Und ganz Möhlin war aus dem Häuschen

  04.12.2020 Möhlin

Was macht die einstige Weltklasse-Kunstradfahrerin Eliane Maggi heute?

Eliane Maggi errang in den 1980ern zwei Weltmeister-Titel im Einer-Kunstradfahren. 1988 trat sie vom Spitzensport zurück und baute sich einen neuen Lebensabschnitt als Journalistin auf, denn Schreiben war ihr lang gehegter Herzenswunsch.

Birke Luu

«Ich erzähle eigentlich niemandem von meinen sportlichen Erfolgen, denn dieses Kapitel ist abgeschlossen», meint Eliane Maggi selbstbewusst. So wissen viele Menschen in ihrem Umfeld nicht, was für Spitzenleistungen die heute 61-Jährige als junge Frau erbracht hat. Maggi hatte sich in den 1980ern mit fünf WM-Medaillen (2 Gold, 1 Silber, 2 Bronze) einen Namen in der Kunstradszene gemacht. Möhlin war 1980 aus dem Häuschen, als sie zuoberst auf das Podest treten konnte. Die zweite WM-Goldmedaille errang sie 1985 in St. Gallen, wo ihr Bruder Markus in der Disziplin der Männer ebenfalls gewann. Dieser familiäre Doppelsieg war das erklärte wie auch ambitionierte Ziel der sportgeprägten Familie gewesen. Eliane Maggi: «Ohne die grossartige Unterstützung unserer Eltern hätten wir diese Erfolge niemals erzielen können.»

Neue Massstäbe
In Basel geboren, kam Eliane Maggi elfjährig mit ihrer Familie nach Möhlin. Von ihrem Vater, seinerseits Kunstturner, erbten die drei Geschwister Beweglichkeit, turnerische Fähigkeiten sowie die Liebe zur Akrobatik. Spielerisch verbanden sie das Turnerische mit dem Radfahren. Eliane und ihr Bruder Markus (Jugend-Europameister, zweifacher Weltmeister) wollten ihre Erfolge dazu nützen, den Kunstradsport populärer zu machen. Sie setzten neue Massstäbe: erhöhten die Trainingsintensität, kreierten neue Übungen und liessen für die Show-Auftritte ästhetischere Kleider anfertigen. Kurz, sie gaben neue Impulse und halfen, das Kunstradfahren weiterzuentwickeln.

Wenn Eliane Maggi von dieser Zeit spricht, klingt sie abgeklärt, denkt auch an all die Einschränkungen und Entbehrungen, die diese strikte Lebensausrichtung mit sich gebracht hatte. Wehmut hört man hingegen keineswegs. 1988 mit 28 Jahren beendeten Eliane Maggi und ihr Bruder Markus geplant und spektakulär ihre Sportlerkarriere. Zur finalen «Sportlergala» in Möhlin luden sie namhafte befreundete Spitzenathleten ein, die sich einen amüsant ausgerichteten Plausch-Wettkampf lieferten. «Die Steinlihalle war voll, TV und Presse berichteten davon landesweit. Das hat uns ungemein gefreut und wir waren glücklich, dem Behindertensport des Kantons Aargau den Reingewinn der Veranstaltung in Höhe von 6500 Franken übergeben zu dürfen.»

Eliane Maggi holt ihr altes Fotoalbum heraus, kommt jetzt ins Schwärmen und erzählt Anekdoten, die die Geschwister im Rahmen des Abschieds auch dem Publikum erzählt hatten. Dadurch wird klar: «Als Sportrepräsentantin konnte ich ganz spezielle und einmalige Sachen miterleben: Einladungen zu Galas, speziellen Events, durfte Helikopterflüge machen, lernte andere Spitzensportler sowie Prominenz aus Politik und Wirtschaft kennen – dafür war ich nicht beim Skifahren oder in der Disko.»

Ein Fächer an Möglichkeiten
Die «Sportler-Rente» erlebte Eliane Maggi als gut geplanten Neuanfang. «Mit der Ablösung vom In-der-Öffentlichkeit-Stehen muss man bewusst umgehen können. Wieder ins normale Leben ohne Aufmerksamkeit zurückzutreten ist nicht allen ehemaligen Grössen gelungen. Nach dem Leistungssport ging für mich so ein weiter Fächer an Möglichkeiten auf», strahlt die Ex-Kunstradfahrerin. «Diese nunmehr auszuleben und umzusetzen, war toll!» Und so schlug sie den Bogen vom Spitzensport zur Sport-Journalistin, denn das Schreiben sei ihre Leidenschaft. «Sprache war schon immer das Nonplusultra für mich.» Ihre Ausbildung zur Journalistin absolvierte sie beim «Sport Zürich», damals eine sehr renommierte Fachzeitung. «Meine erste Aufgabe war, ein ganzseitiges Portrait über Peter Müller zu verfassen», lacht sie. Ihr Anspruch war, im Interview Unbekanntes aus den Gesprächspartnern herauszukitzeln, «etwas unter dem Lack hervorzukratzen, was den Menschen hinter dem Sportler ausmacht.» Dazu bereitete sie sich jeweils akribisch vor, führte tiefgründige Gespräche und setzte ihr – auf den eigenen Erfahrungen basierendes – grundlegendes Verständnis für andere Sportler und Sportarten ein.

Auf einer Pressekonferenz lernte sie ihren zukünftigen Mann, einen Profi-Fussballtrainer, kennen. Mit ihm zog sie nach Deutschland, verbrachte 14 Jahre an fünf verschiedenen Orten in Baden-Württemberg und Nordrheinwestfalen, war immer als freie Journalistin tätig. Nach ihrer Scheidung kehrte Eliane Maggi in die Schweiz zurück, orientierte sich beruf lich neu, da sich das Medienumfeld verändert hatte. Sie absolvierte eine Weiterbildung im Bereich Werbung/Öffentlichkeitsarbeit. Seit sechs Jahren arbeitet sie als Verantwortliche für die Kommunikation und das Fundraising der Stiftung Rheinleben in Basel, einer Institution, die sich für psychisch Beeinträchtigte engagiert.

Leistungsdenken bis heute
Sie hat ein neues Kapitel aufgeschlagen, eine Arbeitsstelle ohne Sport – wo spürt sie da noch den Einfluss ihrer Zeit als Leistungssportlerin? «Für die eigene Persönlichkeitsentwicklung gibt es nichts Besseres als Spitzensport», erklärt Eliane Maggi. Hartnäckigkeit, Disziplin und Ausdauer hätten sie geprägt. Davon profitiere sie auch im Arbeitsleben. «Wenn ich eine Aufgabe habe, dann bleibe ich dran bis ich sie erfüllen kann, denn das Leistungsdenken bleibt erhalten. Ich bin belastbar und stressresistent, kann beissen.» Zudem habe sie im Spitzensport ganz nebenbei ein gutes Gespür für Menschen bekommen, denn insbesondere in schwierigen Phasen lerne man schnell, wie die Leute tickten, wer einen wirklich unterstütze.

Trainerin wollte die ehemalige Weltmeisterin nie werden. Sie wollte leben, all das ausprobieren, was zuvor nicht möglich gewesen war. Sie kaufte sich Inliner, lernte klettern und tauchen, hat sich auf den Rennschlitten gesetzt, fährt Mountainbike und hat das Tanzen (Standard, Latein, Salsa) für sich entdeckt. Der Sport ist in ihrem Leben geblieben, doch dessen Stellenwert hat sich verschoben: «Heute mache ich alles ausschliesslich zum Spass, für die Fitness und nur für mich», lacht sie. Ihr nächstes Projekt: «Spagat und Handstand üben! Ich habe den Anspruch, das wieder zu können.»


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