«Mein Führungsstil ist ein wenig konservativ»

  07.11.2021 Möhlin, Wirtschaft

Mit dem Apotheker Markus Kasper im Gespräch

Im Oktober 1981 wurde in Möhlin die Oberdorf-Apotheke gegründet. Vierzig Jahre später spricht die NFZ mit Inhaber Markus Kasper über sichere Roboter, die Zukunft und den hohen Preis der Gesundheit.

Ronny Wittenwiler

NFZ: Markus Kasper, wieviel Prozent Unternehmer steckt in Ihnen?
Markus Kasper:
Mittlerweile sind es zwanzig, dreissig Prozent. Das Unternehmertum musste ich mir zuerst aneignen. Am Anfang war ich purer Apotheker.

Aus unternehmerischer Sicht: Was war der grundlegendste Wandel in fast vierzig Jahren?
Die Digitalisierung in all ihren Facetten. Als ich begonnen hatte, musste ich jede zweite Woche während des Notfalldienstes neben dem Telefon sitzen, weil es noch nicht schnurlos war.

Heute müssen Sie nicht einmal mehr das Medikament aus der Schublade holen. Das macht ein Roboter.
Der Roboter ist aus verschiedenen Gründen eine gute Sache. Vorausgesetzt, du gibst das Rezept korrekt ein, bringt er stets die richtigen Medikamente. Das erhöht die Sicherheit. Ein solcher Kommissionier-Automat arbeitet zudem nach einem Verfalldatensystem: first in, first out. Ein Roboter statt Zugschubladen ist auch platzsparend.

Trägt Digitalisierung zu einem besseren Leben bei?
Vom vermehrten Wissen, das durch Digitalisierung ganz einfach abzurufen ist, profitiert der Mensch. Gerade auch bei sicherheitsrelevanten Dingen: Wenn bei uns auf dem Bildschirm beispielweise die Interaktion von Medikamenten aufgezeigt wird, lassen sich Fehler verhindern. Jede Medaille hat aber zwei Seiten.

Erzählen Sie.
Willst du als Unternehmer die Digitalisierung konsequent mitmachen, frisst sie auch viel Zeit. Die Pflege einer guten Webseite, die Bewirtschaftung deiner Kanäle in den sozialen Medien – andere machen sowas gerne. Ich würde diese Zeit lieber für anderes nutzen. Die Digitalisierung ist uferlos, du kannst beliebig in sie investieren, aber du musst dich fokussieren auf die wichtigen Dinge.

Was tut ein Apotheker für die Gesundheit seiner Mitarbeiter?
Da wir ein ziemlich grosses Team sind, können wir jeweils jedem fast eine halbe Stunde Pause morgens und eine halbe Stunde nachmittags gönnen. Genügend Ferien und genügend Pausen zwischen der Arbeit sind wichtig für die Erholung. Für mich sind Arbeitsklima und Arbeitszufriedenheit zudem matchentscheidend.

Wie ist Ihr Führungsstil?
Ein wenig konservativ (lacht).

Das heisst?
Obschon ich das immer wieder hinterfragte, bin ich mit den Pharma-Assistentinnen per Sie. Ich habe als Chef eine gewisse Distanz, glaube aber, dass ich gleichzeitig auch grosszügig bin. Ich versuche, Wünsche möglichst breit berücksichtigen zu können. Es ist eine Mischung zwischen Autorität und Kulanz.

In Ihrer Jubiläumsbroschüre steht, dass man auch die nächsten vierzig Jahre noch für Kunden da sein wolle.
Ich wäre dann über einhundert Jahre alt. Eine interne Nachfolgelösung ist vorgesehen in den nächsten ein bis zwei Jahren. Ich will die Apotheke nicht an eine Kette verkaufen. Ich fand das damals auch toll, als junger Apotheker selbst Entscheide zu treffen und nicht von einem Konzern gesteuert zu sein.

Sie sind jetzt 66. Sie scheinen sich ordentlich gehalten zu haben.
Das sind unsere Hausmittelchen (lacht).

HeutegibtesfüralleseinMittelchen.
Wir haben eine völlig übertriebene Medizin. Das Gesundheitswesen müsste nicht derart teuer sein. Es ist derart teuer, weil die Leute alles Mögliche wollen. Das stört mich.

Sagen Sie als Apotheker, der die Medikamente verkauft?
Sage ich als Apotheker! Eine Grippe oder eine Prellung behandle ich mit nichts. Ich weiss dann einfach, dass das jetzt halt ein paar Tage dauert. Oder wenn ich das Gefühl habe, ein Kunde braucht nichts, rate ich auch mal dazu, ein paar Tage zu warten und dann die Situation neu zu beurteilen.

Dass es für jedes Wehwehchen ein Mittel gibt: Ein Ausdruck davon, dass es uns zu gut geht?
Es existiert einfach diese Anspruchshaltung, dass man gar nie krank ist. Man will alles auf Knopfdruck erzwingen und immer fit und fröhlich und gesund sein – obschon man auch mal sagen muss: Jetzt bin ich halt einfach krank und steige ein paar Tage aus. Als Apotheker musst du dem Kunden stets etwas geben, das sofort den Erfolg bringt und ihn eine Stunde später wieder gesund macht. Sonst bist du der Versager.

Müssen wir wieder lernen zu akzeptieren?
Ich finde: ja. Es geht darum, dass man als Mensch gewisse Dinge auch akzeptieren kann, ohne deswegen gleich unglücklich zu sein.


40 Jahre Oberdorf-Apotheke

Im Oktober 1981 wurde die Oberdorf-Apotheke gegründet. Im Jahr 1985, eben erst das abgeschlossene Pharmaziestudium mit Doktorat an der Uni Bern in der Tasche, übernahm Markus Kasper den Betrieb. Der vermittelnde Treuhänder gab ihm eine Nacht, um über den Entscheid zu schlafen. Kasper, aufgewachsen in Zofingen, kannte zwar den Aargau richtig gut, «über Möhlin aber wusste ich so gut wie gar nichts. Ich dachte einfach: Das machst du jetzt.» Heute, 36 Jahre später, sagt Markus Kasper: «Ich würde es wieder so machen.» (rw)


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