Minusgrade in der Blütezeit

  20.04.2021 Fricktal, Natur

Frostnächte nehmen in den vergangenen Jahren immer mehr zu

Seit Ostern fällt das Thermometer nachts regelmässig unter die 0-Grad-Grenze. Die Frostnächte setzen den blühenden Obstbäumen teilweise massiv zu. Massnahmen sind notwendig.

Susanne Hörth

«Wir bibbern», sagt Helen Schmid vom Erlenhof in Wittnau. Sie spricht damit die aktuell gehäuften Frostnächte und deren Auswirkung auf die Obstkulturen an. «Es ist heuer extrem», meint sie. «Viele Kirschen sind erfroren.» Auch Andy Steinacher, Obstbauer aus Schupfart und Präsident der Aargauer Obstproduzenten, verwendet den Begriff «extrem». Er meint damit in erster Linie die Wetterveränderungen. Früher seien grosse Ernteausfälle durch Frosteinbrüche zirka alle zehn Jahre vorgekommen. Das habe sich verändert. Steinacher erinnert an den massiven Frosteinbruch und seine Folgen von 2017. Weniger schlimm waren die beiden Folgejahre. «2020 traf der Frost dann die Kirschen. Wir konnten den Markt gerade noch einigermassen decken.» Seit Ostern dieses Jahres fällt das Thermometer nachts regelmässig unter die 0-Grad-Grenze. Am 7. April bedeckten zudem mehrere Zentimeter Schnee die teilweise offenen Blüten. «Besonders schlimm ist es dann, wenn in der Nacht noch die Verdunstungskälte hinzukommt», so Andy Steinacher. «Eine Blüte verträgt in trockenem Zustand zwei bis drei Grade unter null. Ist sie nass, kommen mit der Verdunstungskälte nochmals zwei bis drei Minusgrade dazu, dann erfriert die Blüte.» Von den frostigen Temperaturen der letzten zwei Wochen sind insbesondere die Aprikosen, Kirschen, Zwetschgen und dann das Kernobst betroffen

Wie Andy Steinacher stellt auch Andi Häseli die Häufung von Frühjahrs-Frostereignissen in den letzten sieben bis acht Jahren fest. Häseli arbeitet beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick in der Gruppe Anbautechnik Obstund Weinbau. Er sagt: «Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Klimawandel dazu beigetragen hat.» Beim FiBL berät man aufgrund der gehäuften Frostereignisse noch intensiver über die möglichen indirekten und direkten Vorkehrungen, um die Frostgefahr zu verringern.

Welche Massnahme hilft?
Die Situation sorgt aktuell für einen regen Austausch unter den Obstproduzenten, erklärt Andy Steinacher. In seinen Anlagen wird zurzeit geheizt. Fabian Baumgartner, Versuchstechniker für Obst- und Beerenbau beim FiBL, verweist unter anderem auf das seit Ostern installierte Regendach, welches auf der FiBL-Kirschenanlage ein guter indirekter Schutz vor Strahlungsfrost biete.

Anders sieht es laut Baumgartner bei den FiBL-Aprikosenkulturen aus, die bereits Mitte März in Vollblüte standen. «Im Freiland werden zur aktiven Beheizung Frostkerzen verwendet, sofern es die Wetterbedingungen zulassen. Im gedeckten Anbau werden wir einen Pelletofen testen, der mit einem Gebläse einen Konvektionsstrom erzeugt und so die Wärmeenergie verteilen kann.» Eine Frostnacht mit tiefen Temperaturen könne reichen, um einen massiven Ernteausfall zu erleiden, geht Baumgartner zudem auf die Situation von Obstproduzentinnen und -produzenten ein. Diese würden, wenn es zu einem Totalausfall käme, nichts verdienen. Das Risiko von finanziellen Verlusten spricht auch Andy Steinacher in seiner Funktion als Präsident der Aargauer Obstproduzenten an. Es sei in Sachen Ernteausfallversicherung etwas im Tun, macht er Hoffnung auf eine Verbesserung.

Die Arbeit in und mit der Natur
Zum heutigen Zeitpunkt anzugeben, wie hoch der frostbedingte Verlust bei der Ernte sein wird, wäre laut Steinacher ein reines «Kaffeesatz-Lesen». Was er aber definitiv sagen kann: «Wenn solche Mächte, dazu gehören eben Frost, Hagel oder auch Trockenheit, angesagt sind, so sitzt man als Produzent immer auf Nägeln.» Und immer stelle sich dann auch die Frage, was macht man am besten in dieser Situation. Helen Schmid fügt an: «Wichtig ist, dass man die Bäume auch nach erfrorenen Blüten nicht einfach ihrem Schicksal überlässt, sondern sie wie gewohnt hegt und pflegt.»


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