Europäischer Gerichtshof stärkt Schweizer Pressefreiheit

  10.10.2020 Nordwestschweiz

Entscheid zu Gunsten von BaZ-Journalistin

2014 unterliegt Nina Jecker vor Bundesgericht: Sie weigert sich, den Namen eines von ihr porträtierten Drogendealers zu nennen. In Strassburg bekommt die Basler Journalistin nun recht.

BASEL. «Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte setzt einen Meilenstein und entscheidet einstimmig für eine BaZ-Journalistin.» Wie die Basler Zeitung schreibt, ein Grund zum Feiern auf der Redaktion. «Nach langem gerichtlichem Hin und Her ist der Fall «Jecker v. Switzerland» erledigt und BaZ-Journalistin Nina Jecker endgültig rehabilitiert.» «Dieses Urteil ist für mich eine kleine Genugtuung, aber vor allem ein wichtiges Zeichen für die Schweizer Medienlandschaft», sagt sie. «Gerade in einer Zeit, in der Behörden und Politik versuchten, Journalistinnen und Journalisten mit juristischem Druck mundtot zu machen.» Im Herbst 2012 besucht Nina Jecker einen Drogendealer in seiner Wohnung in Basel. In ihrer Reportage, die mit dem Titel «Zu Besuch bei einem Dealer» in der «Basler Zeitung» erscheint, beschreibt die Journalistin, wie Roland, so nennt sie den jungen Mann, Bier trinkt und Haschisch raucht; wie immer wieder Kunden an der Tür klingeln: ein Mitarbeiter der Kantonsverwaltung, ein Türsteher, ein Schreiner, ein Informatiker – vorwiegend Männer zwischen 20 und 55 Jahren. Roland versorgt sie seit über zehn Jahren mit Gras, Haschisch und Blütenstaub und verdient damit rund 12 000 Franken im Jahr.

Jeckers Bericht weckt das Interesse der Basler Staatsanwaltschaft, die ein Strafverfahren einleitet. Die drängendste Frage: Wer steckt hinter Roland? Kurz nach der Veröffentlichung des Artikels erscheinen zwei Zivilfahnder auf der BaZ-Redaktion; Jecker wird als Zeugin zur Einvernahme vorgeladen, sie soll die Identität des Porträtierten offenlegen. Die Journalistin verweigert aber die Aussage und ficht die Verfügung an. Das Appellationsgericht Basel-Stadt bestätigt im April 2013 schliesslich den Quellenschutz.

Ein harter Schlag für die Basler Staatsanwaltschaft – der inzwischen verstorbene Unternehmensjurist und BaZ-Anwalt Martin Wagner spricht später gar von einem «schweren Gesichtsverlust». Die Strafverfolgungsbehörde zieht das Urteil weiter und bekommt 2014 recht. Das Bundesgericht erkennt in den Schilderungen des Porträtierten einen qualifizierten Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz und hebt den Quellenschutz auf.

Die «Basler Zeitung» rekurriert gegen das Urteil des Bundesgerichtes mit der Begründung, dass es die Pressefreiheit verletze und den Quellenschutz nicht mehr garantiere. Dieser sei aber ein Eckpfeiler der journalistischen Arbeit und damit Basis für eine funktionierende Demokratie. Der Fall landet beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der wie schon das Basler Appellationsgericht, den Quellenschutz zu 100 Prozent bestätigt. Die Richter halten fest, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Meinungsäusserungsfreiheit verletzt wurde. «Meine Quelle hat mir vertraut. Für mich war es nie eine Option, deren Namen preiszugeben», sagt Jecker. Zu Recht. (BaZ/ WH)


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