-Sprechstunde in der Klinik Schützen in Rheinfelden.

Als wäre das alles nicht schon genug, wird er im akademischen Bereich mit verschiedenen Lehraufträgen an der Universität Basel und der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig sein. Der Austausch mit Studierenden ist ihm wichtig. «Insgesamt ergibt das wohl fast wieder ein 100-Prozent-Pensum», sagt Ettlin. Da bleibt nicht viel Zeit, um künftig häufiger Golf zu spielen.


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