«Ich schaue positiv in die Zukunft»

  05.09.2020 Persönlich, Zuzgen

Erwin Müller hat Schönes und weniger Schönes erlebt

Der Zuzger Erwin Müller wusste immer, was er wollte. Neben der Arbeit hat er während vielen Jahren viel unternommen. Ein Hirnschlag veränderte alles. Heute muss er gezwungenermassen kürzertreten.

Hans Zemp

Weil Erwin Müller (Jahrgang 1957) nach Beendigung seiner obligatorischen Schulzeit in Zuzgen nicht so recht wusste, was er lernen sollte, orientierte er sich an der Berufswahlschule Möhlin über seine beruf lichen Aussichten. (Berufswahlschulen gibt es seit Jahren im Aargau keine mehr). Vor allem an der Oberstufe der Volksschulen war damals akuter Lehrermangel und die Kinder wurden von Aushilfskräften, die sich jeweils die Türklinke schon nach kurzer Zeit weiterreichten, unterrichtet. Die Betreuung der Kinder war entsprechend ungenügend. Dies erlebte auch Erwin Müller.

Verschiedene Berufspraktika liessen in ihm den Entschluss reifen, Zimmermann zu lernen. In Wegenstetten fand er eine Lehrstelle und die Arbeit und das Arbeitsumfeld gefielen ihm. Darum blieb er noch am Lehrort, bevor er nach Basel in eine Bauunternehmung wechselte. Dort blieb er acht Jahre lang. Er erhielt auch den Vorschlag, die Weiterbildung zum Polier und anschliessend Bauführer anzugehen. Er musste sich damals verpflichten, nach seiner Weiterbildung noch einige Jahre im Betrieb zu bleiben. Dank dieser Weiterbildung wurde seine Arbeit vielseitiger und er lernte das erweiterte Spektrum im Bauwesen kennen. Während acht Jahren hielt er dem Betrieb die Treue, bevor er beim Energiewerk der Stadt Basel während 25 Jahren als Bauführer und Bauleiter im Einsatz stand. Die Arbeit dort gefiel ihm deshalb gut, weil ein grosser Teil seiner Beschäftigung in Fernwärmeprojekten angesiedelt war. Erwin Müller sah darum in seinem Wirken eine ökologische und zukunftsorientierte Arbeit. «Und das ist bis heute brandaktuell», sagt er dazu. Die Entwicklung in diesem Bereich forderte, war anspruchsvoll und spannend. Diese Tätigkeiten seien entsprechend sinnvoll. All dies liebte Erwin Müller. Er absolvierte auch möglichst viele Abschnitte seines Arbeitsweges mit dem Velo.

Anspruchsvoll waren seine Hobbies
Lange Jahre liebte Erwin Müller die Alpen über alles. Darum ist es nicht verwunderlich, dass er mehr als dreissig Viertausender im Alpenmassiv bestieg. Am Bergsteigen schätzte er besonders die körperliche Herausforderung und das Schöne der Natur. Seine Fitness, die ihm sehr viel bedeutet und für ihn extrem wichtig ist, eignete er sich mit dem Velo und mit Joggen an. «Fitness fördert die Gesundheit», hat er erfahren. Darum war er während vielen Jahren entsprechend ehrgeizig. Das schlechte Wetter vermochte ihn nicht zu bremsen.

Während dreissig Jahren spielte Erwin Müller Cornet in verschiedenen Formationen, hauptsächlich in der Brass Band Zuzgen. Beweglich hielt er sich auch als aktives Mitglied der Männerriege.

Einen sehr grossen Stellenwert in seinem Leben hat bis heute die Ornithologie. Die heimische Vogelwelt fasziniert ihn und einige Reisen nach Frankreich, Deutschland und Österreich erweiterten in diesem Bereich sein Wissen.

Seine Fähigkeiten stellte Erwin Müller auch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Von 1991 bis 2012 wirkte er in der Reformierten Kirchenpflege mit und konnte beim Bau des Kirchenzentrum sein Wissen und Können, seine beruf lichen Kenntnisse bei der Planung und dem Bau einbringen.

Und dann kam plötzlich alles anders
Völlig unvorbereitet traf ihn im Jahre 2015 ein Hirnschlag (Hemiplegie) und veränderte sein Leben komplett. Von einer Minute zur andern blieb kein Stein mehr auf dem andern. Es folgten einige Wochen Spital und Rehabilitation. Erwin Müller sagt: «Vom Spital weiss ich nicht mehr viel.» Aber viele Träume, Halluzinationen und einzelne Gegebenheiten sind ihm noch präsent. In einem längeren Exposé hat Erwin Müller seine Zeit im Spital und in der Rehabilitation aufgezeichnet. Sein eiserner Wille und sein Engagement halfen und helfen mit, sich nach der Anfangskrise, diese habe etwa zwei Jahre gedauert, wieder zurecht zu finden. Diese mental schwere Zeit hat er überwunden.

Heute stehen vier Stunden Therapie, begleitete und selbständige, auf dem Tagesprogramm. Seine früheren intensiven Tätigkeiten sind der Therapie gewichen. Er macht auch nach fünf Jahren noch kleine Fortschritte aus. «Und die machen Freude und motivieren». Erwin Müller hadert nicht. Ganz grossartig ist für ihn, dass er sich geistig sehr gut erholte und seine geistigen Fähigkeiten wieder komplett da sind. Im Bewegungsvermögen sind Veränderungen geblieben.

Wie fühlt sich Erwin Müller heute?
Viele Sachen sind heute nicht mehr möglich. Die Therapie und die Ornithologie geben ihm aber viel Freude. Enorm wichtig ist dem Vater einer Tochter und eines Sohnes das Familienleben. Seine Gattin Maya gibt und gab ihm in all der schweren Zeit enorme Unterstützung in allen Bereichen. Im Spital, in der Reha und jetzt daheim trifft man sie immer an seiner Seite an. Erwin Müller schätzt es gewaltig, dass er von seiner Familie, von seiner Gattin so wunderbar getragen wird, wie er sagt. «Und dies ist seit Beginn des ‹Hammers› so», sagt er. Dank ihrer Hilfe in allen Bereichen und den gemeinsamen Tätigkeiten kommt bei ihm auch keine Langeweile auf. «Langeweile ist für mich überhaupt keine Option», meint er. Naturbeobachtungen sind ihm deutlich lieber. Gern macht Erwin Müller heute mit Kollegen einen Jass oder er spielt am Computer Schach. Dieses Instrument ist ihm wichtig geworden. Das Fernsehen sei nicht sein Zeitfüller, lacht er.

Erwin Müller hat bei sich selber festgestellt, dass er mit dem Hirnschlag direkter geworden sei, wissen wolle, was Sache ist, was warum und wie passiert. Er sei aber auch viel geduldiger geworden. Er schaut wirklich positiv in die Zukunft und freut sich an unserem Sozialwesen. Die klare Organisation erleichtere viel.


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