Mit Solidarität gegen Wellenbewegungen

  08.11.2020 Fricktal, Wirtschaft

Corona setzt alle auf den Prüfstand – auch uns Konsumenten

Ob sich das Gewerbe in Zeiten wie diesen mit Solidarität allein retten lässt? Ohne Solidarität jedenfalls wird es nicht gelingen.

Ronny Wittenwiler

Die Lage, epidemiologisch gesehen, ist ernst. Die zweite Welle ist da, sie entlädt sich in den täglich hohen Infektionszahlen und die NFZ bringt einen Sonderteil «Wirtschaft» heraus. Galgenhumor?

Rückblende
Als im Frühling das Leben heruntergefahren wurde, kam eine andere Welle angerauscht: jene der Solidarität. Kaum eine Gemeinde, die sich nicht über ihre Bürger organisiert hatte. Einkaufsdienste, Botengänge, Nachbarschaftshilfe. «Noch bevor der Bundesrat den Lockdown angekündigt hatte, fragten viele Einwohnerinnen und Einwohner an, ob und wie sie helfen können», sagte damals Sheena Heinz, Gemeindeschreiberin von Zeiningen. Dasselbe in Möhlin: Freiwillige erklärten sich bereit, Einkäufe zu erledigen, standen für Fahrdienste zur Verfügung, für allgemeine Hilfe im Alltag, Hundespaziergänge und vieles mehr. Die NFZ hielt fest: «Querbeet, vom Handwerker zum Aussendienstler über die Schulpflegerin bis hin zum jungen Studenten – es scheint, als stehen in dieser Zeit ganz viele Menschen zusammen.»

Lernprozesse
Die gegenseitige Solidarität, wie sie in den Dörfern gespielt hatte, könne eine Gemeinschaft nachhaltig prägen, gab Obermumpfs Frau Gemeindeammann Eva Frei ihrer Hoffnung Ausdruck: «Es bleibt viel mehr Raum, über die Dinge bewusst nachzudenken.» Plötzlich gab es Ideen zuhauf, wie der Situation zu trotzen ist. Eine Art Lernprozess setzte ein. Die Gemeinde Möhlin etwa «schickte» ihre Hauswarte zur Unterstützung des Forstpersonals in den Wald, da wegen des Lockdowns, ausbleibenden Schülern und Sportlern in den öffentlichen Gebäuden schlicht die Arbeit fehlte.

Not macht erfinderisch – und weckt offenbar den Geist der Solidarität.

Solidarität hat viele Gesichter
Dieser besondere Frühling 2020 hatte gezeigt, dass Menschen bereit sind, zu geben. Dass Menschen bereit sind, ihr Tun zu hinterfragen, vielleicht zu optimieren. Solidarität hat viele Gesichter. «Für mich hat die Solidarität zu Corona-Zeiten drei Ebenen», sagt Daniel Reidy, Gemeindeleiter der römisch-katholischen Kirche in Möhlin: «eine medizinische, eine psychologische und eine soziale.» Dass man sich an die momentanen «Corona-Regeln» halte – Maskenpflicht, Abstand halten, Menschenansammlung meiden – würde von einer medizinischen Solidarität gegenüber allen Menschen zeugen. «Psychologisch kann ich mich solidarisch zeigen, indem ich bewusst verständnisvoller und geduldiger bin. Viele Menschen reagieren wegen der Corona-Einschränkungen und der ‹Zukunfts-Unsicherheit› gereizter als üblich. Wenn ich gegenüber psychisch belasteten Menschen verständnisvoller und geduldiger reagiere, kann ich einen Beitrag zu deren ‹seelischer Gesundheit› leisten.» Letztlich verortet Reidy auch eine soziale Solidarität, und unter anderem knüpft er hier beim Gewerbe an: «Ebenso solidarisch zeigen kann ich mich, indem ich lokales Gewerbe unterstütze.»

Vielleicht mal einen Gutschein kaufen
Anita Kym, Präsidentin des Gewerbevereins Möhlin und Umgebung, sagt: Im Zuge der Solidarität appelliere der Gewerbeverein jetzt, die noch geöffneten Geschäfte zu unterstützen. Gleichzeitig sei auch Solidarität innerhalb der Gewerbe-Familie gefragt. Vielleicht auch mal einen Gutschein kaufen und diesen den eigenen Mitarbeitern abgeben – als Ersatz für das Weihnachtsessen. Ausserdem macht Kym auf die neuen Kanäle aufmerksam: «Das lokale Gewerbe bietet zunehmend Alternativen zum Einkaufen vor Ort an, zum Beispiel über einen Lieferdienst oder Take-Away. Viele haben auch einen Online-Shop.»

Konklusion
Natürlich sind Zweifel berechtigt, ob sich in Zeiten wie diesen das Gewerbe allein mit Solidarität retten lässt. Klar ist aber: Ohne Solidarität jedenfalls wird es ganz sicher nicht gelingen. Die Lage ist ernst. Die zweite Welle entlädt sich in den täglich hohen Infektionszahlen und die NFZ bringt in Zeiten wie diesen einen Sonderteil «Wirtschaft» heraus. Das ist nicht Galgenhumor, sondern Ausdruck einer «Jetzt erst recht Mentalität» bei den Protagonisten, die sich zeigen: Menschen mit ihren Betrieben, die trotz Zeiten wie diesen einen nächsten Schritt wagen. Würden sie nicht gleichzeitig an die Solidarität der Menschen glauben, die hier leben – dann würden sie diesen Schritt niemals wagen.

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass viele Menschen nicht bloss darüber schwadronierten, sondern sie auch wahrlich gelebt haben. Und nicht nur, wenn Corona in Wellen kommt, wünscht man sich eine ganze Flut davon: Solidarität.


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