«Frauen verkaufen sich schlechter als Männer»
25.06.2021 Rheinfelden«Round Table» zu 50 Jahren Frauenstimmrecht in der Schweiz
Am Mittwochabend diskutierten fünf Frauen über ihre Stellung in der Gesellschaft. Das Fricktaler Museum nahm das 50-Jahr-Jubiläum des schweizerischen Frauenstimmrechts als Anlass, zu einem «Round Table» in die Trinkhalle des Kurbrunnens einzuladen.
Janine Tschopp
«Ich musste kämpfen, dass ich an die Lehrerkonferenz durfte», erzählte eine Frau aus dem Publikum, die damals die einzige weibliche Lehrperson an der Bezirksschule war. Eine andere Besucherin erinnerte sich daran, dass der Primarlehrer sie nach Hause schickte, weil sie damals, vor über 65 Jahren, mit Hosen in die Schule ging. Sie hätte wie alle anderen Mädchen einen Jupe oder einen Rock mit Schurz tragen müssen.
«Aus der Stadt vertrieben»
Diemuth Königs, Historikerin und Verfasserin zahlreicher Publikationen zum Thema Frauen, war eine Teilnehmerin der Gesprächsrunde und berichtete darüber, was Mütter unehelicher Kinder zu früheren Zeiten in Rheinfelden durchmachen mussten. «Das war ganz schlimm. Nach einem demütigenden Prozedere in der Kirche wurden sie aus der Stadt vertrieben.» Sie fügte an: «Soziale Stigmatisierung fällt bei Männern weg.»
Seither ist in Bezug auf die Stellung der Frau viel passiert. Nach einem langen Kampf und viel später als in anderen demokratischen Ländern haben die Frauen 1971 in der Schweiz das Stimm- und Wahlrecht erhalten. Aus der Diskussion ging deutlich hervor: Auch wenn heute vieles besser ist als früher, gibt es noch immer Rahmenbedingungen sowie Haltungen in der Gesellschaft, welche einer Gleichstellung im Weg stehen. Claudia Rohrer, Rechtsanwältin, frühere Feuerwehrkommandantin, Grossrätin und angehende Stadträtin in Rheinfelden, nennt ein Beispiel: «Männer, die Teilzeit arbeiten, werden im Lohn tiefer eingestuft.» Und als sie damals aufgrund ihrer Funktion als Feuerwehrkommandantin ihr Pensum auf 80 Prozent reduzieren wollte, wies sie ihr Chef darauf hin, dass ihre Chancen für eine Beförderung schwinden werden.
«Es braucht Toleranz»
Gaby Gerber, Mitglied der Geschäftsleitung bei Feldschlösschen, wurde bisher kaum mit Ungleichbehandlung konfrontiert. «Ich wurde sogar befördert, als ich schwanger war.» Was ihr jedoch in ihrer Führungsposition auffällt, ist, dass Frauen oftmals weniger Selbstvertrauen haben als Männer: «Frauen verkaufen sich schlechter als Männer.» Während ihrer Kandidatur zur Nationalrätin erlebte sie, dass sie im Wahlkampf immer wieder aufs «Frausein» reduziert wurde. «Dabei wollte ich über Themen wie Finanzpolitik und Rahmenabkommen diskutieren.»
Anna Tina Heuss, PR-Beraterin und selbständige Unternehmerin, sprach am Mittwochabend deutliche Worte: «Solange wir Frauen immer gefragt werden ‹Wie bringst du Arbeit und Kinder unter einen Hut?›, solange sind wir keinen Schritt weiter.»
Die Rheinfelder Stadträtin Susanna Schlittler findet auch, dass wir noch nicht am Ziel sind, aber sich gegenüber früher einiges verbessert habe: «Heute ist es selbstverständlich, dass Männer bei der Kindererziehung mithelfen.»
Am «Round Table» wurde auch diskutiert, dass Frauen, welche ihre Karriere nach der Geburt ihrer Kinder weiterverfolgen, oftmals von Frauen verurteilt werden. «Jeder Mensch kann selber entscheiden, wie er Beruf und Familie handhaben möchte. Es braucht die Toleranz zu akzeptieren, dass andere es anders machen», sagte Gaby Gerber dazu.
«Wir sind auf dem Weg, auch wenn er noch lang ist.» Mit diesen zusammenfassenden Worten schloss Ute Gottschall, stellvertretende Leiterin des Fricktaler Museums, die Gesprächsrunde am Mittwochabend ab.