Confiseur und Lebensretter

  09.08.2021 Rheinfelden

Richard Graf ist stadtbekannt – einerseits als Chef und Inhaber der Rheinfelder Confiserie Café Graf, anderseits als jederzeit bereiter Lebensretter, wenn jemand in den Wirbeln und Wellen des Flusses in Not geraten ist. Eines der zwei Boote der Rheinfelder Feuerwehr ist gleich neben seiner Café-Terrasse vertäut.

Edi Strub

Die Tische draussen im Garten sind schon um zehn Uhr gut besetzt, als ich mich mit dem Chef der «Confiserie Café Graf», Richard Graf, treffe. «Das Geschäft läuft gut gegenwärtig», sagt er. Viele seien diesen Sommer nicht ins Ausland ans Meer verreist, wie sie es vor Corona jeweils taten. Sie hätten sich wohl das «Theater» am Flughafen mit Covid-Zertifikaten und Tests ersparen wollen. Auch das Wetter spiele mit. Es habe zwar viel geregnet, aber dazwischen sei es auch immer wieder angenehm und sonnig gewesen. Schlimmer sei zum Beispiel der Sommer 2003 gewesen mit der enormen über Monate anhaltenden Hitze. Da habe man auch abends kaum im Garten sitzen können, es sei einfach zu heiss gewesen. Entsprechend schlecht lief das Geschäft. Noch schlimmer sei es in der Filiale in Basel gewesen. Dort wird nur Schokolade verkauft und das gehe bei Temperaturen von fünfunddreissig Grad und mehr einfach nicht. Man habe daher überlegt, in Basel im Sommer nur noch Glacé zu verkaufen und erst im Winterhalbjahr dann wieder Schokolade.

Unter Wasser
Als Geschäftsmann müsse man sich anpassen können, immer wieder stehe man vor unerwarteten Situationen. 1999 zum Beispiel setzte ein Hochwasser die gesamte Backstube, das Lager und die Abpackerei unter Wasser. «Alles war zerstört – fast wie 1962 beim Grossbrand.» Dann kam im letzten Jahr Corona. Der Betrieb des Tea-Rooms war verboten, auch die Terrasse am Rhein musste geschlossen werden. Ein Teil der Angestellten machte Kurzarbeit, andere beschäftigten sich mit dem Take-Away. Aber das sei natürlich kein Ersatz gewesen für den Umsatz im Café. Der Bundesrat habe aber Gottseidank gut reagiert – mit Kurzarbeitsentschädigungen und Notfallkrediten. So habe das Café diese schwierige Zeit gut überstanden. Es gab bei Graf Reserven, die man in guten Jahren angespart hatte.

Jede Krise habe auch ihr Gutes, sagt Graf mit Überzeugung. Sie zwinge das Unternehmen, sich zu erneuern und zu verändern. Auch Corona sehe er als eine Art Fitnessprogramm, das das Unternehmen letztlich besser und effizienter machen werde. Nach der grossen Überschwemmung 1999 habe man auch mit grossen Neuinvestitionen einen Schritt nach vorne gemacht. Man sei gut versichert gewesen und so habe man die ganze Produktion und Lagerung von Grund auf erneuern können. Neue Geräte seien angeschafft worden, die den Betrieb moderner und effizienter gestalteten. Gleichzeitig habe man den Hochwasserschutz verbessert. Beim Hochwasser dieses Jahr seien maximal 3600 Kubikmeter/Sekunde den Rhein runtergekommen. Das sei heute kein Problem mehr. Man werde auch gut vorgewarnt, weil man sehe, wenn die Thur oder die Aare extrem anschwelle. Früher seien sein Vater und der Onkel nächtelang in der Backstube gewesen, um bereit zu sein, wenn das Hochwasser kommt. Jetzt habe man Bretter bereitliegen, wenn das Wasser sich bei der Brücke zu stauen beginnt und die ganze Fröschweid unter Wasser zu setzen droht. Bei 5000 Kubikmeter/Sekunde sei dann aber Schluss. Dann würde das Tea-Room von Graf wohl kniehoch unter Wasser stehen.

Lebensretter
Richard Graf versteht viel von Wasser, Strömungen und den Gefahrenlagen, die damit verbunden sind. Denn er ist auch Lebensretter. Als Leiter der Rheinrettung der Feuerwehr Rheinfelden ist er viel auf dem Wasser. Neun bis elf Leute gehören zu dieser Gruppe, alle mit viel Erfahrung in Bezug auf Boote und bewegte Wasser. Einer ist Arzt, andere Zahnarzt, Skipper, Lokführer, Elektriker, Handwerker, Pontoniere und Kajakfahrer.

«Jeder dieser Leute kann eine Rettungsaktion durchführen, weiss, wie man vorgehen muss. Alle bringen aus ihren Berufen wertvolles und spezifisches Wissen mit.» Zwei Boote stehen zur Verfügung, eines steht beim Strandbad, das andere an der Schifflände gleich vor der Terrasse der Confiserie. Und so ist Richard Graf auch meist einer der ersten, der eingreifen kann, wenn jemand zu ertrinken droht. Fast wöchentlich findet eine Übung statt. Lebensretter müssen selbst im strudeligsten Wasser das Boot auf Kurs halten können. Der Rhein sehe zwar seit dem Bau des neuen Kraftwerks oberhalb des Stadtparks friedlich aus, aber vom Messerturm abwärts sei er sehr bewegt. Schwimmer müssten sich in Acht nehmen. Am besten sei, eine Schwimmweste zu tragen. Die meisten Leute seien auch vernünftig, am gefährdetsten seien wohl Einwanderer aus anderen Kulturen, die oft nicht gut oder gar nicht schwimmen könnten. Vielleicht würden sie auch die Warntafeln nicht verstehen.

Nachfolgeregelung
Wie geht es weiter mit der Confiserie Café Graf? Übernimmt eine vierte Generation? – «Das ist noch nicht klar», sagt Richard Graf, das müssten die Jungen entscheiden. Er wolle aber bis in ein paar Jahren Bescheid wissen. Das Unternehmen sei gut aufgestellt, um in den Händen der Familie zu bleiben. Die Confiserie sei eine Goldgrube, habe ihm kürzlich jemand gesagt. Ja, aber auch in einer Goldgrube müsse hart «gepickelt» werden, habe er entgegnet. Das hätten er und vor allem auch seine Frau immer gemacht. Und dazu müssten auch die Nachfolger bereit sein.


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