Abschied von Stiller Has in Schupfart

  03.08.2021 Schupfart

Während drei Jahrzehnten gehörten Stiller Has mit Endo Anaconda zu den grössten Attraktionen an Festivals und Mundart-Anlässen. Nun ist Schluss damit. Mit einer letzten Tour durch die Schweiz beendet Stiller Has die Laufbahn. Am Freitagabend gastierte Anaconda mit seiner Band in der Turnhalle in Schupfart.

Edi Strub

Die Veranstalter «Rock The Thing» hatten keine Mühe gescheut, den Turnhallen-Mief mit etwas Clubatmosphäre aufzulockern. Die Wände waren mit schwarzen Tüchern abgedeckt, an der Decke hing ein Fake-Kristall-Kronleuchter und die Gäste, es waren nicht besonders viele, sassen in bequemen lila Clubsesseln. Vor sich hatten sie ein Apfel-Harassli als Tischchen. Und als die Scheinwerfer angingen und Endo Anaconda mit seinem gewohnt leicht stolpernden Gang auf die Bühne stürmte, gab es schon mal einen kräftigen Vorschuss-Applaus.

Melkmaschinen als Beatmungsgeräte
Stiller Has spielt in neuer Zusammensetzung mit den hervorragenden Boris Klecic an der Gitarre und Roman Wyss am Keyboard. Gespielt wurden Stücke aus dem neuen Album «Pfadfinder», aber auch alte Hits wie «Wallisellen», «Nachtzug», «Feissi Mäitli», «Zwärg». Dazwischen erzählte Anaconda Geschichten. Zum Beispiel über den lockeren Umgang mit Covid im Emmental, wo er seit einiger Zeit wohnt. «Im Emmital hett niemer Angscht vor em Virus. Und wenn doch eine chrank würd, chönt me im Notfall e Melchmaschine zom Beatmigsgrät umboue.» Oder: «Bi der CS isch die alti Troppe gange. Der neu heisst Thomas Gottstein. U wenn’s mit dem Neue net klappe sött, chont der Thomas Gottschalk.» Sprüche wie an der Basler Fasnacht, nur eben auf Berndeutsch und manchmal auch auf Wienerisch, das für Anaconda nach einem langen unglücklichen Lebensabschnitt in Österreich zu einer Art zweiten Mundart wurde.

«E glungne Siech»
Dem Publikum gefiel es. Es war so, wie es immer gewesen war mit dem Stillen Has. Nur ohne Alkohol und Aussetzer. «Er isch eifach e glungne Siech. Ich los em gärn zue. Er verzelt gueti Gschichte», meinte Stefan Gygax in der Pause. Kennen gelernt hat Gygax Anaconda am Rockfestival in Brienz, seine Songs liefen auch im Auto seines Vaters – zum grossen Amüsement von Gygax’ Tochter. Ramona Näf, die mit ihrem Freund extra von Küttigen nach Schupfart gefahren war, um Stiller Has noch einmal zu hören, war Anaconda zum ersten Mal in einer SRF-Themensendung über Märchen begegnet. Denn da wurde zwischen den Filmen immer wieder «S’Märli» vom Stillen Has gespielt. Das habe ihr gefallen. Einen besonderen Akzent am Konzert in Schupfart setzte der Banjound Gitarren-Spieler Klecic. Immer wieder mal setzte er zu einem Solo an und verdichtete und variierte die Melodien. «Richtig jäzzig,» nickte Endo Anaconda anerkennend. Gegen Schluss kippte die Stimmung mit den Songs «Flop» und «Chlyne Tod» ins Wehmütige: «Chlyne Tod, chom met mer cho tanze.» Und: «Chlyne Tod, wenn ben eh drah?» fragt er.

Ganz so weit ist es wohl doch noch nicht. Anaconda geht es ohne Alkohol und Drogen wieder viel besser, sagt er. Grosse anstrengende Tourneen wie früher mag er zwar nicht mehr unternehmen. Aber Musik machen und Geschichten schreiben, wird er wohl weiterhin. Und auch die Bühne mag er wohl zu sehr, um ganz aufzuhören.

Nur eines scheint festzustehen: Zurück in die Stadt Bern gehe er nicht mehr. Dort habe es zu viele Kneipen und festfreudige Kollegen. Anaconda bleibt im Emmental. In Bern sei er nie allein gewesen, aber oft einsam. Im Emmental sei es umgekehrt. In «Chräie» sinniert er darüber. Und dann will er sich noch ein Senioren-GA anschaffen. «Wenn das kein Schritt in die richtige Richtung ist?», fragte er kürzlich im Bieler Tagblatt.


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