Eine Bibliothek mit grosser Geschichte und schönem Ausblick

  07.03.2021 Rheinfelden

Von der Bücherkammer zum modernen Zentrum für Medien: Seit 125 Jahren gibt es die Stadtbibliothek Rheinfelden.

Valentin Zumsteg

Die Rheinfelder müssen Bücherfreunde sein – wie anders ist es zu erklären, dass die Stadtbibliothek heute an zentraler Lage in der Marktgasse beheimatet ist. Und nicht nur das: Die Bibliothek verfügt über eine der schönsten Rheinterrassen im Städtchen. Wer hier zum Buch greift, sich vielleicht im Bibliothekscafé noch etwas zu trinken holt – wenn dies wieder möglich ist – und dann den Blick über den Rhein ins Badische schweifen lässt, der ist vom irdischen Paradies nicht mehr weit entfernt.

Seit 125 Jahren verfügt Rheinfelden nun über eine Stadtbibliothek. Kommt sie heute modern und grosszügig daher, waren ihre Anfänge äusserst bescheiden. Lassen wir doch kurz unsere Fantasie walten und stellen uns vor, dass wir ein Buch über die Geschichte der Stadtbibliothek Rheinfelden in unseren Händen halten. Wenn wir ganz vorne in diesem imaginären Buch zu blättern beginnen würden, dann fänden wir dort einen Eintrag aus dem Protokoll des Stadtrates von 1896: «Verschönerungs- und Kurverein hier teilt mit, dass er eine unter seinem Protektorate stehende Stadtbibliothek zu gründen beschlossen habe, welche der Einwohnergemeinde zu unveräusserlichem Eigentum übergeben werde. Die Bibliothek wäre gegen eine kleine festzusetzende Gebühr von jedermann benützbar und würde durch eine Kommission, gewählt vom Verschönerungs- und Kurverein und Gemeinderat, verwaltet. Ein Mitglied der Kommission würde durch letztern gewählt, zwei Mitglieder vom erstem. Der Verein wünscht zu vernehmen, ob der Gemeinderat das ihm zugedachte Mandat annehmen wolle, und ersucht um eventuelle Vornahme der Wahl des dritten Mitgliedes in die Kommission.» Der Stadtrat war diesem Ansinnen gegenüber positiv eingestellt: «Als Mitglied der vom Verschönerungsund Kurverein angeregten Bibliothekskommission wird, nachdem der Gemeinderat sich mit der Gründung einer solchen Institution grundsätzlich einverstanden erklärt, beschlossen, es sei als drittes Mitglied der Kommission (bestehend aus HH. Rektor Essig und R. Hunziker) und zugleich als Vertreter des Gemeinderates Hr. E. Späthe, Buchhändler in hier, gewählt und von dieser Wahl dem Verschönerungs- und Kurverein Kenntnis zu geben.» So prosaisch begann sie also, die Rheinfelder Bibliotheksgeschichte.

Hinter der Schranke sind die Bücher
Das erste Domizil war ein hoher, dunkler Raum im Hugenfeldschulhaus, Parterre rechts. Schon in der Anfangszeit verfügte die Bibliothek über einen ansehnlichen Bücherbestand, rund 2000 Bände sollen es gewesen sein. Doch die Leserschaft konnte nicht einfach zwischen den Gestellen flanieren und in den Büchern schmökern wie dies heute selbstverständlich ist. Da war eine Schranke, die den Zugang versperrte. Wer ein Buch ausleihen wollte, musste im Katalog blättern und die gewünschte Publikation bestellen, die ihm schliesslich über den Schalter gereicht wurde.

Die nächste Station der Bibliothek war ein neuer Raum im Hugenfeldschulhaus; auch wieder im Parterre, diesmal aber die erste Tür rechts. Doch auch dort erhielten die Leserinnen und Leser keinen freien Zugang zu den Werken, es blieb eine Schranke. Diese verschwand erst im dritten Domizil, einem ehemaligen Bauernhaus am Bertschiberg, heute Bahnhofstrasse respektive Zähringerplatz. Dort durften die Abonnenten die Bücher selber aus den Regalen nehmen. Es gab auch viele Bilderbücher für die Kleinsten sowie eine gut dotierte Jugendabteilung.

Das war zwar schon deutlich besser als bisher, doch immer noch keine moderne Bibliothek. Jahrelang bestürmte die Bibliotheks-Kommission den Stadtrat, er möge doch eine der Stadt Rheinfelden würdige Bibliothek erstellen. 1978 kam man diesem Ziel ein grosses Stück näher: Die Gemeindeversammlung genehmigte einen Betrag von 560 000 Franken für eine neue Bibliothek an der Rindergasse 6 in Rheinfelden, wo früher ein Kuh- und Rossstall untergebracht war. Nach dem Umbau erfolgte die Eröffnung im Mai 1979. «Blickfang der neuen Bibliothek sind die beiden grossen, bis auf den Boden reichenden Fenster, die sich für die Ausstellung neuer Bücher ausgezeichnet eignen. Ein Schild mit einer Eule und der Aufschrift Bibliothek weist den Lesern den Weg in den hellen und geräumigen Raum», wird die damals neue Bibliothek in einer Broschüre beschrieben. Für die Kinder gab es Sitzstufen, die rege genutzt wurden. Den Erwachsenen und Jugendlichen standen zudem vier gemütliche Leseecken zur Verfügung, die nicht nur von Bibliotheksbenützern geschätzt wurden, sondern allgemein als Aufenthaltsort dienten. «Die neue Bibliothek war professionell und harmonisch gestaltet. Insgesamt ergab die Einrichtung ein schönes, einheitliches Gesamtbild. Durch die Holztäfer an der Decke und den Kokosfaserteppich hatte der Raum einen rustikalen Charme», erinnert sich Barbara Scholer. Sie übernahm 1986 die Aufgabe der Bibliothekarin – und ist es bis heute geblieben. Sie kann sich noch gut an ihre Anfangszeit in Rheinfelden erinnern: «Mit Offenheit und Respekt vor der neuen Herausforderung freute ich mich sehr auf meine neue Aufgabe. Meine beruflichen Erfahrungen hatte ich bis dahin hauptsächlich in wissenschaftlichen Bibliotheken gesammelt. Es war eine grosse Chance, mich in das vielseitige Arbeitsfeld der Stadtbibliothek einarbeiten zu dürfen und mich gestaltend engagieren zu können.»

Aus dem «Salmen» wird eine Bibliothek
Das Städtchen Rheinfelden wuchs im Laufe der Jahrzehnte – und mit ihm auch die Ansprüche an eine Bibliothek. Wieder setzten sich die Bibliothekskommission und die Bibliothekarin dafür ein, dass die Bücherei – die sich mittlerweile zu einer Mediathek entwickelte – mehr Platz erhält. Lange Jahre blieben diese Bemühungen vergeblich, doch es ist wie in der Natur: steter Tropfen höhlt den Stein. Im Jahr 2013 kaufte die Stadt Rheinfelden das ehemalige Restaurant Salmen für 1,1 Millionen Franken von der Swiss Finance & Property AG mit Sitz in Zug. «Der Stadtrat ist überzeugt, dass die Unterbringung einer attraktiven, Besucherfrequenzen bringenden Stadtbibliothek die Attraktivität der Marktgasse stärkt. Die Stadtbibliothek Rheinfelden zählt heute monatlich rund 3000 Besucher. Diese beachtliche Frequenz kann einen Beitrag zur Belebung und Erhaltung der Attraktivität der Innenstadt leisten. Überdies kann die grosszügige Rheinterrasse so der Öffentlichkeit erhalten bleiben», hiess es damals in einer Medienmitteilung der Stadt. Nach einem aufwändigen Umbau konnte die Bibliothek im März 2015 ihren Betrieb am neuen Standort in der Marktgasse aufnehmen. Zur Einweihung las Schriftsteller Alex Capus, die Stadtmusik spielte und die Mitglieder der Theaterwerkstatt stellten literarische Figuren dar.

Familie und Bildung
Die neue Bibliothek legt einen klaren Schwerpunkt auf die Themen Familie und Bildung. Weil die Kunden die Ausleihen selber verbuchen können, hat das Personal mehr Zeit für die Beratung und Unterstützung der Kundschaft. Die Öffnungszeiten konnten hingegen nur marginal verlängert werden; dies, weil nur 230 Stellenprozente zur Verfügung stehen.

«Vermehrt wird ein gleichzeitiger Zugang zu analogen und digitalen Medien gewünscht. Unterstützung durch das Personal ist gefragt, um gemeinsam das Informationsbedürfnis zu erkennen und den Zugang zu finden», schildert Barbara Scholer.

Die Bedürfnisse der Kunden haben sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte verändert. «Die Bibliothek verstand sich schon früher als Ort der Bildung, des Wissens und der Informationsvermittlung. Das Internet hat den Zugang zu Wissen vereinfacht und digitale Angebote haben das Verhalten der Bevölkerung markant verändert», erklärt Barbara Scholer. «Die ursprüngliche Kernaufgabe, Medien auszuleihen, ist immer noch zentral. Es sind jedoch zahlreiche weitere Aufgaben dazugekommen: Leseförderung für verschiedene Altersgruppen, Integrationsprojekte und Vermittlung von Medienkompetenz. Die Bedeutung der Bibliothek als Zentrum des öffentlichen Lebens hat stark zugenommen.» So werden auch regelmässig Veranstaltungen durchgeführt. «Als politisch und religiös neutraler Ort fördert die Bibliothek den sozialen Zusammenhalt über Generationen und Kulturen», betont Barbara Scholer.

Heute bietet die Bibliothek 22 000 Medien zum Ausleihen an; längst sind es nicht mehr nur Bücher, sondern auch Filme, CDs, Computerspiele und über 11 000 E-Medien. Die Zahl der Mitglieder liegt bei rund 1900. Pro Monat verzeichnet die Bibliothek im Durchschnitt gut 3800 Besucherinnen und Besucher. Ihnen stehen zahlreiche Arbeitsplätze, ein grosszügiger Kinderbereich und die prächtige Rheinterrasse zur Verfügung. Eine Besonderheit der Rheinfelder Bibliothek ist die enge Zusammenarbeit mit der Bibliothek in Badisch Rheinfelden. Wer auf der einen Seite des Rheins Mitglied ist, kann auch auf der anderen Seite Medien ausleihen.

Noch viele Kapitel
Damit sind wir in unserem imaginären Buch in der Gegenwart angekommen. Im Jahr 2020 musste die Bibliothek während der akuten Corona-Phase zwar geschlossen bleiben, dank eines «Take-Aways» konnten die Kundinnen und Kunden aber trotzdem Medien ausleihen. So passt sich die Bibliothek laufend den Erfordernissen an und muss innovativ sein, um modern zu bleiben. Und immer wieder wird ein neues Kapitel aufgeschlagen und die Geschichte der Rheinfelder Bibliothek, die 1896 ihren Anfang nahm, weitergeschrieben.

Dieser Artikel ist zuerst in den Rheinfelder Neujahrsblättern 2021 erschienen.


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