Bastian Santos und die Insel im Ozean
30.08.2021 MöhlinRund vier Monate lang hat er Burger gebraten, Hot Dogs zubereitet und Glaces verkauft. Jetzt ist Bastian Santos reif für die Insel und kehrt dorthin zurück, wo andere Ferien machen.
Ronny Wittenwiler
Er freut sich auf den Sand der Heimat, in den sich seine nackten Füsse graben werden. Vielleicht wird er sich auch einfach von den Wellen tragen lassen, sowieso könne er es kaum erwarten: «Salzwasser. Endlich wieder Salzwasser!» Bastian Santos ist reif für die Insel. La Gomera draussen im Ozean ist seine Heimat, der Schwimmbadkiosk in Möhlin ist im Sommer seine Welt.
Es duftet nach Schwimmbi
Die NFZ trifft sich mit dem 26-Jährigen, der mit vollem Namen Bastian Santos Hesse heisst; Santos ist der Nachname des Vaters, Hesse ist der Nachname der Mutter und La Gomera ist die zweitkleinste aller Kanarischen Inseln. Was aber macht ein junger Mann vom Paradies im schmucken Möhliner Schwimmbad? Für solche grosse Fragen gibt es einfache Lösungen: Der Kiosk gehört seinem Onkel, einem Deutschen. Bastian Santos geht ihm zur Hand, genau genommen ist er ihm sogar rechte Hand und darum sowieso rund um die Uhr anzutreffen an den heissen Sommertagen, wenn die kleinen Kinder mit ihren tropfenden Badehosen in einer Schlange stehen und sie der grosse Hunger plagt.
Dann gibt’s Burger und Hot Dogs, Pommes und Pizzen, dann läuft die Bude im Schwimmbi und weil’s so schön ist, mischt sich kostenlos der Duft von Chlor noch unters Ketchup. Vom Winnetou zur Rakete bis zum Cornet geht alles über den Tresen – vier Monate lang und wenn es nicht gerade wochenweise regnet: dann ist dieses Schwimmbad Möhlin für viele ein grosses Stück vom Glück und mittendrin dieser Mann von den Kanaren, der mittlerweile in seiner vierten Saison steht und nun auf einem der Plastikstühle vor dem Kiosk sitzt. Vorgezogener Ladenschluss. Die Luft wird kühler, das Schwimmbadwetter seltener.
Akklimatisation
«Ich liebe diese Arbeit hier», sagt Bastian Santos mit Blick auf die langsam auslaufende Saison, er spricht von unzähligen kleinen Freundschaften, die sich aus den zwar oft kurzen, aber regelmässigen Begegnungen mit den Gästen ergeben hätten. Der Insulaner ist längst zu einem geworden, dessen Gesicht man kennt hier unten, weil er eben dort steht, wo er eben fast immer steht: hinterm Tresen, im Schatten, ohne Platz an der Sonne, aber knapp daneben. «Schau, ich bin richtig blass geworden in den letzten Monaten», sagt er jetzt und lacht. Die Farbe wird wieder zurückkehren, bald schon nach der Rückkehr auf La Gomera, dort, wo seine Mutter damals ihr Herz verlor und somit auch diese Schwimmbadkiosk-Geschichte ein bisschen angefangen hatte.
«Sie ist Berlinerin», sagt Bastian Santos und erzählt, wie alles gekommen war. Die Mutter hatte bereits eine Tochter, Fernweh und einen Plan. «Mit der Tochter wollte sie den Kolumbusweg machen und lernte beim Zwischenhalt auf La Gomera meinen späteren Erzeuger kennen.» Zur Welt kam Bastian Santos zwar in Berlin, doch nach zwei, drei Wochen ging es bereits zurück nach La Gomera, der Heimat seines Vaters. Spanisch? Deutsch? Nein, er könne nicht wirklich sagen, in welcher Sprache er träume. Fest steht aber, dass er noch Träume hat. «Ich habe zum Beispiel noch nie richtigen Schnee angefasst», sagt er. «Auf dem Teide, dem höchsten Berg von Teneriffa, schneit es zwar im Winter. Das ist aber kein richtiger Schnee – das ist eher so wie unser gefärbtes Slushy-Ice, das wir hier im Kiosk servieren.»
Der Sonne entgegen
Zuerst, das ist so sicher wie ein Regentag im Fricktaler Hochsommer 2021, packt Bastian Santos auf dem Campingplatz nebenan seine sieben Sachen und er macht sich wieder auf den Weg nach Hause. Er freut sich auf den Sand, die Wellen und das Meer, darauf, sich nach einem betriebsamen Möhliner Sommer einfach mal hinzulegen, das Leben zu geniessen. Treiben lassen. Als richtiger Insulaner wisse man, wie sowas geht. «Wir lehren die Menschen vom Festland immer wieder, wie man zur Ruhe kommt», sagt Bastian Santos Hesse und sagts dem, der bald ein Tourist oder – noch besser: verzaubert – werden möchte: «Diesen Sonnenuntergang musst du einmal im Leben gesehen haben.» La Gomera, Insel im Ozean. Am 6. September geht sein Flug der Sonne entgegen. Von Kloten nach Teneriffa, danach mit der Fähre nach Hause. Bis zum Wiedersehen im Möhliner Badi-Sommer 2022.
Apropos
Das Internet, insbesondere Google, weiss: Kolumbus legte auf seinem Weg in die Karibik tatsächlich auf La Gomera einen Zwischenhalt ein und frischte Wasservorräte auf. Die Mutter von Bastian Santos aber, auf Kolumbus Spuren, sie kam von La Gomera nie mehr weg. Seine Eltern sind immer noch zusammen.
Leben vom Tourismus auf La Gomera:
Nach seiner Schulzeit absolvierte Bastian Santos eine Ausbildung als Koch und arbeitete einige Jahre in einem Restaurant, er jobbte danach in verschiedenen Funktionen, stets für die Tourismusbranche: als Ticketverkäufer für Walbesichtigungen und für den Fährbetrieb, als Begleiter auf Touristenbooten, in der Autovermietung. «Ich hatte viele Jobs», sagt Santos.
«Man macht, was man gerade so bekommt.» Die Uhr tickt anders auf La Gomera.