«Ich finde es spannend, etwas zu bewegen»

  17.10.2020 Persönlich, Zeiningen

Sie packt gerne an. So war es für Melanie Sailer selbstverständlich, sich im Dorf zu engagieren, als sie vor acht Jahren nach Zeiningen zog. Heute ist die zweifache Mutter Vermittlerin beim Verein «Die Tagesfamilie» und betreut jeden Nachmittag bis zu drei Tageskinder.

Janine Tschopp

Insbesondere an den Nachmittagen ist es bei Sailers nie so ruhig wie an diesem frühen Donnerstagmorgen. Ihre beiden Kinder spielen während des NFZ-Gesprächs im oberen Stock und huschen nur ab und zu vorbei.

Melanie Sailer ist daran gewöhnt, dass Leben im Haus ist. Jeden Nachmittag betreut sie neben ihren beiden eigenen Buben auch bis zu drei weitere Kinder.

Vermittlerin bei «Die Tagesfamilie»
«Vor sechs Jahren habe ich als Tagesmutter angefangen», berichtet die 40-Jährige. Damals war sie für den Verein «Tagesfamilien unteres Fricktal» im Einsatz und übernahm bald Verantwortung im Vorstand. «Ich finde es spannend, etwas zu bewegen.» Melanie Sailer erzählt, dass der administrative Aufwand immer grösser wurde, und man kaum mehr Personen für den Vorstand fand. Sie und ihre Kollegen setzten sich für ein Weiterbestehen der Organisation ein und Ende 2019 wurde diese in den Badener Verein «Die Tagesfamilie» integriert.

Die Zeiningerin wurde bei der neuen Organisation als Vermittlerin Bezirk Rheinfelden angestellt. Ihre Aufgabe ist es, die Bedürfnisse und Wünsche der abgebenden Eltern möglichst detailliert abzuklären und nach der bestmöglichen Lösung für das Kind bei einer geeigneten Tagesfamilie zu suchen. Nachdem sie eine geeignete Kombination zwischen Kind und Tagesfamilie gefunden hat, organisiert die Vermittlerin einen Kennenlerntermin und bereitet einen Betreuungsvertrag vor. «Nach Abschluss des Vertrags hole ich eine Begleiterin mit ins Boot.» Wie Melanie Sailer berichtet, ist die Begleiterin dann die erste Ansprechperson für die Tagesfamilien, und sie als Vermittlerin rückt ein wenig in den Hintergrund. «Man will langfristige Verhältnisse», beschreibt Melanie Sailer. Wichtig sei, dass man sich als Betreuungsperson ständig weiterbilde. Melanie Sailer ist nicht nur Vermittlerin, sondern betreut selber auch jeden Nachmittag mehrere Tageskinder sowie ihre eigenen Söhne (10 und 7 Jahre alt). «Ja, mit fünf Kindern ist etwas los», lacht sie. Aber das bringt sie nicht so schnell aus der Ruhe. «Manchmal ist es schwierig, die Bedürfnisse aller Kinder abzudecken, aber dann muss man halt Prioritäten setzen.» Kinderbetreuung habe sehr viel mit Struktur und Organisation zu tun. «Und das ist genau mein Ding», strahlt sie.

Eine Macherin
Melanie Sailer wurde in Neuenburg (Deutschland) geboren. «Ich bin mit der Grenze aufgewachsen. Einmal pro Monat gingen wir in Basel Nudeln, Kaffee und Gewürze einkaufen», erinnert sie sich. Sie lernte Industriekauffrau und arbeitete während einigen Jahren auf ihren Beruf. Durch die Arbeit lernte sie ihren Mann kennen. Er wohnte damals in Badisch Rheinfelden und war unter anderem aufgrund seiner Begeisterung für den FC Basel mit der Schweiz verbunden. 2008 zog das Paar in die Schweiz. Über Uerikon, Uster und Rheinfelden (Schweiz) kamen sie 2012 nach Zeiningen. «In der Schweiz war man mir gegenüber von Anfang an sehr offen, und ich wurde gut aufgenommen», schildert Melanie Sailer. Für sie als Deutsche war das Bewusstsein immer wichtig, dass die Schweizer nicht gleich ticken wie ihre Landsleute und dass es ein gewisses Fingerspitzengefühl brauche. «Ich lernte ein bisschen diplomatischer zu werden», schmunzelt sie. Und: «Man muss sich integrieren.» Das ist für sie unabdingbar, wenn man in ein anderes Land zieht. Manchen Menschen sei dies leider nicht bewusst. «Wer nach draussen geht, integriert sich am schnellsten», war ihre Einstellung. So ging sie mit ihren Buben viel hinaus und fand schnell den Draht zu anderen Familien. In Zeiningen engagierte sie sich bald beim Mittagstisch, bei der Organisation «Schule mit Eltern», beim Tagesfamilienverein und im Volleyballclub.

Stolz auf den Schweizer Pass
«Hier bin ich angekommen», sagt Melanie Sailer. Seit sie in Zeiningen wohnt, besucht sie regelmässig die Gemeindeversammlungen, um auf dem Laufenden zu sein, was im Dorf passiert. «Ich sitze immer als Gast in der ersten Reihe. In den letzten Versammlungen wurde ich von der Gemeindepräsidentin sogar persönlich begrüsst.» Weil sie und ihre Familie überzeugt sind, am richtigen Ort zu leben, beantragten sie im April 2019 die Einbürgerung. «Jetzt im September erhielten wir die Zusage», freut sie sich mit strahlenden Augen und erzählt, dass sie vor ein paar Tagen zum ersten Mal ein Couvert mit Wahlunterlagen im Briefkasten hatte. «Was gibt es Schöneres als direkte Demokratie. Jeder Bürger hat das Wort. Ich schätze es unglaublich, einen Teil dieser Gemeinschaft zu sein.» Dieses Wochenende werde sie zwar noch nicht wählen gehen, da sie zu wenig Zeit gehabt hätte, sich mit den einzelnen Kandidaten auseinanderzusetzen. Sie freue sich aber schon auf die nächste Abstimmung.

«Du bist bünzliger als wir.» Diesen Kommentar von Schweizer Kollegen wertet Melanie Sailer keineswegs als negativ. Im Gegenteil: Die frischgebackene und stolze Schweizerin fasst diese Aussage als Kompliment auf und wird sich zukünftig in ihrer Gemeinde mit noch mehr Herzblut engagieren.


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