Geschichte auf zwei Rädern

  05.08.2020 Fricktal

Mit dem Velo entlang der Grenze der ehemaligen Herrschaft Rheinfelden

Um 1790 hatte die Herrschaft Rheinfelden als Teil Vorderösterreichs ihre grösste Ausdehnung. Auf einer Velotour von 85 Kilometern ist der östliche Teil dieses Herrschaftsgebiets im ursprünglichen Wortsinn «erfahrbar», nicht nur als Geschichte, sondern auch in der herrlichen Natur des Tafeljuras.

Boris Burkhardt

1790 war Rheinfelden ein «Musterbeispiel einer verarmten Gegend: Es gab keinerlei Manufakturen oder Heimindustrie; und viele Rheinfelder waren bei Basler Bürgern verschuldet. Ausserdem liess die Belastung durch hohe Militärausgaben keine Investitionen zu», wie Wikipedia berichtet. Die Stadt Rheinfelden gehört damals zu Vorderösterreich; Kaiser Joseph II hatte gerade seine Mutter Maria Theresia als absolutistischer Monarch abgelöst. Die Rheinfelder waren treue Österreicher, die die Ideen der Französischen Revolution wenige Jahre später ziemlich kalt liessen. Es hatte unter beiden Regenten soziale Reformen gegeben; dennoch war die Verwaltung zentralistisch organisiert und Rheinfelden ein ständig umkämpftes Gebiet in der Peripherie des Habsburgerreiches.

Durch mehrere Täler
Seit dem 15. Jahrhundert war Rheinfelden Sitz der Kameralherrschaft Rheinfelden, eine Verwaltungseinheit Vorderösterreichs als Mitglied der Breisgauer Landstände. Die Stadt Rheinfelden selbst war, eigenständig und gehörte nicht zur Kameralherrschaft, die in die drei Landschaften Fricktal, Möhlinbach und Rheintal am rechten Flussufer unterteilt war. Die Organisatoren des jährlich im September stattfindenden Rheinfelder «Molinari-Marsches» kamen vor vielen Jahren auf die Idee, die Grenzen dieser historischen Kameralherrschaft abzulaufen, in einem Jahr die östliche Hälfte, im folgenden die westliche Hälfte – der nach dem verstorbenen Rheinfelder Stadtammann Richard Molinari benannte Marsch hat jeweils eine Mindeststrecke von 50 Kilometern.

Wer sich diese Strecke zu Fuss nicht zutraut, kann die «Herrschaft Rheinfelden um 1790 östlicher Teil» als Velotour fahren, ein anspruchsvoller aber lohnender Ganztagesausflug von 85 Kilometern, der nicht wie die Wanderung über die Juragrade führt, sondern nebenher auf Asphalt über mehrere Täler hinweg verläuft und deshalb auch für Rennradfahrer problemlos zu fahren ist. Von Rheinfelden geht es zunächst am Rhein entlang auf dem Euro-Veloweg 15 (in der Schweiz auch gekennzeichnet als «Rheinroute 2») durch die historische Landschaft Möhlinbach über Möhlin, Wallbach, Mumpf und Stein bis Münchwilen. Bis hierher steigt der Weg wenn überhaupt nur gemächlich; für die lange Strecke auf ruckligen Schotter- und Waldwegen durch den Rheinwald zwischen Möhlin und Wallbach empfiehlt sich allerdings ein gut gepolsterter Hosenboden.

In Eiken verlässt die Tour den Euro-Veloweg und gleichzeitig die Landschaft Möhlinbach und führt durch die Landschaft Fricktal über Eiken, Oeschgen, Frick und Hornussen nach Zeihen. Die letzten beiden Dörfer bildeten die Grenze Vorderösterreichs: Bözen und Effingen gehörten schon wieder zu Bern, waren damit schweizerisch und für die Rheinfelder Ausland. Oeschgen war zwar noch Teil Vorderösterreichs, gehörte aber zur Kameralherrschaft Laufenburg. Durch das liebliche Zeiherbachtal von Hornussen nach Zeihen geht es erstmals merklich bergauf. Über eine kleine Kuppe gelangt man über Ueken nach Herznach. Auch hier gehörte die südliche Nachbargemeinde Densbüren schon zum Berner Aargau.

Deshalb geht die Tour weiter nach Westen über Hügel und Felder durch die geologische Übergangszone von Faltenjura im Süden und Tafeljura im Norden nach Wölfinswil. Das südliche gelegene Oberhof gehört noch zur Herrschaft Rheinfelden; die Tour führt jedoch wieder nach Norden über eine gemässigte Abfahrt nach Wittnau als letzter Ort der Landschaft Fricktal. Verkehrstechnisch bedingt geht es im Anschluss noch einmal ins «Ausland», diesmal in die eidgenössische Herrschaft Basel. Die Rothenfluhstrasse ist eine herrliche Serpentinenstrasse am bewaldeten Hang entlang und strahlt im Sommer eine fast mediterrane Atmosphäre aus.

Die letzten Reserven
Von Rothenf luh geht es weiter Richtung Ormalingen; die Tour biegt aber hinter dem Restaurant «Säge» rechts zum Asphof ab. Die kurze Abfahrt Richtung Wegenstetten führt nochmal über einen Zipfel Aargau; erneut biegt die Tour aber ab, diesmal linkerhand nach Hemmiken und anschliessend Buus. In der Ortsmitte von Buus zweigt rechterhand der Laigweg ab, der am Hang entlang auf den Sonnenberg führt, ohne dass es nochmals nach Maisprach «ins Loch abe» geht. Der Sonnenberg verlangt dem inzwischen vermutlich ausgelaugten Tourenfahrer nochmal die letzten Reserven ab. Das macht aber gar nichts: Sobald der Pass nach Zeiningen erreicht ist, geht es zurück in der Landschaft Möhlinbach nur noch bergab beziehungsweise flach auf der schnellsten Veloverbindung entlang der Autobahn zurück nach Rheinfelden. Schon bald nach 1790, dem Zeitpunkt der grössten Ausdehnung der Rheinfelder Herrschaft, wurde dieselbe übrigens von Napoleon aufgelöst.

Das Fricktal bildete 1802 einen eigenen Kanton, wurde aber schon ein Jahr später mit dem Beitritt zur Eidgenossenschaft Teil des neugeschaffenen Kantons Aargau. Die rechtsrheinische Kameralherrschaft existierte nach der Gründung des Grossherzogtums Baden 1806 mit Verwaltungssitz in Nollingen noch ein Jahr weiter.


Velotour «westlicher Teil»

Natürlich gibt es auch eine Velotour als Hommage an die Molinari-Wanderung «Herrschaft Rheinfelden um 1790 westlicher Teil» von rund 70 Kilometer, die der Autor ebenfalls gefahren ist: Sie führt grob von Rheinfelden über Magden und Olsberg in der Landschaft Möhlinbach, erneut über damaliges «Schweizer Ausland» Arisdorf, Muttenz, und Birsfelden, badisch-markgräflerisches Gebiet in Grenzach, und über den Chrischona wieder zurück in Rheinfelder Herrschaftsgebiet der Landschaft Rheintal entlang der heutigen Badisch-Rheinfelder Stadtteile Adelhausen, Minseln und Nordschwaben. (bob)


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