«Weihnachten ist eine spezielle Zeit zum Gebären»

  28.12.2020 Gesundheit, Persönlich, Gipf-Oberfrick

Sie übt einen der schönsten Berufe aus und darf Paare auf dem Weg zur Familie und Kinder in die Welt begleiten – und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Lisa Gianora ist eine von vier Hebammen in der Hebammenpraxis Fricktal in Gipf-Oberfrick.

Simone Rufli

«Ich wollte schon lange Buch führen», sagt Lisa Gianora, überlegt einen Moment und schüttelt schliesslich den Kopf. «Ich kann nicht genau sagen, wie viele Geburten ich als Hebamme schon begleitet habe.» Lachend fügt sie hinzu: «Aber es sind mittlerweile sicher ein paar Hundert.» Bis Ende Jahr erwartet sie noch zwei neue Erdenbürger. Dem Umstand, dass die beiden Babys sich noch ein bisschen Zeit lassen, verdanken wir an diesem Nachmittag die Zeit für das Gespräch. «Das Unplanbare», nimmt Lisa Gianora den Faden auf, «gehört zu diesem wunderschönen Beruf.» Die 33-Jährige kommt gut damit zurecht. Die Mutter einer zweijährigen Tochter lebt mit ihrer Familie in Zeihen. In der Wochenhälfte, in der sie für Hausgeburten auf Abruf ist, ist sie während 24 Stunden täglich auf Piket und muss jederzeit damit rechnen, zum Dienst gerufen zu werden. «Das geht nur dank der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit meinen Teamkolleginnen und der grossen Flexibilität in meinem familiären Umfeld. Ohne Familie, die das mitträgt, könnte ich diesen Beruf nicht ausüben. Es muss Tag und Nacht innert kürzester Zeit jemand da sein, der sich um meine Tochter kümmert.»

Und dass sie als Hebamme möglicherweise an Weihnachten arbeiten muss? Lisa Gianora hebt kurz die Schultern und lächelt. «Die Weihnachtszeit ist in jedem Fall eine spezielle Zeit zum Gebären und auch zum Arbeiten. Und wenn eine Frau über Weihnachten im Spital bleiben muss, ist es in diesem Jahr womöglich besonders schwer.»

Das Privileg, teilhaben zu dürfen
Abgesehen von einer Episode, als sie als Kind davon träumte Tierärztin zu werden, stand für Lisa Gianora, die in Effingen aufgewachsen ist, sehr früh fest, dass aus ihr eine Hebamme werden würde. Ein wunderschöner Beruf, sei das, ein vielseitiger Beruf, einer mit Wiederholungen und doch jedes Mal ganz anders und einmalig. Lisa Gianora zeichnet in der Luft einen Bogen. «Der Kreis öffnet sich für mich mit den Schwangerschaftsuntersuchungen und schliesst sich acht Wochen nach der Geburt des Kindes.» Etwas vom Schönsten in ihrem Beruf sei, «dass ich teilhaben darf an dieser ganz speziellen Phase im Leben einer Familie».

Wiegt die Verantwortung gegenüber dem Leben von Mutter und Kind schwer? «Ich bin dafür ausgebildet, Situationen einzuschätzen und entsprechend zu handeln.» Die Zusammenarbeit mit Gynäkologen und Kinderärzten sei sehr gut. «Und sehr häufig ist ja auch alles gut. Wenn es nicht so wäre, wären wir nicht alle hier», gibt sie zu bedenken.

Direkt nach der Ausbildung arbeitete sie im Spital Baden, danach im Spital Liestal, bevor sie sich selbstständig machte. Seit 2016 ist sie eine von vier Hebammen in der Hebammenpraxis Fricktal in Gipf-Oberfrick. Momentan führt sie als einzige in diesem Team auch Hausgeburten durch – im Hausgeburtsteam Odalis, das auch im Fricktal tätig ist.

Viel schneller zur Ruhe
Ja, sie habe den Eindruck, dass Frauen sich zurzeit mehr Gedanken machen, was für Möglichkeiten sie haben, neben der Geburt im Spital. Auch hätten sich ein paar Frauen mehr für Hausgeburten entschieden, weil ihnen die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus zu gross gewesen sei. «Es ist schon so, dass eine Frau diesbezüglich daheim eigentlich am sichersten ist. Dass viele Frauen heute quasi direkt aus dem Gebärsaal heimkommen, im Fall einer ambulanten Geburt nach wenigen Stunden schon, sei für die Hebamme schön. «So kommt eine Frau viel schneller zur Ruhe.» Ruhe sei wichtig nach der Geburt. «Als Hebamme kümmere ich mich bereits während der Schwangerschaft darum, dass sich eine Familie gut organisiert, dass Partner, Geschwister und oft auch die Grosseltern eingebunden sind. Wenn alles gut vorbereitet ist, können die Angehörigen die Frau nach der Geburt entlasten und notfalls auch ein psychologisches Tief der Mutter auffangen.» Im Idealfall komme es dann für niemanden zu einer Überforderung.

Dann schliesst sich der Kreis
Dankbar ist Lisa Gianora an diesem Jahresende speziell dafür, dass die Hebammen trotz Pandemie die Frauen so gut betreuen konnten. «Im Frühling waren wir oft die einzigen, die die Kinder nach der Geburt sehen konnten. Das war für die Frauen sehr schwierig. Umgekehrt hat es zu einer Entschleunigung geführt und den Müttern erlaubt, ihre Kinder in aller Ruhe kennenzulernen.» Trotzdem sei es natürlich eine Freude, dass inzwischen auch Grosseltern ihre Enkelkinder gleich nach der Geburt begrüssen könnten. Ob sie ihre Arbeit gut mache, erkenne sie am Gemütszustand der Mutter, sagt Lisa Gianora zum Schluss. «Solange es der Mama gut geht, geht es dem Baby gut. Darum ist die Pf lege der Mütter in jeder Phase so wichtig, bei der Wundheilung, beim Stillen, bis zur Rückbildung. Beim Kind achtet die Hebamme darauf, dass es gut zunimmt, keine Gelbsucht entwickelt und natürlich ist es auch wichtig, im Auge zu behalten, wie es den Vätern geht.» Das Ziel sei erreicht, wenn sie die Familie guten Gewissens der Mütter- und Väterberatung und dem Kinderarzt überlassen könne. Und wenn dann eine Frau sich ein paar Jahre später erneut in der Hebammenpraxis meldet, weil ein Geschwisterchen unterwegs ist, dann sei das ein Geschenk und ein weiterer Kreis, der sich schliesse.


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