Lena und die Lust am Lesen

  12.03.2021 Möhlin

Die Bibliothek Möhlin: Das Projekt «Lesetandem» rollt weiter

Ausgebremst zwar von Corona, wurde das Tandem nicht zu Fall gebracht. Lena (8) macht vor, wie’s geht. Zusammen mit Beifahrerin Gisela Rickenbach.

Ronny Wittenwiler

August 2019. Wer aufspringt, braucht sich nicht mühsam abzustrampeln. Auch benötigt hier niemand einen Sturzhelm. «Lesetandem» heisst das vom Kanton initiierte Projekt zur Sprachund Leseförderung von Kindern, an dem sich die Bibliothek Möhlin beteiligt. Dabei treffen sich sogenannte Lesementorinnen einmal wöchentlich in den Räumlichkeiten der Bibliothek und lesen gemeinsam mit Kindern ab der zweiten Klasse während 45 Minuten Texte, Comics und Bücher. Andrea Fischler, Leiterin der Bibliothek Möhlin, freute sich damals über einen geglückten Start, das Tandem nahm Fahrt auf. Fischler erklärte damals auch, wohin die Reise gehen soll und welche Sackgasse nicht angesteuert werden will: «Das Angebot ist in keiner Weise als Nachhilfeunterricht zu verstehen. Es geht nicht darum, Kindern das Lesen beizubringen, sondern ihnen die Freude am Lesen zu vermitteln.» Dass mit Lust, dafür ohne Zwang, so manches besser geht, dürfte dabei kein Geheimnis sein.

Gemeinsam geht es besser
Mittlerweile ist das Projekt im zweiten Jahr unterwegs, geblieben ist die Begeisterung, geblieben sind auch die Lesementorinnen, obschon für einen längeren Moment gar nichts mehr ging. Corona sorgte im Frühling 2020 für platte Reifen am Tandem, weil auch die Bibliothek gezwungen war, ihre Türen zu schliessen. Erst im September 2020 konnte es weitergehen. Jetzt aber rollt das Tandem wieder und als die NFZ zu Besuch ist, kommt Lena auch gleich angerauscht. Lena, acht Jahre alt, eine aufgeweckte Zweitklässlerin aus dem «Fuchsi»-Schulhaus, fährt aufs Tandem ab, denn – siehe da – zu zweit geht das mit dem Lesen bei ihr gleich schon viel besser. Neben Lena am Tisch sitzt Gisela Rickenbach, Olsberg, sie geht nicht mehr zur Schule, dafür ihre Grosskinder, und zwar in Möhlin, weshalb sie manchmal nach Möhlin kommt, um sie zu hüten. Gisela Rickenbach ist Lesementorin der ersten Stunde, sie erinnert sich: «Als ich in der Bibliothek war, hat mich Andrea Fischler für das Projekt angefragt. So habe ich dann gesagt: also guet.»

Seither begleitet Rickenbach einmal pro Woche während 45 Minuten «ihr» Kind auf dem Lesetandem durch die Welt der Sprache. «Ich lese selbst gerne und ich lese auch meinen Enkeln vor. Sie lieben es heiss und innig», sagt Rickenbach, um humorvoll nachzuschieben: «Auf jeden Fall zwei von ihnen.» Normalerweise sind Rickenbach und Lea in anderer Besetzung unterwegs. Heute allerdings springt Rickenbach ein, weil Lenas Lesementorin ausnahmsweise passen muss. Die beiden haben sich vorher nicht gekannt, zwei Minuten später sind sie bereits ziemlich f lott im Duett unterwegs, und man erinnert sich an Andrea Fischlers Worte: «Es geht darum, Kindern die Freude am Lesen zu vermitteln.» Lena machts vor. Gisela Rickenbach auch.

Lesementorinnen und Lesementoren gesucht
Und so soll das Lesetandem auch im kommenden Schuljahr 2021/2022 weitergeführt werden. Interesse ist vorhanden. Obschon Corona dazwischengefunkt hat, kommen noch immer acht Mädchen und Buben in den Genuss, einmal wöchentlich mit einem erwachsenen Sparringpartner die Lust am Lesen zu entdecken. Zudem stehen bereits fünf weitere Kinder auf einer Warteliste fürs kommende Schuljahr – weshalb die Bibliothek Möhlin jetzt auch zusätzliche Lesementorinnen oder Lesementoren sucht. Während des ersten Corona-Lockdowns habe die Verbindung zu den Schulen beziehungsweise zu den Lehrpersonen gefehlt, sagt Andrea Fischler. «Wir merken, dass das Interesse für das Projekt steigt. Es melden sich Lehrer, die sich nach freien Plätzen für ihre Schülerinnen oder Schüler erkundigen.»

Generationen im Miteinander
Sie glaube, das Lesetandem erfülle auch eine soziale Funktion, sagte Fischler im August 2019, als das Projekt Fahrt aufgenommen hatte. In diesem Miteinander würden beide Generationen voneinander profitieren, meinte sie. Im März 2021 sitzt Gisela Rickenbach am Tisch in der Bibliothek und sagt: Sie wäre bereit, für ein weiteres Kind als Lesementorin zur Verfügung zu stehen. Und Lena? Sie lächelt in die Kamera, und das nicht bloss, weil man ihr gesagt hat, sie würde schon bald in der Zeitung kommen; nein: Lena entdeckt gerade die Lust am Lesen.

Ab kommendem Schuljahr werden wieder neue Lesetandems gebildet. Das Angebot ist kostenlos und freiwillig, aber verbindlich. Kontakt für weitere Informationen: «bibliothek@moehlin.ch», Telefon 061 855 33 90

bibliothek.moehlin.ch

 


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