Abhängig von der Menge an Impfdosen

  12.01.2021 Gesundheit, Kaisten

Barbara Jakopp aus Kaisten leitet das KSA-Impfzentrum

Am vergangenen Dienstag wurden im Kanton Aargau die ersten über 75-Jährigen gegen das Coronavirus geimpft. Die NFZ fragte bei der Leiterin des Impfzentrums im Kantonsspital Aarau (KSA) Barbara Jakopp nach, wie sie ihre neue Aufgabe erlebt. Die 41-Jährige Oberärztin ist in Kaisten aufgewachsenen und wohnt heute in Buchs bei Aarau.

Interview Simone Rufli

NFZ: Frau Jakopp, zurzeit gibt es kaum einen Arbeitsort, der mehr im Fokus der Öffentlichkeit steht, als ein Corona-Impfzentrum. Ist das für Sie eine Belastung?
Barbara Jakopp:
Ich würde nicht sagen, dass es eine Belastung ist. Es ist eine grosse Herausforderung, die wir als Team bewältigen. Es sind ja ganz verschiedene Bereiche des Spitals involviert. Vom Betrieb über die Logistik, Technik und Sicherheit bis zur Spitalapotheke. Insgesamt bin ich beeindruckt vom guten Teamgeist und der positiven Energie, die wir sicher auch dem Umstand verdanken, dass wir mit der Impfung nun etwas haben, das wir gegen diese Pandemie einsetzen können.

Sie sind Oberärztin Infektiologie und Spitalhygiene und Allgemeine Innere Medizin. Ist es diese berufliche Ausrichtung, die den Ausschlag gab, dass Ihnen die Leitung des Impfzentrums übertragen wurde?
Impfen gehörte schon immer zu meinem Ressort. Zu meinen Aufgaben gehört auch die Leitung der Reisemedizin am Bahnhof. Die ist in den letzten Monaten komplett eingebrochen. Mit dem Aufbau des Impfzentrums habe ich eine neue Aufgabe übertragen bekommen.

Wann haben Sie damit begonnen, das Impfzentrum aufzubauen?
Am 18. Dezember erfolgte die Zulassung des Impfstoffes von Pfizer/ BioNTech. Von dem Moment an konnten wir mit der intensiven Aufbauarbeit beginnen. Mit dem Kanton wurde eine Zweiteilung des Kantonsgebietes vereinbart. Das Kantonsspital Baden deckt das Gebiet Aargau Ost ab, wir im Kantonsspital Aarau betreuen den westlichen Kantonsteil. So stellen wird die Grundversorgung der Bevölkerung sicher. Immer in Abhängigkeit mit den zur Verfügung stehenden Impfdosen.

Eine ganze Reihe von Stellen die involviert sind.
Das ist so. Das alles funktioniert auch nur, weil sich alle der ausserordentlichen Situation bewusst sind und gemeinsam anpacken und um eine zeitnahe Abwicklung ihrer Aufgaben bemüht sind. Es ist eine grossartige Teamleistung.

Findet ein Austausch zwischen den beiden Aargauer Impfzentren statt?
Zwischen den beiden Impfzentren werden laufend Know-how und Erfahrungen ausgetauscht. Es gibt regelmässig Sitzungen mit dem Kanton. Alles, was wir machen, ist standardisiert. Der Kanton koordiniert auch die externen Impfstationen in den Alters- und Pflegeheimen. Ausgebildet werden die Mitarbeitenden durch uns in den Spitälern. Zwischen den beiden Kantonsspitälern gibt es keinen Wettstreit, sondern eine enge Zusammenarbeit.


«Die Loyalität der Ehemaligen ist enorm»

Fortsetzung des Interviews mit Barbara Jakopp

Die Oberärztin aus Kaisten spürt im direkten Kontakt mit über 75-Jährigen, die ins Impfzentrum des Kantonsspitals Aarau (KSA) kommen, vor allem Dankbarkeit. Grenzen würden im Moment nur durch die verfügbare Menge an Impfstoff auferlegt.

Simone Rufli

NFZ: Frau Jakopp, was gab es alles zu organisieren, bis am 5. Januar die erste Spritze aufgezogen werden konnte?
Barbara Jakopp
(lacht, holt tief Luft und beginnt aufzuzählen): Die Dienstpläne mussten mit den Personalverantwortlichen abgestimmt und zusätzliches Personal musste rekrutiert werden. Dabei kamen Medizinstudenten zum Zug und Zivildienstleistende sowie Zivilschützer vom Kanton. Vor allem aber sehr viele ehemalige Mitarbeitende des KSA. Die Loyalität der Ehemaligen ist enorm. Dann mussten Lohnverhandlungen mit dem Kanton geführt werden, damit eine für den ganzen Kanton einheitliche Regelung erzielt werden konnte. Ebenfalls in Absprache mit dem Kanton wurden die Anmeldetools für die Online-Anmeldung und die Telefonlinie installiert. Daneben lief die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten und das Organisieren der gesamten Infrastruktur. Desinfektionsmittel musste genauso beschafft werden wie Stühle, Abfallkübel für die Spritzen und Blutdruckmessgeräte. Die Anzahl Impfstrassen musste bestimmt werden, Mitarbeitende wurden in Gruppen eingeteilt und nebenbei gab es eine ganze Menge Schreibarbeit zu erledigen.

Jetzt ist alles eingerichtet und das grosse Impfen hat begonnen. Kommen Sie mit den Impfwilligen in Kontakt?
Ich bin ständig im Impfzentrum und erlebe an vorderster Front wie zurzeit über 75-Jährige und ganz vereinzelt Hochrisikopatienten jüngeren Jahrgangs geimpft werden. Vereinzelt kommt es vor, dass wir jemanden wegweisen müssen, weil die Anforderungen nicht erfüllt sind.

Wie erleben Sie die Stimmung?
Die Stimmung ist sehr gut. Die älteren Menschen sind froh, dass sie jetzt aktiv etwas machen können, um sich vor dem Virus zu schützen. Ich spüre Dankbarkeit.

Noch können längst nicht alle Personen geimpft werden, die das gerne möchten. Bekommen Sie viele telefonische Anfragen, wie es weitergeht?
Es treffen täglich sehr viele Anfragen auf allen Kanälen ein. Das ist verständlich. Wir helfen, wenn uns ältere Menschen anrufen, weil sie keine Möglichkeit haben, sich online anzumelden. Manche bitten auch einfach um einen Rückruf. Wir haben auch eine Telefonlinie für Hausärzte eingerichtet, die sie benützen können, um uns Hochrisikopatienten für die Impfung zuzuweisen. Wir haben extra vier Mitarbeitende, die die Hotline bedienen.

Die ersten Termine waren am 4. Januar innert Stunden ausgebucht. Gestern wurden nun weitere Impftermine zur Buchung freigegeben.
Darüber sind wir froh und wir informieren auf der Webseite laufend, wie es weitergeht. Von der Kapazität her können wir problemlos bis zum Doppelten hochfahren. Grenzen auferlegt uns im Moment nur die verfügbare Menge an Impfstoff.

Haben Sie im Verlauf Ihrer beruflichen Tätigkeit schon einmal eine vergleichbar herausfordernde Situation erlebt?
Nein. Etwas in der Grössenordnung habe ich noch nie erlebt und eine Pandemie natürlich sowieso nicht. Die Arbeit macht Freude, ist aber sehr zeitintensiv und sie wäre nicht machbar, wenn ich nicht auf grosse Unterstützung zählen könnte – und zwar im beruflichen wie im familiären Umfeld.


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