Die unverschämte Art der Selbstbedienung

  06.08.2020 Fricktal

Diebstahl im Hofladen: «Einige betreiben es als Volkssport»

Der unbetreute Verkauf ab Hofladen basiert auf dem Prinzip der Ehrlichkeit. Immer wieder wird dieses Prinzip mit Füssen getreten. Landwirt Andy Steinacher hat einen Diebstahl gefilmt und auf Facebook gestellt.

Ronny Wittenwiler

Vor ein paar Tagen stellte Andy Steinacher aus Schupfart eine Videosequenz seiner Überwachungskamera ins Internet. Die Sequenz zeigt, wie sich ein Mann im Hofladen bedient. Wobei: Das Wort «bedienen» relativ scheint. Steinacher schreibt dazu: «Hier der feine Herr. Wie er uns beklaut. Obst und Kisten mitgehen lässt und dann zum Vertuschen zehn Franken in die Kasse schiebt.»

«Von Hofladen zu Hofladen»
Es ist nicht das ganz grosse Geld, das fehlt. Und doch: Am Ende summieren sich landauf landab im Fricktal Beträge, die in den Kassen der hiesigen Landwirte fehlen. «Ein paar wenige betreiben diese Masche als Volkssport. Sie fahren von Hof laden zu Hof laden und klauen», sagt Steinacher. Diese Aussage kommt nicht von ungefähr. Als Landwirt steht er erstens mit Berufskollegen im Austausch, auch ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es immer wieder Leidtragende gibt. Auf Blumenwiesen zum Selberpflücken etwa werden bei einer gewissen Klientel zur Hochsaison die Finger länger, als Polizei und Preisliste erlauben. Was bleibt ist vor allem Enttäuschung beim Anbieter. Steinachers Frau Pia führt den Hofladen zusammen mit dessen Hilfe, unter anderem werden Kirschen, Zwetschgen, Aprikosen und Äpfel aus eigenen Plantagen angeboten. «In unserer Arbeit steckt viel Herzblut», sagt Andy Steinacher. «Mit dem Verkauf eigener Produkte gibt man sich Mühe, für den Kunden besonders gute Ware anbieten zu können. Die Enttäuschung über ein solches Verhalten von Menschen, die unsere Ware stehlen, ist deshalb gross.» Dass Diebstähle vorkommen, oder auch, dass bewusst zu wenig Geld in die Kasse gelegt wird, das sei eher die Ausnahme als die Regel – das möchte auch Steinacher festgehalten haben. Doch gerade dieses Verhalten schade letztlich allen. «Wir können schliesslich nicht gratis arbeiten und müssen unsere Margen einberechnen. Was der eine klaut, zahlt am Ende ein anderer.»

«Dann können wir gemeinsam zur Polizei»
Der Facebook-Eintrag mit Video und Fotos jenes Mannes, der sich im Hofladen bedient, wurde insgesamt über eintausend Mal geteilt. Dass sich Andy Steinacher mit dieser Aktion, wie er selbst sagt, «nicht im legalen Bereich» befindet, ist ihm bewusst. «Ich stehe aber dazu, dass ich das getan habe.» Nebst einer grossen Mehrheit, die Steinachers Handeln im Internet gutheissen, gab es auch einzelne Kommentierende, die sein Vorgehen als einen Akt der Selbstjustiz kritisieren. «Das kann man meinetwegen so sagen», meint Steinacher. «Wenn auch der Mann, der uns beklaute, ein Problem mit meinem Handeln hat, darf er sich gerne bei mir melden. Dann können wir gemeinsam zur Polizei gehen.» Steinacher sei mit dieser Sache, dem erfahrenen Diebstahl, doch nur ein kleiner Fisch. «Aber ich glaube, es ist oft so: Manchmal habe ich das Gefühl, dass Täter mehr geschützt werden als Opfer. Viele getrauen sich deswegen nicht, sich zu wehren.»

Der Mann, der sich in Steinachers Laden bediente, hat sich bislang nicht gemeldet.


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