hesch gwüsst?

  13.04.2021 Kolumne

Die Hübschlerinnen und das Kerbholz

Robert Conrad

Verheiratete Frauen durften sich im Mittelalter nicht aufhübschen, aber sie waren an ihren Hauben als solche erkennbar und deshalb für die übrigen Männer tabu.

Ganz anders die Prostituierten; diese Frauen durften sich, im Gegensatz zu den verheirateten Frauen aufhübschen – dies vermutlich aus «Marketing-Gründen». Denn der Puder und die Farbe im Gesicht sollten sicherlich vom Gestank ablenken; in mittelalterlichen Zeiten kannten auch diese Damen das Wort Hygiene eher nicht. Und so bezeichnete man diese Frauen eben als die Hübschlerinnen. Diese trugen als Erkennungsmerkmal bunt gestreifte Kleider und arbeiteten in sogenannten «Frauenhäusern» – die Wertung dieses Wortes hat inzwischen «leicht mutiert» – heute würde man diese Häuser eher als Bordelle benennen.

Eine andere Art sich zu prostituieren praktizierten die Frauen, die nicht an einem festen Wohnort arbeiteten, sie waren ständig auf Wanderschaft und besuchten mit ihren bunt gestreiften Zelten grössere Märkte und Volksfeste – dazu gehörten auch öffentliche Hinrichtungen, die regelmässig in Volksfeste ausarteten.

Die Hübschlerinnen in den Frauenhäusern waren, wie die grosse Mehrheit der Bevölkerung auch, Analphabetinnen. Lesen und Schreiben waren ja auch keine Voraussetzung, diesen Beruf erfolgreich ausführen zu können. Die Wirtinnen (es waren meistens Frauen; sehr oft betrieben die Ehefrauen von Scharfrichtern diese Häuser), mussten eine Art Buchhaltung führen, um die Damen wöchentlich entlöhnen zu können. Dies führte in vielen Häusern dazu, dass für jede der Hübschlerinnen ein Stück Holz zurechtgeschnitten wurde, auf dem jeder Freier mit einer Kerbe «notiert» wurden. So wusste die «Frauenhaus-Mutter» anhand dieser Kerbhölzer ganz genau, wie viele Gäste die einzelnen Damen «bedient» hatten. Und so verdiente jeweils die Hübschlerin am besten, die am meisten auf dem Kerbholz hatte.


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