«Corona hat Feldschlösschen hart getroffen»

  29.12.2020 Rheinfelden, Wirtschaft

Interview mit Feldschlösschen-CEO Thomas Amstutz

Feldschlösschen ist der grösste Bierbrauer und Getränkehändler der Schweiz. Wie schlägt sich das Unternehmen in der Corona-Zeit – und wie erlebt der Chef die aktuelle Situation? Thomas Amstutz gibt Auskunft.

Valentin Zumsteg

NFZ: Herr Amstutz, 2020 ist ein verrücktes Jahr. Was war für Sie das prägendste Erlebnis?
Thomas Amstutz:
Für mich war am prägendsten, wie wir als Unternehmen in dieser Krise zusammengewachsen sind. Wir waren füreinander da, haben einander geholfen und einander Sorge getragen. Das prägte mich und das wird mich weiterhin prägen. Es ist schön zu sehen, dass die Gemeinschaft bei Feldschlösschen durch die Krise stärker geworden ist.

War es für Sie als CEO das bisher schwierigste Jahr in Ihrer Karriere?
Nein, das würde ich nicht sagen. Es war ein herausforderndes Jahr, das sicher. Es ist klar, die finanziellen Ziele, die wir uns vor einem Jahr gesteckt haben, werden wir nicht erreichen. In solch einem Jahr stehen aber nicht die finanziellen Resultate im Vordergrund. Die Gesundheit der Mitarbeiter steht im Zentrum.

Wie hart trifft die Corona-Krise Feldschlösschen?
Sehr hart. Der Grossteil unseres Umsatzes stammt von der Gastronomie. Dieser Bereich ist zusammengebrochen. Da liegen wir massiv hinter dem Vorjahr zurück. Auf der anderen Seite hat die Krise uns die Möglichkeit gegeben, unsere Mitarbeiter flexibel einzusetzen. Die Carlsberg- Gruppe mit der Mehrheitsaktionärin der Carlsberg-Stiftung hat früh entschieden, dass wir keine Kurzarbeits-Entschädigung beziehen werden. Also mussten wir dafür sorgen, dass wir unsere Mitarbeiter beschäftigen konnten. Wir haben dazu eine Flexibilisierungsplattform geschaffen, auf der sich unternehmsintern das Angebot und die Nachfrage treffen. Wenn eine Abteilung viel zu tun hat, kann sie sich melden. Personal von anderen Abteilungen, das wenig zu hat, steht dann zur Verfügung. Das hat das Zusammengehörigkeitsgefühl stark gefördert. Ohne Corona hätten wir diese Plattform nicht. Das wollen wir auch weiter pflegen.

Wie hat sich der Umsatz konkret entwickelt?
Es ist ein markanter Rückgang, den wir verbuchen müssen. Konkrete Zahlen können wir erst im Februar kommunizieren.

Welchen Einfluss hat Corona auf den Mitarbeiterbestand?
Da sind wir stabil geblieben. Bei den temporären Mitarbeitern haben wir aber reduziert. Am Standort Rheinfelden hat sich wenig verändert. Es arbeiten derzeit aber immer noch viele Leute im Homeoffice.


«Das Bier ist ein sozialer Schmierstoff»

Feldschlösschen-CEO Thomas Amstutz äussert sich zur Gastro-Krise

Alkoholfreies Bier sieht Feldschlösschen-Chef Thomas Amstutz als grossen Trend. Welche Pläne die Rheinfelder Brauerei in den kommenden Jahren hat, erklärt er im Interview.

Valentin Zumsteg

NFZ: Herr Amstutz, wie unterstützt Feldschlösschen die Restaurants und Bars in dieser schwierigen Zeit?
Thomas Amstutz:
Nach der ersten Corona-Welle haben wir für die Gastronomie ein Hilfsprogramm zusammengestellt, dieses ist in Zusammenarbeit mit unseren Kunden entstanden. Wir haben zum Beispiel in Gastrobetrieben in der ganzen Schweiz die Ausschankanlagen gereinigt, selbstverständlich kostenlos. Dies war ein grosses Bedürfnis, damit unsere Kunden zur Wiedereröffnung bereit waren. Das ist nur eine von zahlreichen Massnahmen, die wir getroffen haben. Insgesamt umfasst das Massnahmenpaket zugunsten der Gastronomie mehrere Millionen Franken.

Rechnen Sie damit, dass viele Gastrobetriebe der aktuellen Krise zum Opfer fallen?
Dass es im Gastrobereich eine Bereinigung geben wird, davon gehe ich aus. Wir sind als Partner für unsere Kunden da.

Der Umsatz in der Gastronomie ist eingebrochen, die Leute bleiben mehr zuhause. Wie hat sich der Absatz über den Detailhandel für Feldschlösschen entwickelt?
Der Absatz über den Detailhandel hat sich für uns positiv entwickelt. Er kann aber den Verlust aus dem Gastronomiebereich bei weitem nicht wettmachen. Feldschlösschen ist darauf angewiesen, dass es wieder Grossveranstaltungen gibt. Dort können wir unsere Marken optimal präsentieren. Das Bier ist ein sozialer Schmierstoff. Normalerweise sind wir pro Jahr an rund 7000 grösseren Anlässen vertreten. In diesem Jahr waren es nur rund 2500 Veranstaltungen – und vor allem die kleineren.

Was trinken die Leute zuhause, gibt es da eine andere Nachfrage als in den Restaurants?
Die Marken, die stark sind, waren auch die Gewinner dieser Krise. Ein Segment, das kräftig gewachsen ist, sind die alkoholfreien Biere. Das hängt mit dem Gesundheitstrend zusammen, der durch die Corona-Krise noch verstärkt worden ist. Während des Lockdowns ist der Absatz in diesem Bereich um 40 Prozent gewachsen. Das wird anhalten. Aber auch die Mixgetränke wie Eve und Somersby sind im Detailhandel zweistellig gewachsen. Die Leute nahmen den Apéro nicht im Restaurant, sondern vermehrt zuhause.

Feldschlösschen hat in den vergangenen Jahren viele neue Produkte lanciert. Welche Trends erwarten Sie in den kommenden Jahren?
Der Absatz der alkoholfreien Biere wird weiterwachsen. Heute liegt der Marktanteil bei rund 3,5 Prozent, künftig dürften es zwischen fünf und sechs Prozent sein. Wir wollen weiterhin die treibende Kraft in diesem Bereich sein. Wir werden 2021 mit weiteren Innovationen kommen, um unser Angebot auszubauen. Ein zweiter Trend sind die Spezialitätenbiere. Mit unserem «1876» haben wir einen erfolgreichen Schritt getan. In diesem Bereich wird sich viel tun. Ein dritter grosser Trend ist die Nachhaltigkeit. Feldschlösschen macht hier schon sehr viel, das wird aber von den Konsumenten noch zu wenig wahrgenommen. Wir überlegen uns, wie wir das besser vermitteln könnten.

Sie denken an ein «grünes, nachhaltiges» Bier?
Das ist ein Beispiel, wieso nicht? Wir prüfen viele Ideen.

In den USA ist Hard Seltzer (Mineralwasser mit Alkohol) ein grosser Erfolg. Ist das auch etwas für Feldschlösschen?
Im Moment nicht. Wir haben uns das Thema bereits 2019 intensiv angeschaut. In den USA ist Hard Seltzer populär, weil es wenig Kalorien hat. In Europa geht es eher um den Alkohol, hier ist es im Alcopops-Segment angesiedelt. Das ist nichts für uns.

Welches ist Ihr persönliches Lieblingsbier?
Das kommt auf die Situation an: Nach dem Sport trinke ich ein alkoholfreies Bier. Am Abend geniesse ich gerne ein «1876», zwischendurch trinke ich auch ein Valaisanne Pale Ale. Und Hürlimann trinke ich auch gerne.

Die Schweizer trinken im Durchschnitt 55 Liter Bier pro Jahr. Sind Sie über oder unter dem Schnitt?
Ich denke, da bin ich leicht darüber. Aber mein persönlicher Konsum hat in diesem Jahr signifikant abgenommen, da es kaum mehr Events gibt. Allein zuhause ein Bier zu trinken, ist nur beschränkt lustig. Ich habe angefangen, Tee zu trinken, aber auch das macht nicht so viel Spass.

Corona ist noch nicht vorbei. Wie planen Sie das nächste Jahr?
Wir planen in drei Szenarien, das haben wir in der Krise gelernt. Im besten Szenario rechnen wir damit, dass es ab März wieder voll losgeht. Das schlechteste Szenario will ich hier lieber nicht schildern. Das mittlere und hoffentlich realistische Szenario sieht vor, dass das Gastrogeschäft ab dem zweiten Quartal wieder anzieht und ab dem dritten Quartal langsam wieder zur Normalität zurückkehrt.

Gibt es für das Jahr 2021 grössere Projekte?
Wir werden weiter in neue Spezialitätenbiere investieren. Zudem wollen wir im nächsten Jahr das Besucherzentrum eröffnen; sobald das eben möglich ist. Und wir werden 145 Jahre Feldschlösschen feiern.

Mit welcher Entwicklung rechnen Sie bei Feldschlösschen in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Ich bin sehr positiv eingestellt, die Perspektiven sind gut. Die Strategie, die wir vor fünf Jahren lanciert haben, trägt Früchte. Wir haben damals entschieden, uns beim Wachstum auf die alkoholfreien Biere und die Craft- und Spezialitätenbiere zu konzentrieren. Als wir damals zum Detailhandel gingen und sagten, dass die Alkoholfreien unser Wachstumstreiber werden sollen, stiessen wir anfänglich auf Skepsis. Heute sieht das anders aus. Die vergangenen fünf Jahre haben wir grosse Schritte vorwärts gemacht. Wir haben das Kunststück vollbracht, mit der Marke Feldschlösschen unseren Marktanteil zu halten und sogar leicht zu erhöhen. Das ist eine grosse Leistung in einem Umfeld, in dem immer neue Marken auf den Markt drängen.

Welches war in den vergangenen Jahren die erfolgreichste Neulancierung?
Das «Braufrisch» war sicherlich die grösste Innovation, die wir je im Schweizer Markt lanciert haben. «Braufrisch» allein wäre die fünftgrösste Brauerei in der Schweiz. Wir probieren immer wieder Neues aus. Man muss auch bereit sein, dass eine Innovation mal nicht funktioniert. Das ist nicht schlimm, solange die Hauptrichtung einer Marke stimmt.

Welche Rolle spielt Feldschlösschen im Carlsberg-Konzern, zu dem es gehört?
Wir haben eine bedeutende Stellung in der Gruppe. Wir sind das Kompetenzzentrum für alkoholfreies Bier. Auch bei den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind wir vorne dabei. Andere Länder-Gesellschaften informieren sich, wie das bei uns läuft.

Zum Schluss: Was wünschen Sie sich für das Jahr 2021?
Ich wünsche mir Gesundheit für alle Mitarbeiter und alle Familien. Jeder hat in diesem Jahr erkannt, wie wichtig Gesundheit ist. Ich wünsche mir auch, dass wir den Zusammenhalt bei Feldschlösschen beibehalten und weiter stärken können.


Thomas Amstutz
Thomas Amstutz leitete das Unternehmen Feldschlösschen bereits von 2005 bis 2008 bevor er für die Carlsberg-Gruppe vier Jahre im Ausland tätig war. Seit 2012 ist er erneut CEO. In seiner Freizeit spielt der 53-Jährige Tennis, Golf und fährt Velo. Der Vater von zwei Kindern wohnt mit seiner Familie im Raum Zürich. (vzu)


 


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