«Arme Siechen» in Laufenburg

  01.09.2020 Laufenburg

Einblicke in das spätmittelalterliche Siechenhaus von Laufenburg

Wer im Spätmittelalter an der Infektionskrankheit Lepra erkrankte, wurde von der Gesellschaft ausgeschlossen, galt als Aussätziger. In sogenannten Siechenhäusern blieben sie dann oft bis zu ihrem Tod. Reto Bucher von der Kantonsarchäologie Aargau hat seine Masterarbeit über das Laufenburger Siechenhaus geschrieben.

Susanne Hörth

Archäologisch Bedeutsames zu erhalten, sei mit der intensiven Bautätigkeit und der zunehmenden Verdichtung in den Dörfern nicht immer möglich, sagte Kantonsarchäologe Thomas Doppler. Bevor das Alte unwiederbringlich dem Neuen weichen muss, werde es deshalb freigelegt und dokumentiert, um so die Geschichte belegen zu können. «Es geht auch darum, das Wissen aus früheren Zeiten den Leuten vermitteln zu können. Und hier setzt die Arbeit von Reto Bucher an», leitete der Kantonsarchäologe am vergangenen Donnerstagabend in der Laufenburger Kultschüür zum eigentlichen Anlass über. Die Kantonsarchäologie Aargau hatte zur Vernissage von «Arme Siechen?» eingeladen. In diesem Band widmet sich Reto Bucher, ebenfalls von der Kantonsarchäologie Aargau, der bisher noch wenig erforschten Geschichte von solch städtischen Institutionen. Bucher hatte darüber nun seine Masterarbeit geschrieben.

Bevor er sein gespannt lauschendes Publikum in das spätmittelalterliche Laufenburg und dessen Siechenhaus mitnehmen konnte, drehte Thomas Doppler zuerst ganz sacht am Rad der Zeit. 2013 und 2014 habe die Kantonsarchäologie im Vorfeld der geplanten Laufenburger Grossüberbauung Rhyblick das grosse Bauareal untersucht. Dabei, so Doppler, sei man auf die Reste eines Kellers gestossen. Aus diesem konnten rund 4300 Fundstücke (darunter verschiedene Keramikgefässe) geborgen werden. Dass es sich bei den Gebäuderesten um ein Siechenhaus handeln könnte, liess bereits der Flurname «Siechebifang» vermuten.

Corona sorgte für Verschiebung
Bei seinen Forschungs- und Recherchearbeiten stiess Reto Bucher, unter anderem auf einen Gemarkungsplan aus dem Jahre 1778, in dem das Siechenhaus ungefähr an der Stelle eingezeichnet war, an dem der Keller vor sechs Jahren freigelegt wurde. «Eigentlich hätte die Vernissage im März dieses Jahres stattfinden sollen. Ausgerechnet eine Infektionskrankheit hat zur Verschiebung geführt.» Reto Bucher betonte das, weil eine Infektionskrankheit, Lepra, auch Teil seiner wissenschaftlichen Arbeit ist. In Zusammenhang mit der aktuellen Corona-Situation seien Begriffe wie Quarantäne und Isolation geläufig. Bucher zitiert verschiedene Medien, in denen Betroffene erzählen, dass sie sich wie Aussätzige fühlen würden.

Im Mittelalter, wenn Leute an Lepra erkrankten, war es wirklich so. «Sie wurden von der Gesellschaft verbannt, galten als Aussätzige», so Bucher. Diese Menschen verloren weitgehend ihre Rechte, wurden zu Bettelsiechen oder traten in ein Siechenhaus ausserhalb der Siedlungsgebiete ein. Nicht selten ging eine solche Unterbringung mit einem Einkauf (Pfrundkauf ) einher. Die Kranken mussten oft auch Betten, Bettwäsche, Geschirr und Kochutensilien mitbringen. Die Sachen gingen nach dem Tod der Eigentümer an die Siechenhäuser über. Im Buch von Reto Bucher werden solche Häuser als eine Mischung aus Kloster, Spital und Gefängnis beschrieben.

Wie schon Thomas Doppler betont hatte, wiederholte auch Reto Buch am Ende seiner Ausführungen, dass es sich bei dem Laufenburger Fundkomplex um das bisher grösste Ensemble des Spätmittelalters aus dem Kanton Aargau handle.

Das Fundgebiet ist mittlerweile überbaut. Und bietet aus den schönen Wohnungen einen traumhaften Blick über den Rhein, sagte Stadträtin Regina Erhard bei ihrer Begrüssung. Ein Blick, den sie täglich geniessen kann, wohnt sie doch mit ihrem Ehemann selbst in der Überbauung.


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