Unheilige Heiligsprechung der Gemeindeversammlung

  20.11.2020 Rheinfelden

Es gibt sie noch, die Stimme der Vernunft: Gipf-Oberfrick lässt ein wichtiges Traktandum durch die Urne entscheiden. Auch die FDP von Laufenburg meint, die Gemeindeversammlung in Zeiten der schlimmen Coronawelle sei unverantwortlich, und begründet dies mit einer nachvollziehbarer Begründung.

Wenn aber eine grosse Gemeinde wie Rheinfelden trotz aller Vernunftgründe an einer Gemeindeversammlung festhält, muss Unheiliges vermutet werden. In Rheinfelden ist an der Gemeindeversammlung mit einem überfälligen Antrag auf eine Steuerfussreduktion zu rechnen. In Rheinfelden werden seit Jahren Steuergelder gesammelt und millionenweise aufgestapelt. Wohin dies führt, zeigt der abgelehnte Fussgängersteg, der von anfänglich 3 Millionen auf vermutlich 15 Millionen Franken aufgeblasen wurde. Nach der Ablehnung dieser für einen Fussgängersteg unsinnigen Summe, kommt nun das Endergebnis: Das Abenteuer hat mehr als 1 Million Franken Spesen gekostet. Man darf dies ruhig als Spekulationsverlust betrachten. Die Finanzlage Rheinfeldens erlaubt also auch den Einsatz von Spielgeld. Für solches sind aber die Steuerzahler nicht verpflichtet. Diese müssen dem Staat die für seine Aufgaben nötigen Gelder zur Verfügung stellen, nicht aber für gewagte Planungen von Prestigeobjekten. An einer normal besuchten Gemeindeversammlung hätte deshalb ein Antrag auf eine Steuerfussreduktion gute Aussichten auf Annahme. In Coronazeiten werden sich aber viele aus Selbstverantwortung hüten, am 9. Dezember in den Bahnhofsaal zu gehen. Und diejenigen, die trotzdem gehen, werden das, was das Podest vorschlägt, auch genehmigen. Das ist nicht Demokratie, sondern Trickserei.

Dass Rheinfelden auch andersherum argumentiert, zeigt ein anderer Anlass. Am Donnerstag, 29. Oktober, hätte sich eine Gruppe von weniger als 50 Personen zur Diskussion der Auszonung des Chleigrüts im Bahnhofsaal treffen sollen. Vermutlich wäre dabei eine Zustimmung zu dieser Auszonung zustande gekommen, was dem Gemeindeamman ausgesprochen wenig zupassgekommen wäre. Der Anlass wurde kürzestfristig abgesagt, obwohl für eine Durchführung keine Hindernisse bestanden. Die Begründung für die Verschiebung: Einige Teilnehmer hätten Bedenken gegen die Durchführung geäussert. Gegenfrage: Ob die Gemeindeversammlung auch verschoben würde, wenn beispielsweise ich gegen die Durchführung Bedenken äusserte? (keine Antwort).

Corona kann durchaus politisch nützlich sein – auch unter dem Mantel einer demokratischen Gemeindeversammlung mit tiefster Beteiligung (am 3.9. an der GV in Rheinfelden:1.63%).

JÜRG KELLER, RHEINFELDEN


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