Holzbrücke trotzt reissenden Fluten

  20.07.2021 Stein

Die ständig wechselnden Pegelstände des reissenden Hochwassers im Rhein werden von Behörden mit Argusaugen verfolgt. Heerscharen von Neugierigen lockt die von den wilden Fluten umspülte historische Holzbrücke in Stein an.

Paul Roppel

Die weltbekannte Kapellbrücke in Luzern musste letzte Woche aus Sicherheitsgründen wegen des über die Ufer getretenen Hochwassers vom Vierwaldstättersee geschlossen werden. Diese Unmenge an Wasser rauscht ein zweites Mal an dem ebenso Eindruck machenden Pendant im Rhein zwischen Stein und Bad Säckingen vorbei, das zugänglich geblieben ist: Auf sicherem Boden des 204 Meter langen historischen Bauwerks, folglich als die längste gedeckte Holzbrücke in Europa angepriesen, lassen sich Heerscharen von Schaulustigen von den tosenden und Vibrationen auslösenden Fluten faszinieren. Solide verankert lagert die seit 1979 für den motorisierten Verkehr gesperrte Holzbrücke auf sechs massiven Pfeilern, die während des Kraftwerkbaus von 1961 bis 1963 neu fundiert und verstärkt worden waren. Zudem wurde das Rheinbett um drei Meter tiefer gelegt. Obwohl links auf Schweizer Seite der Uferweg stellenweise und rechts auf Deutscher Seite der grösste Teil der Uferpromenade über eine Woche überflutet war, befand sich der Brückenboden noch gut zwei Meter über den reissenden Fluten. Bis zu 3500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde rauschten unter der Brücke durch.

Pegelstand wird beobachtet
Beim letzten Jahrhundertwasser vom 13. Mai 1999 waren über 4600 Kubikmeter pro Sekunde gemessen worden. «Zwischen Wasserspiegel und Holzkonstruktion verblieben gerade noch zirka 20 Zentimeter Luft», hält eine Informationstafel mit entsprechendem Foto in einer Brückennische fest. Im August 2007 folg te eine Überschwemmung mit 4100 Kubikmetern pro Sekunde und am 1. Juni 2013 im Ausmass analog letzter Woche. Noch gut erinnern an das Jahrhundertwasser vermag sich der in Bad Säckingen aufgewachsene und damals 19 Jahre alte Mark Jagenow. Er ist heute stellvertretender Kommandant der Feuerwehr Bad Säckingen und somit zusammen mit weiteren Abteilungen der Stadt bei Massnahmen aus dem Hochwasseralarmplan involviert. Die Stadt ist seit 1979 Eigentümerin der Brücke. «Wir beobachten den gemessenen Pegelstand in Hauenstein intensiv», erklärt Jagenow der NFZ. Der Pegelstand löst gemäss Sicherheitskonzept stufenweise Massnahmen aus. So werden die Rheinuferwege ab 2500 Kubikmeter pro Sekunde aus Sicherheitsgründen gesperrt. Ab der 2800-er Kubikmetermarke müsse mit der Überflutung der Gartenanlage Gettnau beim Rheinknie gerechnet werden. Die 4000-er Marke habe die vorsorgliche Sperrung der Brücke zur Folge.

Treibholz als Problemmacher
Auf einer Informationstafel bei der Brücke werden bei Wassermassen «ab 5000 Kubikmetern pro Sekunde Notmassnahmen zur Rettung der historischen Holzbrücke» postuliert. Wie vielerorts gehört, dass dann die beidseitigen Brückenwände entfernt werden, dies kann Jagenow nicht bestätigen. «Bei dem Einsatz würden unter hohem Risiko Menschenleben gefährdet», argumentiert er. Das Treibholz und die massiven Baumstämme in den Fluten seien die Problemverursacher, denn diese würden trotzdem an den Verstrebungen der Brücke hängen bleiben, gibt er zu bedenken.

Die grossen Baumstämme im Hochwasser sind auch beim kleinsten Brückenjoch in der Steinbrücke in Rheinfelden ein Problem, wo die Stadt Eigentümerin ist. «Wir haben vorsorglich über eine mögliche Brückenschliessung informiert», sagt Stadtrat Walter Jucker, der für das Ressort Sicherheit zuständig ist. Er geht davon aus, dass bei einem Durchfluss von etwa 4000 Kubikmetern pro Sekunde der Durchgang für Schwemmholz problematisch wird. Deshalb müsse ein Kran auf der Brücke platziert werden, der dieses heraushole. Das Passieren wäre nicht mehr möglich, was die Sperrung zur Folge habe. Die Entscheidung wird hier auf Schweizer Seite gefällt, was sich diesmal erübrigt hat, denn nach dem Peak von Freitagnacht mit rund 3500 Kubikmetern pro Sekunde reduzierte sich der Durchfluss seither kontinuierlich.


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