Mission Kym

  22.10.2020 Möhlin, Sport

Die Schweizer Tennis-Hoffnung aus Möhlin geht einen neuen Weg

Jérôme Kym (17) verlässt das Nationale Leistungszentrum in Biel und arbeitet neu mit einem eigenen Trainer zusammen.

Ronny Wittenwiler

Vielleicht wird es dieser Spruch nie auf einen Kaffeerahm-Deckel schaffen, weil schlicht zu unromantisch: Die Welt ist voll mit Talenten ohne Beharrlichkeit. Der Spruch fiel am Sonntag in der Halle beim Tennisclub Möhlin. Gekommen war ein Davis-Cup-Sieger, gekommen waren Freunde, Sponsoren und Gönner und geladen hatte die Familie Kym. Alle waren sie da wegen Jerôme Kym, diesem siebzehnjährigen Möhliner, gesegnet mit einem unerhörten Talent fürs Tennis. Es gab Neuigkeiten.

Der nächste Karriereschritt
Kym arbeitet künftig mit Urs Walter zusammen. Bislang bezog Kym im Leistungszentrum von Swiss Tennis in Biel Station, wo er sich mit anderen Nachwuchstalenten einen Trainer als Bezugsperson teilte. Der Schritt nun, mit einem eigenen Coach die Karriere zu planen, ist nicht ungewöhnlich. Dominic Stricker und Leandro Riedi etwa haben diesen Schritt ebenfalls vollzogen. Auch ihre Namen sind bekannt. Vor wenigen Tagen gewann Stricker die French Open bei den Junioren – gegen ebendiesen Riedi. Jérôme Kym hingegen schied in der ersten Runde aus und Monate zuvor bereits hatte die Sonntagpresse eine beim Möhliner ins Stocken geratene Karriere diagnostiziert. Riedi und Stricker lieferten zuletzt eher die erhofften Resultate, als der ein Jahr jüngere Kym. Dabei sind es oft Nuancen. An den French Open bekam Kym gleich den als Nummer zwei gesetzten Arthur Cazaux zugelost. Kym zwang den Franzosen im ersten Satz ins Tie-Break, verlor am Ende aber den Satz, später das Match (6:7; 3:6).

«Ich glaube an Jérôme»
Im kommenden Jahr wird der Möhliner noch einmal die Grand-Slam-Turniere bestreiten können, «er wird so seine Persönlichkeit weiter stärken», sagt Urs Walter. «Ja, absolut», erklärt dieser neue Trainer mit Nachdruck, er glaube an Jérôme Kym – sonst hätte er das Mandat niemals übernommen. Die Wege der beiden haben sich bereits in der Vergangenheit gekreuzt. Walter übernahm 2016 die hochtalentierte Truppe um Kym, Riedi und Stricker am Nationalen Leistungszentrum. Swiss Tennis und damit auch Biel verliess Walter kurz bevor Kym am 2. Februar 2019 im Davis-Cup an der Seite von Henri Laaksonen das Doppel gegen Russland gewann und damit Heinz Günthardt als jüngsten Schweizer Davis-Cup-Spieler abgelöst hatte. Es war der Moment, als Kym, noch nicht einmal 16-jährig, von der Öffentlichkeit bereits mit Vorschusslorbeeren bedacht und Federer-Vergleichen beehrt wurde. Das allein aber reicht nicht.

Der harte Weg an die Weltspitze
«Er vollbrachte damals eine unglaubliche Leistung», sagt Urs Walter im Gespräch mit der NFZ. Dass danach die Erfolgskurve, die bis dahin nur eine Richtung kannte, einen Knick erfahren hatte, stellt der neue Trainer gar nicht erst in Abrede. «Woran all das gelegen hat, ist schwierig zu beurteilen.» Auch er benutzt das Wort Nuancen – «und es war aber auch nicht alles schlecht.» Jetzt gehe es darum, vorwärts zu schauen, sagt Walter, er, der früher als Nationaltrainer gestandene Spieler betreut hat. Michael Lammer etwa. Der heute 38-Jährige war 2014 Teil jener Mannschaft, die für die Schweiz den Davis-Cup gewann. Heute ist Lammer Cheftrainer bei Swiss Tennis und vergangenen Sonntag in Möhlin lieferte er sich einen Show-Match gegen Jérôme Kym. In zwei Sätzen setzte sich die Jugend durch.

Urs Walter sagte später: «Das langfristige Ziel von Jérôme muss die Weltspitze sein.» Er meinte damit nicht die Junioren. Und Jérôme Kym, auch er erklärte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass er nach ganz oben will. Dorthin, wo die Beharrlichsten unter all den Talenten sind.


«Dann wäre ich halt Goalie geworden»

Jérôme Kym und das Ziel einer Profikarriere im Tennis

In der Junioren-Weltrangliste derzeit auf Platz 34, arbeitet der Möhliner Jérôme Kym neu mit Urs Walter als Trainer zusammen. Die NFZ blickt mit Kym auf die vergangenen Monate zurück und fragt ihn, wovon er träumt.

Ronny Wittenwiler

NFZ: Jérôme Kym, Sie arbeiten nun mit einem eigenen Trainer an Ihrer Karriere. Wie wichtig ist dieser Schritt?
Jérôme Kym:
Es ist der nächste Schritt, den fast jeder Tennisspieler in dieser Phase vollzieht. Ich kenne kaum jemanden, der diesen Weg nicht geht. Das haben Federer, Wawrinka und alle anderen in diesem Alter auch getan. Ich freue mich auf dieses Kapitel. Es bedeutet auch, jetzt den Finger rauszunehmen und die Karriere selbst zu gestalten, das ist interessant.

Nach Ihrem Auftritt im Davis-Cup anfangs 2019 wurden Sie bereits als der neue Federer betitelt.
Es ist sicher inspirierend, wenn es heisst, die Jugend sei auf dem Vormarsch. Man ist es irgendwann aber auch Leid, die steten Vergleiche zu hören.

Wird der Druck zu gross?
Die Zeit nach dem Davis-Cup war nicht einfach. Dass der Druck steigt, ist zwar normal. Aber der Druck war gewaltig. Von Medien, Trainer, Umfeld, das war schwierig auszuhalten. Dass die Medien im Spiel sind und du plötzlich im Fokus stehst, daran musst du dich zuerst gewöhnen. Gleichzeitig sollst du dich auf dem Platz wohlfühlen. Es gilt, da einen Mittelweg zu finden. Je älter ich werde, desto einfacher kann ich damit umgehen.

Die Freude am Tennis ist nach wie vor da?
Logisch! Ich würde diesen Sport nicht mehr ausüben. Ich bin einer, der klar sagt, wenn er keine Lust mehr hat. Da diskutiere ich nicht lange.

Sie sind ein begnadeter Tambour. Was mögen Sie mehr: Das Trommeln oder Tennisspielen?
Ich würde nicht sagen, dass ich eines von beidem lieber mache. Ich trommle extrem gern, es gelingt mir, ohne gross üben zu müssen.

Tennis ging bei Ihnen auch lange wie von selbst.
Mit der Zeit werden aber die Gegner immer besser.

Wovon träumen Sie langfristig im Tennis?
Von den Top Acht der Welt.

Wir reden hier nicht von den Junioren?
Nein. Top Acht – damit ich an die ATP Finals kann. Die gibt es nur bei den Profis. Ich möchte mich Tag für Tag so verbessern, dass ich diese Verbesserung mit jedem Schlag, den ich spiele, auch spüre.

Wer von den ATP Finals träumt, träumt doch auch von einem Grand-Slam-Titel.
So ein Titel wäre dann die Belohnung für deine Arbeit. Es kommt also darauf an, ob du die Dinge, die du dir vorgenommen hast, auch richtig machst.

Ihre Eltern sagen oft: Sie haben eigentlich noch nichts erreicht.
Das stimmt ja auch.

Sind Sie froh, dass Ihre Eltern so sehr darauf achten, dass Sie auf dem Boden bleiben?
Sie übertreiben es manchmal etwas.

Inwiefern?
Wenn ich mal einen Spruch mache, den ich halt lustig finde. Wenn ich etwa sage: Ich spiele nur fürs Preisgeld. Sie sagen dann immer: Halt bloss den Ball flach! Dabei mache ich ja nur Witze.

Sie sind 17, also noch nicht volljährig. Werden Sporttalente wie Sie von der Öffentlichkeit zu sehr in die Rolle eines Erwachsenen hineingedrängt?
Auch da musst du sicher einen Mittelweg finden. Ich lasse mir aber meine Meinung nicht verbieten. Habe ich etwas zu sagen, dann sage ich das auch. Dann spielt es mir keine Rolle, wie alt ich bin.

Haben Sie Angst zu scheitern mit Ihrer Tenniskarriere?
Nein. Schaffe ich es nicht, dann habe ich ganz einfach zu wenig gemacht; nicht alles reingeworfen, was ich dafür hätte tun müssen. Schaffe ich es, dann habe ich all die nötigen Dinge getan, die es dafür gebraucht hat. Dann bin ich umso glücklicher.

Was würden Sie heute arbeiten, wenn Sie nicht Tennisspieler wären?
Dann wäre ich halt Fussballprofi geworden, ich war ein guter Goalie.


«Einen Weg finden, das Potenzial auszuschöpfen»

Urs Walter, der neue Trainer von Jérôme Kym, attestiert seinem Schützling die Fähigkeiten, um ein Grosser zu werden. «Ich bin Optimist.» Er weiss aber aus jahrelanger Erfahrung mit ehemaligen Athleten, dass es kein Selbstläufer wird – «ich bin auch Realist», sagt er deshalb im selben Atemzug. «Jérômes Stärken sind sein Service, seine Vorhand. Wir müssen diese Stärken nun fördern. Und wir müssen gemeinsam einen Weg finden, dass er sein Potenzial ausschöpft.» Urs Walters Wirken als Trainer macht sich in seinen Worten immer wieder bemerkbar. «Ein Tennisspieler ist eine diffizile Kombination. Willen, Athletik, Kraft und Disziplin einerseits, andererseits ist ein Tennisspieler aber auch Künstler.» Das miteinander zu vereinen, sei eine grosse Herausforderung. Das Ziel von Talenten, wie Jérôme Kym eines sei, müsse langfristig die Weltspitze sein, sagt Urs Walter. «Jetzt müssen wir diese Reise in Etappen aufteilen und jeden Tag das Beste herausholen.» Kym wird im Februar achtzehn Jahre alt. Auf seinem Weg nach ganz vorne sollte er in zwei, drei Jahren bei den Herren den Sprung ins Ranking irgendwo zwischen 150 und 200 der Weltrangliste schaffen. «Das zeigt in etwa die Statistik», sagt Walter. (rw)


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