Witte's Welt

  16.04.2021 Kolumne

Es war einmal: das Mandelmärchen

Ronny Wittenwiler

Kürzlich im Volg traf ich einen Kollegen, der dringend Mandeln brauchte: «Meine Frau will einen Kuchen backen.» Ich war neugierig: «Du hast sie noch?» – «Logisch. Wir haben ja auch erst geheiratet.» – «Ich rede von den Mandeln.» – «Aha, ja. Meine Mandeln hab’ ich noch. Die geb’ ich auch nicht her für den Kuchen.» Jetzt kippte die Frau an der Kasse um und wir beide gerieten in nostalgisches Schwelgen. Hat nicht jeder über Vierzig entweder seine Mandeln nicht mehr oder er kennt einen, der sie nicht mehr hat und liefert sofort die obligatorische Geschichte dazu, denn was gab es im Spital als Gegenleistung für die Mandeln waseliwas? Richtig: Glace! Glace. Und nochmals Glace. Mein Bruder zum Beispiel. Der liess sich als Kind die Mandeln sogar in Etappen rausnehmen, so verrückt war der nach Glace. Noch heute sitzen Menschen zusammen und schwärmen von den guten alten Zeiten, als es noch glückliche Kinder und Mandeloperationen im Akkord gegeben haben soll. Daran erinnern kann sich zwar keiner wirklich, aber egal. Hauptsache Mandeln raus und Glace rein. «Und du?», fragte mich jetzt der Kollege im Volg, der sich mittlerweile für Nüsse entschieden hat: «Du hast deine Mandeln noch?» – «Ja.»

Ich weiss. Das klingt nach einer harten Kindheit. Aber keine Sorge. Mir haben sie dafür mal zehn Zentimeter Darm entfernt. Das war also auch richtig spitze. Buchstabensuppe, soviel ich wollte!

witte@nfz.ch


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